Wachtmeister Studer / Вахтмистр Штудер. Книга для чтения на немецком языке
Фридрих Глаузер
Kriminalroman
В традиционном детективе нужны по меньшей мере три обязательных ингредиента – жертва, преступник и гениальный сыщик, который с блеском распутает любое преступление. У швейцарского криминального романа своего классического периода не было – он начался в ХХ веке с Фридриха Глаузера. Писатель пришел к детективу в то время, когда в жанре появились персонажи, которые ищут не столько преступника, сколько истину, и «расследуют» жизнь во всей сложности ее противоречий и конфликтов. Именно таким автор создал образ Якоба Штудера.
Блестящий комиссар столичной полиции Штудер проявил принципиальность и отказался замять дело, в результате чего поплатился карьерой и был разжалован в рядовые. Теперь он в чине вахмистра служит в полиции Берна, слывет чудаком и мечтателем, к нему относятся с известной долей недоверия, но все же поручают самые сложные и важные дела.
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Friedrich Glauser
Wachtmeister Studer
© КАРО, 2021
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Einer will nicht mehr mitmachen
Der Gefangenenwärter mit dem dreifachen Kinn und der roten Nase brummte etwas von »ewigem G'stürm«, – weil ihn Studer vom Mittagessen wegholte. Aber Studer war immerhin ein Fahnderwachtmeister von der Berner Kantonspolizei, und so konnte man ihn nicht ohne weiteres zum Teufel jagen.
Der Wärter Liechti stand also auf, füllte sein Wasserglas mit Rotwein, leerte es auf einen Zug, nahm einen Schlüsselbund und kam mit zum Häftling Schlumpf, den der Wachtmeister vor knapp einer Stunde eingeliefert hatte.
Gänge… Dunkle lange Gänge… Die Mauern waren dick. Das Schloß Thun schien für Ewigkeiten gebaut. Überall hockte noch die Kälte des Winters.
Es war schwer, sich vorzustellen, daß draußen ein warmer Maientag über dem See lag, daß in der Sonne Leute spazieren gingen, unbeschwert, daß andere in Booten auf dem Wasser schaukelten und sich die Haut braun brennen ließen.
Die Zellentüre ging auf. Studer blieb einen Augenblick auf der Schwelle stehen. Zwei waagrechte, zwei senkrechte Eisenstangen durchkreuzten das Fenster, das hoch oben lag. Der Dachfirst eines Hauses war zu sehen – mit alten, schwarzen Ziegeln – und über ihm wehte als blendend blaues Tuch der Himmel. Aber an der unteren Eisenstange hing einer! Der Ledergürtel war fest verknüpft und bildete einen Knoten. Dunkel hob sich ein schiefer Körper von der weißgekalkten Wand ab. Die Füße ruhten merkwürdig verdreht auf dem Bett. Und im Nacken des Erhängten glänzte die Gürtelschnalle, weil ein Sonnenstrahl sie von oben traf.
»Herrgott!« sagte Studer, schoß vor, sprang aufs Bett – und der Wärter Liechti wunderte sich über die Beweglichkeit des älteren Mannes – packte den Körper mit dem rechten Arm, während die linke Hand den Knoten aufknüpfte.
Studer fluchte, weil er sich einen Nagel abgebrochen hatte. Dann stieg er vom Bett und legte den leblosen Körper sanft nieder.
»Wenn Ihr nicht so verdammt rückständig wäret«, sagte Studer, »und wenigstens Drahtgitter vor den Fenstern anbringen würdet, dann könnten solche Sachen nicht passieren. – So! Aber jetzt spring, Liechti, und hol den Doktor!«
»Ja, ja!« sagte der Wärter ängstlich und humpelte davon.
Zuerst machte der Fahnderwachtmeister künstliche Atmung. Es war wie ein Reflex. Etwas, das aus der Zeit stammte, da er einen Samariterkurs mitgemacht hatte. Und erst nach fünf Minuten fiel es Studer ein, das Ohr auf die Brust des Liegenden zu legen und zu lauschen, ob das Herz noch schlage. Ja, es schlug noch. Langsam. Es klang wie das Ticken einer Uhr, die man vergessen hat aufzuziehen; Studer pumpte weiter mit den Armen des Liegenden. Unter dem Kinn durch, von einem Ohr zum andern, lief ein roter Streifen.
»Aber Schlumpfli!« sagte Studer leise. Er nahm sein Nastuch aus der Tasche, wischte sich zuerst selbst die Stirne ab, dann fuhr er mit dem Tuch über das Gesicht des Burschen. Ein Bubengesicht: jung, zwei dicke Falten über der Nasenwurzel. Trotzig. Und sehr bleich.
Das war also der Schlumpf Erwin, den man heut morgen in einem Krachen des Oberaargaus verhaftet hatte. Schlumpf Erwin, angeklagt des Mordes an Witschi Wendelin, Kaufmann und Reisender in Gerzenstein.
Zufall, daß man zur rechten Zeit gekommen war! Vor einer Stunde etwa hatte man den Schlumpf ordnungsgemäß im Gefängnis eingeliefert, der Wärter mit dem dreifachen Kinn hatte unterschrieben – man konnte getrost den Zug nach Bern nehmen und die ganze Sache vergessen. Es war nicht die erste Verhaftung, die man vorgenommen hatte, es würde auch nicht die letzte sein. Warum hatte man das Bedürfnis verspürt den Schlumpf Erwin noch einmal zu besuchen?
Zufall?
Vielleicht… Was ist schon Zufall?… Es war nicht zu leugnen, daß man dem Schicksal des Schlumpf Erwin teilnahmsvoll gegenüberstand. Richtiger gesagt, daß man den Schlumpf Erwin liebgewonnen hatte… Warum?… Studer in der Zelle strich sich ein paar Male mit der flachen Hand über den Nacken. Warum? Weil man keinen Sohn gehabt hatte? Weil der Verhaftete auf der ganzen Reise seine Unschuld beteuert hatte? Nein. Unschuldig sind sie alle. Aber die Beteuerungen des Schlumpf Erwin hatten ehrlich geklungen. Obwohl…
Obwohl der Fall eigentlich ganz klar lag. Den Kaufmann und Reisenden Wendelin Witschi hatte man am Mittwochmorgen mit einem Einschuß hinter dem rechten Ohr, auf dem Bauche liegend, in einem Walde in der Nähe von Gerzenstein aufgefunden. Die Taschen der Leiche waren leer… Die Frau des Ermordeten hatte behauptet, ihr Mann habe dreihundert Franken bei sich getragen.
Und am Mittwochabend hatte Schlumpf im Gasthof zum ›Bären‹ eine Hunderternote gewechselt… Am Donnerstagmorgen wollte ihn der Landjäger verhaften, aber Schlumpf war geflohen.
So war es eben gekommen, daß der Polizeihauptmann am Donnerstagabend den Wachtmeister Studer in seinem Bureau aufgesucht hatte:
»Studer, du mußt an die frische Luft. Morgen früh gehst du den Schlumpf Erwin verhaften. Es wird dir gut tun. Du wirst zu dick…
«Es stimmte, leider… Gewiß, sonst schickte man zu solchen Verhaftungen Gefreite. Es hatte den Fahnderwachtmeister getroffen… Auch Zufall?… Schicksal?…Genug, man war an den Schlumpf geraten, und man hatte ihn liebgewonnen. Eine Tatsache! Mit Tatsachen, auch wenn sie nur Gefühle betreffen, muß man sich abfinden. Der Schlumpf! Sicherlich kein wertvoller Mensch! Man kannte ihn auf der Kantonspolizei. Ein Unehelicher. Die Behörde hatte sich fast ständig mit ihm beschäftigen müssen. Sicher wogen die Akten auf der Armendirektion mindestens anderthalb Kilo. Lebenslauf? Verdingbub bei einem Bauern. Diebstähle. – Vielleicht hat er Hunger gehabt? Wer kann das hinterdrein noch feststellen? – Dann ging es, wie es in solchen Fällen immer geht. Erziehungsanstalt Tessenberg. Ausbruch. Diebstahl. Wieder gefaßt. Geprügelt. Endlich entlassen. Einbruch. Witzwil. Entlassen. Einbruch. Thorberg drei Jahre. Entlassen. Und dann hatte es Ruhe gegeben – zwei volle Jahre. Der Schlumpf hatte in der Baumschule Ellenberger in Gerzenstein gearbeitet. Sechzig Rappen Stundenlohn. Hatte sich in ein Mädchen verliebt. Die beiden wollten heiraten. Heiraten! Studer schnaubte durch die Nase. So ein Bursch und heiraten! Und dann war der Mord an dem Wendelin Witschi passiert…
Es war ja bekannt, daß der alte Ellenberger in seinen Baumschulen mit Vorliebe entlassene Sträflinge anstellte. Nicht nur, weil sie billige Arbeitskräfte waren, nein, der Ellenberger schien sich in ihrer Gesellschaft wohlzufühlen. Nun, jeder Mensch hat seinen Sparren, und es war nicht zu leugnen, daß die Rückfälligen sich ganz gut hielten beim alten Ellenberger… Und nur weil der Schlumpf am Mittwochabend eine Hunderternote im Bären gewechselt hatte, sollte er den Raubmord begangen haben?… Der Bursche hatte das so erklärt: es sei erspartes Geld gewesen, er habe es bei sich getragen…
Chabis!… Erspart!… Bei sechzig Rappen Stundenlohn? Das machte im Monat rund hundertfünfzig Franken… Zimmermiete dreißig… Essen? – Zwei Franken fünfzig am Tag für einen Schwerarbeiter war wenig gerechnet. Fünfundsiebzig und dreißig macht hundertfünf, Wäsche fünf – Cigaretten, Wirtschaft, Tanz, Haarschneiden, Bad – Blieben im besten Falle fünf Franken im Monat. Und dann sollte er in zwei Jahren dreihundert Franken erspart haben? Unmöglich! Das Geld bei sich getragen haben? Psychologisch undenkbar. Solche Leute können kein Geld in der Tasche tragen, ohne es zu verputzen… Auf der Bank? Vielleicht. Aber nur so in der Brieftasche?…
Und doch, der Schlumpf hatte dreihundert Franken bei sich gehabt. Nicht ganz. Zwei Hunderternoten und etwa achtzig Franken. Studer sah das Einlieferungsprotokoll, das er unterzeichnet hatte:
»Portemonnaie mit Inhalt: 282 Fr. 25.«
Also… Es stimmte alles! Sogar der Fluchtversuch im Bahnhof Bern. Ein dummer Fluchtversuch! Kindisch! Und doch so begreiflich! Diesmal langte es ja für lebenslänglich…
Studer schüttelte den Kopf. Und doch! Und doch! Etwas stimmte nicht an der ganzen Sache. Vorerst war es nur ein Eindruck, ein gewisses unangenehmes Gefühl. Und der Fahnderwachtmeister fröstelte. Diese Zelle war kalt. Kam denn der Doktor nicht bald?
Wollte der Schlumpf eigentlich gar nicht aufwachen?… Ein tiefer Atemzug hob die Brust des Liegenden, die verdrehten Augen kamen in die richtige Stellung und Schlumpf sah den Wachtmeister an. Studer fuhr zurück.
Ein unangenehmer Blick. Und jetzt öffnete Schlumpf den Mund und schrie. Ein heiserer Schrei – Schrecken, Abwehr, Furcht, Entsetzen… Viel lag in dem Schrei. Er wollte nicht enden.
»Still! Willst still sein!« flüsterte Studer. Er bekam Herzklopfen. Schließlich tat er das einzig mögliche: er legte seine Hand auf den lauten Mund…
»Wenn du still bist«, sagte der Wachtmeister, »dann bleib ich noch eine Weile bei dir, und du kannst eine Zigarette rauchen, wenn der Doktor fort ist. Hä? Ich bin doch noch zur rechten Zeit gekommen…« und versuchte ein Lächeln.
Aber das Lächeln wirkte auf den Schlumpf durchaus nicht ansteckend. Zwar sein Blick wurde sanfter, aber als Studer seine Hand vom Munde fortnahm, sagte Schlumpf leise:
»Warum habt Ihr mich nicht hängen lassen, Wachtmeister?«
Schwer auf diese Frage eine richtige Antwort zu finden! Man war doch kein Pfarrer…
Es war still in der Zelle. Draußen tschilpten Spatzen. Im Hof unten sang ein kleines Mädchen mit dünner Stimme:
»O du liebs Engeli,
Rosmarinstengeli,
Alliweil, alliweil, blib i dir treu…«
Da sagte Studer und seine Stimme klang heiser:
»Eh, du hast mir doch erzählt, daß du heiraten willst? Das Meitschi… es wird doch zu dir halten, oder? Und wenn du sagst, du bist unschuldig, so ist's doch gar nicht sicher, daß du verurteilt wirst. Und du kannst dir doch denken, daß ein Selbstmordversuch die größte Dummheit gewesen ist, die du hast machen können. Das wird dir als Geständnis ausgelegt…«
»Es war doch kein Versuch. Ich hab wirklich…«
Aber Studer brauchte nicht zu antworten. Es kamen Schritte den Gang entlang, der Wärter Liechti sagte »Da drin ist er, Herr Doktor.«
»Scho wieder z'wäg?« fragte der Doktor und griff nach Schlumpfs Handgelenk. »Künstliche Atmung? Fein!«
Studer stand vom Bett auf und lehnte sich gegen die Wand.
»Ja, also«, sagte der Doktor. »Was machen wir mit ihm? Selbstgefährlich! Suicidal! Na ja, das kennt man. Wir werden eine psychiatrische Expertise verlangen… Nicht wahr?«
»Herr Doktor, ich will nicht ins Irrenhaus«, sagte Schlumpf laut und deutlich, dann hustete er.
»So? Und warum nicht? Naja, dann könnte man… Ihr habt doch sicher eine Zweierzelle, Liechti, in die man den Mann legen könnte, damit er nicht so allein ist… Geht das? Fein…«
Dann, leise, so, wie man auf dem Theater flüstert, jedes Wort verständlich: »Was hat er angestellt?«
»Gerzensteiner Mord!« flüsterte der Wärter ebenso deutlich zurück.
»Ah, ah«, nickte der Doktor bekümmert – so schien es wenigstens. Schlumpf drehte den Kopf, sah hinüber zum Wachtmeister. Studer lächelte, Schlumpf lächelte zurück. Sie verstanden sich.
»Und wer ist dieser Herr da?« fragte der Arzt. Das Lächeln der beiden brachte ihn in Verlegenheit.
Studer trat so heftig vor, daß der Doktor einen Schritt zurückwich. Der Wachtmeister stand steif da. Sein bleiches Gesicht mit der merkwürdig schmalen Nase paßte nicht so recht zu dem ein wenig verfetteten Körper.
»Wachtmeister Studer von der Kantonspolizei!« Es klang aufrührerisch und bockig.
»So, so! Freut mich, freut mich! Und Sie sind mit der Untersuchung des Falles betraut?« Der blonde Arzt versuchte seine Sicherheit wiederzugewinnen.
»Ich hab ihn verhaftet«, sagte Studer kurz. »Übrigens, ich will gern noch eine Weile bei ihm bleiben bis er sich beruhigt hat. Ich hab Zeit. Der nächste Zug nach Bern fährt erst um halb fünf…«
»Fein!« sagte der Arzt. »Wunderbar! Tut das nur, Wachtmeister. Und heut abend legt Ihr mir den Mann in eine Zweierzelle. Verstanden, Liechti?«
»Jawohl, Herr Doktor.«
»Lebet wohl miteinander«, sagte der Arzt und setzte den Hut auf. Liechti fragte ob er schließen solle. Studer winkte ab. Gegen Haftpsychosen waren wohl offene Türen das wirksamste Gegenmittel.
Und die Schritte verhallten im Gang.
Umständlich setzte Studer den Strohhalm in Brand, den er aus der Brissago gezogen hatte, hielt die Flamme unter das Ende derselben, wartete bis der Rauch oben herausquoll und steckte sie dann in den Mund.
Dann zog er ein gelbes Päckli aus der Tasche, sagte: »So, nimm eine!« Schlumpf sog den ersten Zug der Zigarette tief in die Lungen. Seine Augen leuchteten. Studer setzte sich aufs Bett.
– Der Wachtmeister sei ein Guter, sagte der Schlumpf.
Und Studer mußte sich zusammennehmen, um ein merkwürdiges Gefühl im Halse zu unterdrücken. Um es zu vertreiben, gähnte er ausgiebig.
»So, Schlumpfli«, sagte er dann. »Und jetzt. Warum hast du Schluß machen wollen?«
– Das könne man nicht so ohne weiteres sagen, meinte der Schlumpf. Es sei ihm alles verleidet gewesen. Und er kenne ja den Betrieb. Wenn man einmal verhaftet sei, dann käme man nicht mehr los. Vorbestraft! – Und jetzt werde es für lebenslänglich langen… Und das Meitschi, von dem der Wachtmeister gesprochen habe, das werde ja wohl auch nicht warten wollen. Es wäre schön dumm, wenn es das täte. – Wer denn das Meitschi sei?
– Es heiße Sonja und sei die Tochter vom ermordeten Witschi. – Und ob die Sonja glaube, daß er den Mord begangen habe? – Das wisse er nicht. Er sei einfach fort, damals, als er gehört habe, man beschuldige ihn. – Wie das denn zugegangen sei, daß man gerade auf ihn verfallen sei? – Eh, wegen der Hunderternote, die er im ›Leuen‹ gewechselt habe. – Im ›Leuen‹? Nicht im ›Bären‹? – Es könne auch im ›Bären‹ gewesen sein. Natürlich im ›Bären‹! Der ›Leuen‹ sei die fürnehme Wirtschaft, da hätten sie einmal bei einem Anlaß aufgespielt…
»Bei welchem Anlaß? Und wer hat aufgespielt?«
»Bei einer Hochzeit. Der Buchegger hat Klarinette gespielt, der Schreier Klavier und der Bertel Baßgeige. Und ich Handharfe…«
»Schreier? – Buchegger? – Die – die kenn' ich doch!« Studer runzelte die Stirn.
»Denk wohl!« sagte der Schlumpf, und ein kleines Lächeln entstand in seinen Mundwinkeln. »Der Buchegger hat oft von Euch erzählt und der Schreier auch. Ihr habt ihn vor drei Jahren geschnappt…«
Studer lachte. So, so! Alte Bekannte! – Und die hätten sich also zu einer Ländlerkapelle zusammengetan? »Ländlerkapelle?« Schlumpf tat beleidigt. »Nein! Ein richtiger Jazzband. Der Ellenberger, unser Meister, hat uns sogar einen englischen Namen gegeben: ›The Convict Band‹! Das soll heißen: Die Sträflingsmusik…«
Der Bursche Schlumpf schien ganz zufrieden zu sein, von nebensächlichen Dingen zu sprechen. Aber wenn man vom Mord anfing, versuchte er abzubiegen.
Studer war einverstanden. Der Schlumpf sollte nur abschweifen, wenn er Freude daran hatte. Nicht drängen! Es kommt alles von selbst, wenn man genügend Geduld hat…
»Dann habt Ihr auch in den umliegenden Dörfern gespielt?
»Sowieso!«
»Und ordentlich Geld verdient?«
»Zünftig…« Zögern. Schweigen.
»Also, Schlumpfli, ich will dir ja glauben, daß du den Witschi nicht umgebracht hast – um ihm die Brieftasche zu rauben. Dreihundert Franken hast du erspart gehabt?«
»Ja, dreihundert Erspartes…« Schlumpf blickte zum Fenster auf, seufzte, vielleicht weil der Himmel so blau war.
»Du hast also die Tochter vom Ermordeten heiraten wollen? Sonja hieß sie? Und die Eltern, die waren einverstanden?«
»Der Vater schon; der alte Witschi hat gesagt, ihm sei es gleich. Er war oft beim Ellenberger zu Besuch und dort hat er mit mir gesprochen, der Ermordete, wie Ihr sagt… Er hat gemeint, ich sei ein ordentlicher Bursch, und wenn ich auch ein Vorbestrafter sei, man solle nicht zu Gericht sitzen, und wenn ich einmal die Sonja zur Frau hätte, dann würde ich keine Dummheiten mehr machen. Die Sonja sei ein ordentliches Meitschi… Und dann hat mir mein Meister die Obergärtnerstelle versprochen, weil doch der Cottereau schon alt ist und ich tüchtig bin…«
»Cottereau? Hat der die Leiche gefunden?«
»Ja. Er geht jeden Morgen spazieren. Der Meister läßt ihn machen, was er will. Der Cottereau stammt aus dem Jura, aber man merkt ihm das Welsche nicht mehr an. Am Mittwochmorgen ist er in die Baumschule gelaufen gekommen und hat erzählt, im Walde liege der Witschi, erschossen… Dann hat ihn der Meister gleich auf den Landjägerposten geschickt, um die Meldung zu machen.«
»Und was hast du gemacht, nachdem du vom Cottereau die Neuigkeit erfahren hast?«
Ach, meinte der Schlumpf, sie hätten alle Angst gehabt, weil der Verdacht auf sie fallen müsse, als Vorbestrafte. Aber den ganzen Tag sei es ruhig gewesen, niemand sei in die Baumschule gekommen. Nur der Cottereau habe sich nicht beruhigen können, bis ihn der Meister angeschnauzt habe, er solle mit dem G'stürm aufhören…
»Und am Mittwochabend hast du die hundert Franken im ›Bären‹ gewechselt?«
»Am Mittwochabend, ja…«
Stille. Studer hatte das Päckchen Parisiennes neben sich liegen lassen. Ohne zu fragen nahm Schlumpf eine Zigarette, der Wachtmeister gab ihm die Schachtel Zündhölzer und sagte:
»Versteck beides. Aber laß dich nicht erwischen!«
Schlumpf lächelte dankbar.
»Wann habt Ihr Feierabend in der Baumschule?«
»Um sechs. Wir haben den Zehnstundentag.« Dann fügte Schlumpf eifrig hinzu: »Überhaupt, in der Gärtnerei kenn ich mich aus. Der Vorarbeiter auf dem Tessenberg hat immer gesagt, ich kann etwas. Und ich schaff' gern…«
»Das ist mir gleich!« Studer sprach absichtlich streng. »Nach dem Feierabend bist du ins Dorf, in dein Zimmer. Wo hast du gewohnt?«
»Bei Hofmanns, in der Bahnhofstraße. Ihr findet das Haus leicht. Die Frau Hofmann war eine Gute… Sie haben eine Korberei.«
»Das interessiert mich nicht! Du bist in dein Zimmer, hast dich gewaschen. Dann bist du zum Nachtessen gegangen? Oder?«
»Ja.«
»Also: sechs Uhr Feierabend.« Studer zog ein Notizheft aus der Tasche und begann nachzuschreiben. »Sechs Uhr Feierabend, halb sieben – viertel vor sieben Nachtessen…« Aufblickend: »Hast du schnell gegessen? Langsam? Hast du Hunger gehabt?«
»Nicht viel Hunger…«
»Dann hast du schnell gegessen und warst um sieben fertig…«
Studer schien in sein Notizbuch zu starren, aber seine Augen waren beweglich. Er sah die Veränderung in den Gesichtszügen des Schlumpf und unterbrach die Spannung, indem er harmlos fragte:
»Wieviel hast du für das Nachtessen bezahlt?«
»Eins fünfzig. Zu Mittag hab ich immer beim Ellenberger eine Suppe gegessen und Brot und Käs mitgebracht. Der Ellenberger hat nur fünfzig Rappen für den Teller Suppe verlangt, und z'Immis hat er umsonst gegeben, denn der Ellenberger war immer anständig mit uns, wir haben ihn gern gehabt, er hat so kohlig dahergeredet, er sieht aus, wie ein uralter Mann, hat keine Zähne mehr, aber…« dies alles in einem Atemzug, als ob der Redende vor einer Unterbrechung Angst hätte. Doch Studer wollte diesmal auf das Geschwätz nicht eingehen.
»Was hast du am Mittwochabend zwischen sieben und acht Uhr gemacht?« fragte er streng. Er hielt den Bleistift zwischen den mageren Fingern und blickte nicht auf.
»Zwischen sechs und sieben?« Schlumpf atmete schwer.
»Nein, zwischen sieben und acht. Um sieben warst du mit dem Nachtessen fertig, um acht hast du im ›Bären‹ eine Hunderternote gewechselt. Wer hat dir die dreihundert Franken gegeben?«
Und Studer blickte den Burschen fest an. Schlumpf drehte den Kopf zur Seite, plötzlich warf er sich herum, drückte die Augen in die Ellbogenbeuge. Sein Körper zitterte.
Studer wartete. Er war nicht unzufrieden. Mit kleinen Buchstaben schrieb er in sein Notizbuch: ›Sonja Witschi‹ und malte hinter die Worte ein großes Fragezeichen. Dann wurde seine Stimme weich, als er sagte:
»Schlumpfli, wir werden die Sache schon einrenken. Ich hab' dich extra nicht gefragt, was du am Dienstagabend, also am Abend vor dem Mord, getan hast. Da hättest du mich doch nur angelogen. Und dann steht es sicher in den Akten, und ich kann auch deine Wirtin fragen… Aber sag mir noch: Was ist die Sonja für ein Meitschi? Ist sie das einzige Kind?«
Schlumpfs Kopf fuhr in die Höhe.
»Ein Bruder ist noch da. Der Armin!«
»Und den Armin magst du nicht?«
Dem habe er einmal zünftig auf den Gring gegeben, sagte Schlumpf und zeigte die Zähne wie ein knurrender Hund.
»Der Armin hat dir die Schwester nicht gönnen mögen?«
»Ja; und mit dem Vater hat er auch immer Krach gehabt. Der Witschi hat sich oft genug über ihn beklagt…«
»Soso… Und die Mutter?«
»Die Alte hat immer Romane gelesen…« (›die Alte‹, sagte der Bursche respektlos). »Sie ist mit dem Gemeindepräsidenten Aeschbacher verwandt und der hat ihr den Bahnhofkiosk in Gerzenstein verschafft. Dort ist sie immer gehockt und hat gelesen, während der Vater hausiert hat… Nicht gerade hausiert. Er ist mit einem Zehnderli herumgefahren, als Reisender für Bodenwichse, Kaffee… Und das Zehnderli hat man ja auch gefunden, ganz in der Nähe, es stand an der Straße…«
»Und wo ist der alte Witschi gelegen?«
»Hundert Meter davon, im Wald, hat der Cottereau erzählt…«
Studer zeichnete Männlein in sein Notizbuch. Er war plötzlich weit weg. Er war in dem Krachen im Oberaargau, wo er den Burschen verhaftet hatte. Die Mutter hatte ihm aufgemacht. Eine merkwürdige Frau, diese Mutter des Schlumpf! Sie war gar nicht erstaunt gewesen. Sie hatte nur gefragt: »Aber er darf noch z'Morgen essen?«.
Ein kleines Mädchen in Gerzenstein, eine alte Mutter im Oberaargau… und zwischen beiden der Bursche Schlumpf, angeklagt des Mordes…
Es kam ganz darauf an, was für ein Untersuchungsrichter den Fall übernehmen würde… Man müßte mit dem Mann reden können. Vielleicht…
Schritte kamen näher. Der Wärter Liechti erschien in der Tür und sein rotes Gesicht glänzte boshaft.
»Wachtmeister, der Herr Untersuchungsrichter will Euch sprechen.«
Und Liechti grinste unverschämt. Es war nicht schwer zu erraten, was das Grinsen zu bedeuten hatte. Ein Fahnder hatte seine Kompetenzen überschritten und wurde eingeladen, den fälligen Rüffel in Empfang zu nehmen…
»Leb wohl, Schlumpfli!« sagte Studer. »Mach keine Dummheiten mehr. Soll ich die Sonja grüßen, wenn ich sie seh'? Ja? Also; ich komm dich dann vielleicht einmal besuchen. Leb wohl!«
Und während Studer durch die langen Gänge des Schlosses schritt, konnte er den Blick nicht los werden und den Blick nicht deuten, mit dem ihm Schlumpf nachgeblickt hatte. Erstaunen lag darin, jawohl, aber hockte nicht auch eine trostlose Verzweiflung auf dem Grunde?
Der Fall Wendelin Witschi zum ersten
»Ihr seid…« (Räuspern.) »Ihr seid der Wachtmeister Studer?«
»Ja.«
»Nehmt Platz.«
Der Untersuchungsrichter war klein, mager, gelb. Sein Rock war über den Achseln gepolstert und von lilabrauner Farbe. Zu einem weißen, seidenen Hemd trug er eine kornblumenblaue Krawatte. In den dicken Siegelring war ein Wappen eingraviert – der Ring schien übrigens alt.
»Wachtmeister Studer, ich möchte Euch sehr höflich fragen, was Ihr Euch eigentlich vorstellt. Wir kommt Ihr dazu, Euch eigenmächtig – ich wiederhole: eigenmächtig! in einen Fall einzumischen, der…«
Der Untersuchungsrichter stockte und wußte selbst nicht weshalb. Da saß vor ihm ein einfacher Fahnder, ein älterer Mann, an dem nichts Auffälliges war: Hemd mit weichem Kragen, grauer Anzug, der ein wenig aus der Form geraten war, weil der Körper, der darin steckte, dick war. Der Mann hatte ein bleiches, mageres Gesicht, der Schnurrbart bedeckte den Mund, so daß man nicht recht wußte, lächelte der Mann oder war er ernst. Dieser Fahnder also hockte auf seinem Stuhl, die Schenkel gespreizt, die Unterarme auf den Schenkeln und die Hände gefaltet…
Der Untersuchungsrichter wußte selbst nicht, warum er plötzlich vom ›Ihr‹ zum ›Sie‹ überging.
»Sie müssen begreifen, Wachtmeister, es scheint mir, als hätten Sie Ihre Kompetenzen überschritten…« Studer nickte und nickte: natürlich, die Kompetenzen!… »Was hatten Sie für einen Grund, den Eingelieferten, den ordnungsmäßig eingelieferten Schlumpf Erwin noch einmal zu besuchen? Ich will ja gerne zugeben, daß Ihr Besuch höchst opportun gewesen ist – das will aber noch nicht sagen, daß er sich mit dem Kompetenzbereich der Fahndungspolizei gedeckt hat. Denn, Herr Wachtmeister, Sie sind schon lange genug im Dienste, um zu wissen, daß ein fruchtbares Zusammenarbeiten der diversen Instanzen nur dann möglich ist, wenn jede darauf sieht, daß sie sich streng in den Grenzen ihres Kompetenzbereiches hält…«
Nicht einmal, nein, dreimal das Wort Kompetenz… Studer war im Bild. Das trifft sich günstig, dachte er, das sind die Bösesten nicht, die immer mit der Kompetenz aufrücken. Man muß nur freundlich zu ihnen sein und sie recht ernst nehmen, dann fressen sie einem aus der Hand…
»Natürlich, Herr Untersuchungsrichter«, sagte Studer und seine Stimme drückte Sanftmut und Respekt aus, »ich bin mir bewußt, daß ich wahr- und wahrhaftig meine Kompetenzen überschritten habe. Sie stellten ganz richtig fest, daß ich es bei der Einlieferung des Häftlings Schlumpf Erwin hätte bewenden lassen sollen. Und dann – ja, Herr Untersuchungsrichter, der Mensch ist schwach – dann dachte ich, daß der Fall vielleicht doch nicht so klar liege, wie ich es anfangs angenommen hatte. Es könnte möglich sein, dachte ich, daß eine weitere Untersuchung des Falles sich als nötig erweisen würde und daß ich vielleicht mit deren Verfolgung betraut werden könnte, und da wollte ich im Bilde sein…«
Der Untersuchungsrichter war sichtlich schon versöhnt.
»Aber, Wachtmeister«, sagte er, »der Fall ist doch ganz klar. Und schließlich, wenn dieser Schlumpf sich auch erhängt hätte, das Malheur wäre nicht groß gewesen – ich wäre eine unangenehme Sache los geworden und der Staat hätte keine Gerichtskosten zu tragen brauchen…«
»Gewiß, Herr Untersuchungsrichter. Aber wäre mit dem Tode des Schlumpf wirklich der ganze Fall erledigt gewesen? Denn daß der Schlumpf unschuldig ist, werden auch Sie bald herausfinden.«
Eigentlich war eine derartige Behauptung eine Frechheit. Aber so ehrerbietig war Studers Stimme, so zwingend heischte sie Bejahung, daß dem Herrn mit dem wappengeschmückten Siegelring nichts anderes übrig blieb, als zustimmend zu nicken.
Mit braunem Holz waren die Wände des Raumes getäfelt, und da die Läden vor den Fenstern geschlossen waren, schimmerte die Luft wie dunkles Gold. »Die Akten des Falles«, sagte der Untersuchungsrichter ein wenig unsicher.
»Die Akten des Falles… Ich habe noch nicht recht Zeit gehabt, mich mit ihnen zu beschäftigen… Warten Sie…«
Rechts von ihm waren fünf Aktenbündel übereinander geschichtet. Das unterste, das dünnste, war das richtige. Auf dem blauen Kartondeckel stand:
SCHLUMPF ERWIN
MORD
»Leider«, sagte Studer und machte ein unschuldiges Gesicht. »Leider hat man in letzter Zeit ziemlich viel von mangelhaft geführten Untersuchungen gehört. Und da wäre es vielleicht besser, wenn man sich auch bei einem so klaren Fall mit den notwendigen Kautelen umgeben würde…«
Innerlich grinste er: Kommst du mir mit Kompetenz, komm ich dir mit Kautelen.
Der Untersuchungsrichter nickte. Er hatte eine Hornbrille aus einem Futteral gezogen, sie auf die Nase gesetzt. Jetzt sah er aus wie ein trauriger Filmkomiker.
»Gewiß, gewiß, Wachtmeister. Sie müssen nur bedenken, es ist meine erste schwere Untersuchung, und da wird mir natürlich Ihre Kompetenz in diesen Angelegenheiten…«
Weiter kam er nicht. Studer hob abwehrend die Hand.
Aber der Untersuchungsrichter beachtete die Bewegung nicht. Er hatte zwei Photographien in der Hand und reichte sie über den Tisch:
»Aufnahmen des Tatortes…«, sagte er.
Studer betrachtete die Bilder. Sie waren nicht schlecht, obwohl sie von keinem kriminologisch geschulten Fachmann aufgenommen worden waren. Auf beiden sah man das Unterholz eines Tannenwaldes und auf dem Boden, der mit dürren Nadeln übersät war – die Bilder waren sehr scharf –, lag eine dunkle Gestalt auf dem Bauch. Rechts am kahlen Hinterkopf, schätzungsweise drei Finger breit von der Ohrmuschel, gerade über einem dünnen Haarkranz, der zum Teil den Rockkragen bedeckte, war ein dunkles Loch zu sehen. Es sah ziemlich abstoßend aus. Aber Studer war an solche Bilder gewöhnt. Er fragte nur:
»Taschen leer?«
»Warten Sie, ich habe hier den Rapport vom Landjägerkorporal Murmann…«
»Ah«, unterbrach Studer, »der Murmann ist in Gerzenstein. So, so!«
»Kennen Sie ihn?«
»Doch, doch. Ein Kollege. Hab ihn aber schon viele Jahre nicht gesehen. Was schreibt der Murmann?«
Der Untersuchungsrichter drehte das Blatt um, dann murmelte er halbe Sätze vor sich hin. Studer verstand:
»… männliche Leiche auf dem Bauche liegend… Einschuß hinter dem rechten Ohr… Kugel im Kopf stecken geblieben… wahrscheinlich aus einem 6,5 Browning…«
»In Waffen kennt er sich aus, der Murmann!« bemerkte Studer.
»…Taschen leer…«, sagte der Untersuchungsrichter.
»Was?« ganz scharf die Frage. »Haben Sie zufällig eine Lupe?« Alle Höflichkeit war aus Studers Stimme verschwunden.
»Eine Lupe? Ja. Warten Sie. Hier…«
Ein paar Augenblicke war es still. Durch einen Spalt der Fensterläden fiel ein Sonnenstrahl gerade auf Studers Haar. Schweigend betrachtete der Untersuchungsrichter den Mann, der da vor ihm hockte, den breiten, runden Rücken und die grauen Haare, die glänzten, wie das Fell eines Apfelschimmels.
»Das ist lustig«, sagte Wachtmeister Studer mit leiser Stimme. (Was, zum Teufel, ist an der Photographie eines Ermordeten lustig! dachte der Untersuchungsrichter.)
»Der Rock ist ja ganz sauber auf dem Rücken…«
»Sauber auf dem Rücken? Ja, und?«
»Und die Taschen sind leer«, sagte Studer kurz, als sei damit alles erklärt.
»Ich versteh' nicht…« Der Untersuchungsrichter nahm die Brille ab und putzte die Gläser mit seinem Taschentuch.
»Wenn…«, sagte Studer und tippte mit der Lupe auf die Aufnahme. »Wenn Sie sich vorstellen, daß der Mann hier im Walde meuchlings überfallen worden ist, daß ihn einer von hinten niedergeschossen hat, so geht aus der Lage der Leiche hervor, daß der Mann vornüber aufs Gesicht gefallen ist. Nicht wahr? Er liegt also auf dem Bauch, rührt sich nicht mehr. Aber seine Taschen sind leer. Wann hat man die Taschen geleert?«
»Der Angreifer hätte den Witschi zwingen können, die Brieftasche auszuliefern …«
»Nicht sehr wahrscheinlich… Was sagt das Sektionsprotokoll, wann der Tod mutmaßlich eingetreten ist?«
Der Untersuchungsrichter blätterte in den Akten, eifrig, wie ein Schüler, der gerne vom Lehrer eine gute Note bekommen möchte. Merkwürdig, wie schnell die Rollen sich vertauscht hatten. Studer hockte immer noch auf dem unbequemen Stuhl, der sicherlich sonst für die vorgeführten Häftlinge bestimmt war, und doch sah es so aus, als ob er die ganze Angelegenheit in die Hand genommen hätte…
»Das Sektionsprotokoll«, sagte der Untersuchungsrichter jetzt, räusperte sich trocken, rückte an seiner Brille und las: »Zertrümmerung des Occipitalknochens… Mesencephalum… steckengeblieben in der Gegend des linken… Aber das wollen Sie ja alles nicht wissen… Hier… Tod approximativ zehn Stunden vor Auffindung der Leiche eingetreten… Das wollten Sie wissen, Wachtmeister? Aufgefunden ist die Leiche zwischen halb acht und viertel vor acht Uhr morgens von Jean Cottereau, Obergärtner in den Baumschulen Ellenberger… Der Mord wäre also ungefähr um zehn Uhr abends verübt worden.«
»Zehn Uhr? Gut. Wie stellen Sie sich die Szene vor? Der alte Witschi kommt von einer Tour zurück, er fährt mit seinem Zehnder ruhig nach Hause. Plötzlich wird er angehalten… Schon da ist vieles nicht klar. Warum steigt er ab? Hat er Angst?… Nehmen wir an, er sei angehalten worden. Gut, er wird gezwungen, seinen Karren an einen Baum zu lehnen, man treibt ihn in den Wald… Warum nimmt ihm der Angreifer nicht auf der Straße die Brieftasche fort und drückt sich?… Nein! Er zwingt den Witschi, mit ihm hundert Meter – es waren doch hundert Meter? – in den Wald zu gehen. Schießt ihn von hinten nieder. Der Mann fällt auf den Bauch… Wollen Sie mir sagen, Herr Untersuchungsrichter, wann ihm die Brieftasche mit den verschwundenen dreihundert Franken aus der Tasche genommen worden ist?«
»Brieftasche? Dreihundert Franken? Warten Sie, Wachtmeister. Ich muß mich zuerst orientieren…«
Stille. Eine Fliege summte dröhnend. Studer hatte sich kaum bewegt, sein Kopf blieb gesenkt.
»Sie haben recht… Frau Witschi gibt an, ihr Mann habe am Morgen zu ihr gesagt, er werde wahrscheinlich am Abend hundertfünfzig Franken mitbringen. Es seien Rechnungen fällig. Hundertfünfzig Franken habe er noch besessen… Telephonische Erkundigungen haben ergeben, daß wirklich zwei Kunden des Witschi ihre Rechnungen bezahlt haben. Die eine Rechnung betrug hundert Franken, die andere fünfzig…«
»Die eine hundert und die andere fünfzig? Merkwürdig…«
»Warum merkwürdig?«
»Weil der Schlumpf drei Hunderternoten in seinem Besitz gehabt hat. Eine, die er im ›Bären‹ gewechselt hat, und zwei, die ich ihm abgenommen habe. Wo ist die Brieftasche hingekommen?«
»Sie haben recht, Wachtmeister. Der Fall hat einige dunkle Punkte…«
»Dunkle Punkte!« Studer zuckte die Achseln. Ein ungemütlicher Mann, dachte der Untersuchungsrichter. Er war nervös wie seinerzeit beim Staatsexamen.
Vielleicht war dieser Wachtmeister für Schmeichelei empfänglich… Darum sagte er:
»Ich sehe, Wachtmeister, daß Ihre praktische kriminologische Schulung der meinigen überlegen ist…«
Studer brummte irgend etwas.
»Was wollten Sie sagen?« Der Untersuchungsrichter legte die Hand ans Ohr, als wolle er kein Wort seines Gegenübers verlieren.
Aber Studer schien auf einmal vergessen zu haben, wo er sich befand. Denn er zündete umständlich eine Brissago an.
»Rauchen Sie nicht lieber eine Zigarette?« wagte der Untersuchungsrichter schüchtern zu fragen, denn er haßte den Brissagorauch. Er reichte dem Wachtmeister ein geöffnetes Etui über den Tisch. Studer schüttelte ablehnend den Kopf. Ihm, dem Wachtmeister Studer, Zigaretten mit Goldmundstück!…
Der Untersuchungsrichter fragte in die Stille:
»Wo haben Sie sich Ihre praktischen Kenntnisse angeeignet, Herr Studer?« Aber nicht einmal der Wechsel in der Anredeform – Herr Studer statt Wachtmeister – vermochte den schweigenden Mann aus seinem Grübeln zu wecken.
»Wie kommt es, daß Sie es mit Ihren Kenntnissen nicht wenigstens zum Polizeileutnant gebracht haben?«
Studer fuhr auf:
»Was?… Wie meinen Sie?… Haben Sie einen Aschenbecher?«
Der Untersuchungsrichter lächelte und schob eine Messingschale über den Tisch.
»Ich hab seinerzeit beim Professor Groß in Graz gearbeitet. Und warum ich es nicht weiter gebracht habe? Wissen Sie, ich hab' mir einmal die Finger verbrannt an einer Bankaffäre. Damals war ich Kommissär bei der Stadtpolizei… ja, und während des Krieges… Nach der Bankaffäre bin ich in Ungnade gefallen und hab' wieder von unten anfangen müssen… Das gibt es… Aber was ich sagen wollte: wie gedenken Sie die Angelegenheit zu behandeln? Was für Schritte werden Sie unternehmen?«
Zuerst wollte der Untersuchungsrichter den Mann an seinen Platz verweisen, ihm klarmachen, hier habe er zu befehlen, ertrage schließlich die Verantwortung für die Untersuchung… Aber dann verwarf er diese Aufwallung. Der Blick Studers hatte etwas so Erwartungsvoll-Ängstliches… Darum sagte er ziemlich versöhnlich:
»Nun, wie gewohnt, denk ich. Die Familie Witschi vorladen, den Meister des… des… Angeklagten…«
»Schlumpf Erwin«, unterbrach Studer, »vorbestraft wegen Einbruch, Diebstahl und anderer kleinerer Delikte…«
»Ganz richtig. Im Grunde also eine Persönlichkeit, der man das Verbrechen gut zutrauen könnte, nicht wahr?«
»Schon… möglich…« Pause. »Aber auch ein Vorbestrafter kann nicht zaubern… Und der Schlumpf wird nicht das Maul auftun… Sie werden lange fragen können. Der läßt sich lebenslänglich nach Thorberg schicken – und wenn er einmal dort ist, hängt er sich wieder auf. Im Grund ist es schad' um den Burschen… ja, es ist schad' um ihn…«
»Ihre Menschlichkeit in Ehren, Herr Studer, aber… Wir haben eine Untersuchung zu führen, oder?«
»Ja, ja… übrigens ist die Leiche noch in Gerzenstein?«
Wieder blätterte der Untersuchungsrichter in den Akten.
»Sie ist am Mittwochabend ins Gerichtsmedizinische Institut überführt worden. Der Regierungsstatthalter von Roggwil hat das angeordnet…«
Studer zählte an den Fingern ab:
»Am Mittwoch, dem dritten Mai um halb acht Uhr morgens wird die Leiche gefunden. Gegen Mittag die erste Obduktion von Doktor… Doktor… Wie heißt er schon?«
»Dr. Neuenschwander«
»Neuenschwander. Gut. Mittwochabend wechselt Schlumpf die Hunderternote im ›Bären‹. Donnerstag Flucht. Heute, Freitag, verhafte ich ihn bei seiner Mutter. Wann ist die Leiche ins Gerichtsmedizinische Institut gebracht worden?«
»Mittwochabend…«
»Wann glauben Sie, können wir den Rapport vom Institut haben?«
»Ich habe gedacht, wir könnten den Angeklagten mit der Leiche konfrontieren. Was meinen Sie dazu?« Die Frage war höflich, aber der Untersuchungsrichter dachte dabei: Wenn der Kerl nur bald abschieben würde, die Brissago stinkt, er ist aufdringlich, ich werde mich bei der Behörde beschweren, aber was nützt mir das? Deswegen werd' ich ihn doch nicht so bald los. Also seien wir freundlich…
»Konfrontieren?« wiederholte Studer. »Damit er wieder einen Fluchtversuch macht?«
»Was? Er hat Ihnen durchbrennen wollen? Und Sie haben mir nichts davon gesagt?«
Studer sah den Untersuchungsrichter mit seinen ruhigen Augen an. Er zuckte die Achseln. Was sollte man auf solche Fragen antworten?
»Ich will ganz offen mit Ihnen sein, Herr Untersuchungsrichter«, sagte Studer plötzlich, und seine Stimme klang merkwürdig dumpf und erregt. »Wir haben lange genug herumgeredet. Sie denken bei sich: Dieser alte, abgesägte Fahnder, der knapp vor der Pensionierung steht, will sich wichtig machen. Er drängt sich auf. Ich werd ihm aber schon aufs Dach geben lassen. Heut am Abend noch, sobald er fort ist, telephoniere ich an die Polizeidirektion und beschwere mich…«
Schweigen. Der Untersuchungsrichter hatte einen Bleistift in der Hand und zeichnete Kreise aufs Löschblatt. Studer stand auf, packte die Lehne des Stuhles, schwang den Stuhl herum, bis er vor ihm stand, stützte sich auf die Lehne – und die Brissago qualmte, die zwischen zwei Fingern stak – und dann sagte er:
»Ich will Ihnen etwas sagen, Herr Untersuchungsrichter. Ich reiche gern meine Demission ein, wenn der Fall nicht so untersucht wird, wie ich es wünsche. Aber wenn ich dann demissioniert habe, dann kann ich machen, was ich will. Es wird lustig werden. Ich hab' dem Schlumpf versprochen, seine Sache in die Hand zu nehmen…«
»Sind Sie Fürsprech geworden, Wachtmeister?« warf der Untersuchungsrichter spöttisch ein.
»Nein. Aber ich kann ja einen nehmen. Einen, der die ganze Anklage über den Haufen wirft – während der Schwurgerichtsverhandlung. Wenn Sie das lieber wollen? Aber Sie müssen sich das recht lebhaft vorstellen! Sie werden als Zeuge von der Verteidigung vorgeladen werden, und dann wird man Ihnen alle Fehler der Voruntersuchung vorhalten… Wird Ihnen das gefallen?«
Der Kerl ist ja ganz verrückt! dachte der Untersuchungsrichter. Der richtige Querulant! Warum hat man gerade diesen Studer zur Verhaftung abkommandiert! Ein Gerechtigkeitsfanatiker! Daß es so etwas noch gibt! Ich habe die ganze Zeit eingelenkt… Kann der Mann denn Gedanken lesen? Dumme Geschichte! Und wenn dieser Schlumpf unschuldig ist, dann gibt es womöglich einen Skandal, Leute geraten in Verdacht. Es wird doch besser sein, ich arbeite mit dem Kerl… Laut sagte er:
»Das hat ja alles keinen Sinn, Wachtmeister. Ich weiß nur wenig von der Sache. Und drohen? Warum fahren Sie gleich so schweres Geschütz auf? Hab' ich mich geweigert, Sie anzuhören? Sie sind ungeduldig, Herr Studer. Wir können doch ganz ruhig die Sache besprechen. Sie sind sehr empfindlich, Wachtmeister, scheint mir, aber Sie müssen denken, daß andere Leute manchmal auch Nerven haben…«
Der Untersuchungsrichter wartete, und während des Wartens starrte er auf die qualmende Brissago in Studers Hand…
»Ach so!« sagte Studer plötzlich. »Das also…« Er ging zum Fenster, stieß die Läden auf und warf die Brissago hinaus. »Ich hätt' daran denken sollen. Leute wie Sie… War das der Grund? Ich hab's gespürt, daß Sie etwas gegen mich haben, und gedacht, es sei wegen dem Schlumpf… Und dann war's nur die Brissago?« Studer lachte.
Komischer Mensch! dachte der Untersuchungsrichter. Versteht doch allerhand! … Der Brissagorauch! Kann so etwas eine feindliche Stimmung auslösen?… In diese Gedanken hinein sagte Studer:
»Merkwürdig. Manchmal ist es nur eine unbedeutende Angewohnheit, die uns bei einem Menschen auf die Nerven fällt: das Rauchen einer schlechten Zigarre zum Beispiel. Bei mir sind's die teuren Zigaretten mit Goldmundstück…« Und setzte sich wieder:
»So, so«, sagte der Untersuchungsrichter nur. Aber innerlich fühlte er allerhand Hochachtung für den Gedankenleser Studer. Und dann meinte er:
»Ich möchte jetzt den Schlumpf, Ihren Schützling, vorführen lassen. Wollen Sie dabei sein?«
»Doch. Gern. Aber vielleicht sind Sie so gut…«
»Ja, ja«, der Untersuchungsrichter lächelte, »ich werd' ihn schon so behandeln, daß er sich nicht wieder aufhängt, wenigstens vorläufig… Ich kann nämlich auch anders… Und ich will mit dem Staatsanwalt reden. Wenn eine weitere Untersuchung nötig sein sollte, fordern wir Sie an…«
Billard und Alkoholismus chronicus
Studer stieß zu. Die weiße Kugel rollte über das grüne Tuch, klickte an die rote, traf die Bande und sauste haarscharf an der zweiten weißen Kugel vorbei.
Studer stellte die Queue auf den Boden, blinzelte und sagte ärgerlich:
»Bitzli z'wenig Effet.«
Und gerade in diesem Augenblicke hörte er zum ersten Male die dröhnende Stimme, die er noch oft hören sollte.
Die Stimme sagte:
»Und glaub mir, in der Affäre Witschi ist auch nicht alles Bock; glaub mir nur, da stimmt etwas nicht… und das weißt du ja auch. Daß sie den Schlumpf geschnappt haben…« Mehr konnte Studer nicht verstehen. Die Stille, die einen Augenblick über dem Raum geschwebt hatte, zersprang, der Lärm der Gespräche setzte wieder ein. Studer drehte sich um und sah sich an dem Mann mit der merkwürdig dröhnenden Stimme fest.
Der war hochgewachsen, mit einem mageren, zerfurchten Gesicht. Er saß in einer Ecke des Cafés an einem Tischchen zusammen mit einem kleinen Dicken. Der Dicke nickte, nickte ununterbrochen, während der magere Alte den Ellbogen aufgestützt hatte und mit aufgerecktem Zeigefinger weitersprach. Die Lippen waren fast unsichtbar – dem Mann mußten alle Zähne fehlen. Jetzt senkte der Alte die Hand, hob das Glas zerstreut zum Mund, merkte plötzlich, daß es leer war: da zerbrach ein sehr sanftes Lächeln den harten Mund, so, wie einer lächelt, der sich selbst nicht ganz ernst nimmt.
»Rösi«, sagte er zur Kellnerin, die gerade vorbeikam, »Rösi, noch zwei Becher.«
»Ja, Herr Ellenberger.« Die rothaarige Kellnerin ließ sich die Hand tätscheln. Sie sah aus wie eine Katze, die gerne schnurren möchte, aber auf der Suche nach einem ruhigen Platz ist, wo sie dies ungestört tun kann.
»Du kommst…«, sagte Studers Spielpartner, der Notar Münch, der einen hohen steifen Kragen um seinen dicken Hals trug. Und während Studer mit verkniffenen Augen die Stellung der Kugeln prüfte, dachte er immerfort: Ellenberger? Ellenberger? Und redet von der Affäre Witschi? Und während er weiter dachte, ob es wohl dieser Ellenberger sei, Baumschulenbesitzer in Gerzenstein, Meister des Schlumpf, verfehlte er natürlich seinen Stoß. Er hatte nicht richtig eingekreidet, die Spitze der Queue sprang mit einem unangenehm hohen Gix von der Kugel ab.
Das Billardtuch, mit der sehr hellen, nach unten abgeblendeten Lampe darüber, warf einen grünen Schein in die Luft und gab dem Rauch, der leise durch die Luft wogte, eine kuriose Farbe. Ein Lachen, das wie ein Krächzen klang, kam vom Tisch des alten Ellenberger, aber nicht der Alte hatte gelacht, sondern sein Begleiter, der kleine Dicke. Und in die Stille, die dem Lachen folgte, hörte Studer den alten Ellenberger sagen:
»Ja, der Witschi, der war nicht dumm. Aber der Aeschbacher. Ein zweitägiges Kalb ist minder…«
»Was ist los, Studer?« fragte der Notar Münch. Keine Antwort.
Die Affäre Witschi schien wirklich verhext zu sein.
Jetzt hatte Studer gemeint, sie diesen Abend wenigstens vergessen zu können.
Aber natürlich: da kam man ins Café zum Billardspielen und ausgerechnet mußte dieser Ellenberger auch hier hocken und laut über die Affäre Witschi reden. Dann war es natürlich mit der Ruhe vorbei…
Der Rücken des Ermordeten auf der Photographie… Der Rücken, auf dem keine Tannennadeln hafteten… Die Wunde im Hinterkopf… Die kuriosen Vornamen der Familienmitglieder… Wendelin hieß der Vater, die Tochter Sonja, der Sohn Armin. Vielleicht hieß die Mutter Anastasia?… Warum nicht?
Witschi… der Name klang wie Spatzengetschilp. Der Wendelin Witschi, der auf einem Zehnder den Commisvoyageur machte und in einem Wald erschossen aufgefunden wurde… Die Frau Witschi, die im Bahnhofkiosk hockte und Romane las…
Und während Studer auf seine Billardqueue gestützt, dem Spiele des Notars zusah, der heute abend in Form zu sein schien, hörte er wieder die angenehm dröhnende Stimme sagen:
»Was macht wohl unser Schlumpf? Was meinst, Cottereau? Haben sie ihn wohl geschnappt, die Tschucker?«
Das Wort »Tschucker« gab Studer einen Ruck. Er war abgebrüht gegen den Spott, dem man als Fahnder ausgesetzt war. Einzig dieses verfluchte Wort mit dem unangenehmen »U« machte ihn wild. Es klinge so vollgefressen, hatte er einmal zu seiner Frau geäußert. Und als er es jetzt aus des alten Ellenbergers Munde hörte, riß es ihn herum, und er starrte auf den Mann.
Er begegnete dem Blick eines Augenpaares, und dieser Blick war ungemütlich. Studer hielt ihn nicht lange aus. Merkwürdige Augen hatte der Ellenberger: kalt wirkten sie, die Pupillen waren fast schlitzförmig, wie bei einer Katze. Und die Iris blaugrün, sehr hell.
»Revanche?« fragte der Notar Münch. Er hatte stillschweigend eine Serie gemacht und war jetzt fertig.
Studer schüttelte den Kopf.
»Kennst du den dort drüben?« fragte er und deutete mit dem Daumen über die Schulter. Der Notar Münch schraubte seinen Kopf aus dem hohen Kragen. »Den Alten dort? Den, der mit dem Dicken zusammenhockt? Denk wohl!… Das ist der Ellenberger. Er war heut' bei mir. Wegen einem gewissen Witschi… Eh, du hast doch von den Leuten gehört. Der Witschi, der vor ein paar Tagen umgebracht worden ist. Der war dem Ellenberger Geld schuldig… Den Witschi hab' ich auch einmal gesehen…«
Der Notar Münch schwieg und machte mit seiner rechten Hand, die wie eine Flosse aussah, beschwichtigende Bewegungen. Und als Studer sich umwandte, gewahrte er den alten Ellenberger, der dem Notar winkte, näherzukommen.
Münch ging quer durch den Raum. Drüben, am runden Tischchen, schüttelte er dem alten Ellenberger die Hand und winkte dann Studer näherzukommen. Der Wachtmeister wurde vorgestellt, es erwies sich, daß Ellenberger und Studer sich vom Hörensagen kannten. Übrigens war Ellenbergers Hand mit Tupfen übersät, die in der Farbe an dürres Buchenlaub erinnerten.
»Hat es Euch beleidigt, Wachtmeister Studer, daß ich vorhin ›Tschucker‹ gesagt habe? Ich hab gesehen, wie Ihr gezuckt habt wie ein junges Roß, wenn es die Geißel klepfen hört.«
Das sei so ähnlich, meinte Studer, wie bei den Gärtnern, die hätten es auch nicht gern, wenn man sie ›Krauterer‹ nenne. Oder nicht?
Der Ellenberger lachte ein tiefes Baßlachen, zwinkerte mit den faltigen Lidern, saugte die Lippen zwischen die Bilgeren und schwieg. Sein Gesicht blieb eine lange Weile starr; es wirkte uralt und grotesk.
Sie saßen um den kleinen Tisch und hatten nicht richtig Platz. Neben ihnen stand ein Fenster offen, es war schwül, ein heißer Wind strich draußen vorbei, und der Himmel war mit einer giftiggrauen Salbe verschmiert.
Die Kellnerin hatte unaufgefordert vier hohe Gläser mit Bier auf den Tisch gestellt.
»G'sundheit«, sagte Studer, hob das Glas, kippte es in den Mund, setzte es ab. Weißer Schaum blieb an seinem Schnurrbart kleben. »Aaah…«
Mit Daumen und Zeigefinger ließ der Ellenberger sein Glas langsame Tänze auf der Kartonunterlage ausführen. Dann fragte er plötzlich:
»Wißt Ihr etwas vom Schlumpf?«
– Er habe ihn heut morgen verhaftet… sagte Studer leise. – Wo? – Bei der Mutter.
Schweigen. Der alte Ellenberger schüttelte den Kopf, so, als sei ihm irgend etwas nicht klar.
– Die Tschu… die Fahnder hätten nicht immer eine schöne Büetz, meinte er dann trocken. Den Sohn von der Mutter wegholen… Er, für sein Teil, tue lieber Rosen okulieren oder allenfalls im Winter rigolen.
Der Notar Münch trommelte verlegen auf der Marmorplatte und schraubte an seinem Hals. Der kleine Dicke, der Cottereau hieß und also jener Obergärtner war, der die Leiche gefunden hatte, schneuzte sich in ein großes rotes Taschentuch.
Studer ließ das Schweigen über dem Tisch liegen und blickte am alten Ellenberger vorbei durchs Fenster.
»Und? Wie gehts dem Schlumpf?« fragte der Alte böse.
»Oh«, sagte Studer ruhig, »er hat sich aufgehängt.« Der Notar schmatzte hörbar, er blickte seinen Freund Studer verblüfft an, aber der Ellenberger sprang vom Stuhl auf, stützte die Fäuste auf den Tisch und fragte laut:
»Was sagst du? Was sagst du?«
»Ja«, wiederholte Studer friedlich, »er hat sich aufgehängt. Ihr scheint Euch sehr für den Burschen zu interessieren?«
»Ah bah!« wehrte der Ellenberger ab. »Ich hab ihn nicht ungern gesehen. Er hat sich gut gehalten bei mir… Und jetzt ist er tot… So, so… Der Zweite, den die alte Hex' auf dem Gewissen hat, sie und ihr… und ihr…« Der Ellenberger unterbrach sich. »Also tot ist er?« fragte er noch einmal.
– Das habe er nicht gesagt, meinte Studer und betrachtete kritisch seine Brissago. Er sei noch zur rechten Zeit gekommen, um den Schlumpf – man könne ja sagen: zu retten, obwohl…
»Also ist er nicht tot? Und wo ist er jetzt, der Schlumpf?«
»In Thun«, sagte Studer gemütlich und versteckte seine Augen unter seinen Lidern. »In Thun, in der Kischte.« Er, Studer, habe auch mit dem Untersuchungsrichter geredet, ein gäbiger Mann, der Fall sei nicht hoffnungslos, aber dunkel, dunkel… Das sei das Elend.
»Und das Gericht will klare Fälle, das gibt schöne Verhandlungen… Aber der Schlumpf leugnet alles ab, der Fall kommt vor die Assisen, natürlich… Und man weiß ja, wie Geschworene sind…« Das alles unterbrochen von langen Zügen, abwechselnd am Bierglas und an der Brissago.
»Aber«, fuhr Studer fort, »Ihr habt da einen Satz nicht beendigt. Wen habt Ihr gemeint mit der Hexe? Die Frau Witschi?«
Ellenberger wich der Frage aus.
»Wenn Ihr etwas wissen wollt, Wachtmeister, müßt Ihr nach Gerzenstein kommen, Euch das Kaff anschauen. Es lohnt sich…« Dann seufzend: »Ja, der Witschi hat's nicht gut gehabt. Hat mir oft geklagt, der alte Schnapser… Aber viele saufen… Heiratet nie, Wachtmeister.«
– Er sei schon verheiratet, sagte Studer, und könne nicht klagen. – So, geschnapst habe der Witschi? – Ja, meinte der Ellenberger, so arg, daß der Aeschbacher, der Gemeindepräsident – der Mann schaue aus wie eine Sau, die den Rotlauf habe – den Witschi habe nach Hansen versenken wollen… (Hansen nennt man im Kanton Bern die Arbeitsanstalt St. Johannsen).
Nach einer Weile fragte der Ellenberger:
»Hat er von mir gesprochen, der Erwin?«
Studer bejahte. Der Schlumpf habe seinen Meister gerühmt. Seit wann denn der Ellenberger der Fürsorge für entlassene Sträflinge beigetreten sei?
»Fürsorge?« Die Fürsorge könne ihm gestohlen werden. Er brauche billige Arbeitskräfte, voilá tout. Und daß er die Burschen anständig behandle, das gehöre zum Geschäft, sonst würden sie ihm wieder drauslaufen. Er, der Ellenberger, sei zuviel in der Welt herumgekommen, die braven Leute brächten ihn zum Kotzen, aber die schwarzen Schafe, wie man so schön sage, die sorgten für Abwechslung. Von einem Tag auf den andern könne man in der schönsten Kriminalgeschichte drinnen stecken, an einem Mordfall beteiligt sein, par exemple, und dann werde es spaßig.
Der alte Ellenberger stand auf:
»Ich muß heim, Wachtmeister, komm, Cottereau… Ich denk, wir werden uns noch einmal sehen… Besuchet mich dann, wenn Ihr nach Gerzenstein kommt… Läbet wohl…«
Der alte Ellenberger winkte der Kellnerin, sagte: »Alles«, gab ein zünftiges Trinkgeld. Dann schritt er zur Tür. Das letzte, das Wachtmeister Studer an dem Alten feststellte, war sicher merkwürdig genug: Der Ellenberger trug zu einem schlechtsitzenden Anzug aus Halbleinen ein Paar braune, moderne Halbschuhe. Die schwarzen Socken, die unter den zu kurzen Hosen hervorlugten, waren aus schwarzer Seide…
Am nächsten Morgen schrieb Wachtmeister Studer seinen Rapport. Das Bureau roch nach Staub, Bodenöl und kaltem Zigarrenrauch. Die Fenster waren geschlossen. Draußen regnete es, die paar warmen Tage waren eine Täuschung gewesen, ein saurer Wind blies durch die Straßen und Studer war schlechter Laune. Wie sollte man diesen Rapport schreiben? Vielmehr, was schreiben, was auslassen?
Da rief eine Stimme von der Türe her seinen Namen.
»Wa isch los?«
»Der Untersuchungsrichter von Thun hat telephoniert. Du sollst nach Gerzenstein fahren… Du hast doch gestern den Schlumpf verhaftet! Wie ist's gegangen?«
– Der Schlumpf habe ihm durchbrennen wollen auf dem Bahnhof, sagte Studer, aber es habe nicht gelangt. Dabei blieb er sitzen und schaute von unten her auf den Polizeihauptmann.
»Eh«, sagte der Hauptmann, »dann laß den Rapport sein. Kannst ihn später schreiben. Fahr jetzt ab. Am besten wär's, du würdest noch ins Gerichtsmedizinische gehen. Vielleicht erfährst du etwas.«
Das habe er sowieso machen wollen, sagte Studer brummig, stand auf, nahm seinen Regenmantel, trat vor einen kleinen Spiegel und bürstete seinen Schnurrbart. Dann fuhr er zum Inselspital.
Der Assistent, der ihn empfing, trug eine wunderbar rot und schwarz gewürfelte Krawatte, die unter dem steifen Umlegkragen zu einem winzigen Knötchen zusammengezogen war. Wenn er sprach, legte er die Finger der einen Hand flach auf den Ballen der anderen und musterte mit kritischer, leicht angeekelter Miene seine Fingernägel.
»Witschi?« fragte der Assistent. »Wann ist er gekommen?«
»Mittwoch, Mittwochabend, Herr Doktor«, antwortete Studer und gebrauchte sein schönstes Schriftdeutsch.
»Mittwoch? Warten Sie, Mittwoch sagen Sie? Ach, ich weiß jetzt, die Alkoholleiche …
»Alkoholleiche?« fragte Studer. »Ja, denken Sie, 2,1 pro Mille Alkoholkonzentration im Blut. Der Mann muß gesoffen haben, bevor er erschossen wurde… Na, ich sage Ihnen, Herr Kommissär…«
»Wachtmeister«, stellte Studer trocken fest.
»Wir sagen bei uns Kommissär, es klingt besser. Verstehen Sie, bitte, nicht nur die Alkoholkonzentration, aber der Zustand der Organe, ich sage Ihnen, Herr Kommissär, so eine schöne Lebercirrhose habe ich noch nie gesehen. Fabelhaft, sage ich Ihnen. War der Mann nie in einer Irrenanstalt? Nicht? Nie weiße Mäuse gesehen oder Kinematograph an der Wand? Kleine Männer, die tanzen, wissen Sie? So einen schönen, richtiggehenden Delirium tremens? Nie gehabt? Ah, Sie wissen nicht. Schade. Und ist erschossen worden! Schätzungsweise eine Meter Distanz, keine Pulverspuren auf der Haut, darum ich sage eine Meter. Sie verstehen?«
Studer grübelte während des Wortschwalles über eine ganz nebensächliche Frage nach: welcher Nationalität der junge Mann mit dem kleinen Krawattenknötchen angehören könne… Endlich, auf das letzte: ›Sie verstehen?‹ war er im Bilde.
»Parla italiano?« fragte er freundlich.
»Ma sicuro!« Der Freudenausbruch des andern war nicht mehr zu bremsen und Studer ließ ihn lächelnd vorbeirauschen.
Der Assistent war so begeistert, daß er Studers Arm zärtlich unter den seinen nahm und ihn in das Innere führte. Der Professor sei noch nicht da, aber er, der Assistent, sei genau so auf dem laufenden wie der Professor. Er habe selbst die Sektion gemacht. Studer fragte, ob er Witschi noch sehen könne. Das war möglich. Witschi war konserviert worden. Und bald stand Studer vor der Leiche.
Dies also war der Witschi Wendelin, geboren 1882, somit fünfzig Jahre alt: eine riesige Glatze, gelb wie altes Elfenbein; ein armseliger Schnurrbart, hängend, spärlich; ein weiches, schwammiges Doppelkinn… Am merkwürdigsten aber wirkte der ruhige Ausdruck des Gesichtes.
Ruhig, ja. Jetzt, im Tode. Aber es waren doch viel Runzeln in dem Gesicht… Gut, daß der Mann Witschi seine Sorgen los war…
Auf alle Fälle war es aber kein Säufergesicht und darum sagte Studer auch:
»Er sieht eigentlich nicht aus wie ein Wald- und Wiesenalkoholiker…«
»Wald und Wiesenalkoholiker!« Wunderbarer Ausdruck!
Die beiden begannen zu fachsimpeln. Zwischen ihnen lag noch immer der Körper des toten Witschi. So wie er da lag, war die Wunde hinter dem Ohr nicht zu sehen. Und während Studer mit dem Italiener über einen Fall von Versicherungsbetrug diskutierte, der in der Fachliteratur Aufsehen erregt hatte (ein Mann hatte sich erschossen und den Selbstmord als Mord kamoufliert), fragte Studer plötzlich:
»So etwas wäre hier nicht möglich, nicht wahr?« und er deutete mit dem Zeigefinger auf die Leiche.
»Ausgeschlossen«, sagte der Italiener, der sich inzwischen als Dr. Malapelle aus Mailand vorgestellt hatte.
»Ganz absolut unmöglich. Um die Wunde hervorzubringen, müßte er gehalten haben seinen Arm so:…« Und er demonstrierte die Bewegung mit ganz zum Schulterblatt hin verdrehtem Ellbogen. Statt des Revolvers hielt er seinen Füllfederhalter in der Hand. Die Spitze des Füllfederhalters war nur etwa zehn Zentimeter von der Stelle hinter dem rechten Ohr entfernt, an der an der Leiche die Einschußöffnung zu sehen war.
»Ausgeschlossen«, wiederholte er. »Es hätte Pulverspuren gegeben. Und gerade weil es keine solchen hat gegeben, haben wir geschlossen, die Distanz hat sein müssen mehr als ein Meter.«
»Hm«, meinte Studer. Er war nicht ganz überzeugt. Er schlug das Tuch zurück, das über dem Toten lag. Merkwürdig lange Arme hatte der Witschi…
»Ergebenheit!« sagte Studer laut, so, als habe er endlich ein lang gesuchtes Wort gefunden. Es bezog sich auf den Gesichtsausdruck des Toten.
»Fatalismo! Ganz richtig! Er hat gewußt, es ist alles aus. Aber ich weiß nicht, ob er hat gewußt, er muß sterben…«
»Ja«, gab Studer zu, »es kann sein, daß er etwas anderes erwartet hat. Aber etwas, gegen das man nicht ankämpfen kann…«
Felicitas Rose und Parker Duofold
Das Mädchen las einen Roman von Felicitas Rose. Einmal hielt sie das Buch hoch, so daß Studer den Umschlag sehen konnte: ein Herr in Reithosen und blanken Stiefeln lehnte an einer Balustrade, im Hintergrunde schwammen Schwäne auf einem Schloßteich und ein Fräulein in Weiß spielte verschämt mit ihrem Sonnenschirm.
»Warum lesen Sie eigentlich solchen Mist?« fragte Studer. – Es gibt gewisse Leute, die überempfindlich auf Jod und Brom sind, Idiosynkrasie nennt man dies… Studers Idiosynkrasie bezog sich auf Felicitas Rose und Courths- Mahler. Vielleicht, weil seine Frau früher solche Geschichten gerne gelesen hatte – nächtelang – dann war am Morgen der Kaffee dünn und lau gewesen und die Frau schmachtend. Und schmachtende Frauen am Morgen…
Das Mädchen sah bei der Frage auf, wurde rot und sagte böse: »Das geht Euch nichts an!« versuchte weiter zu lesen, aber dann schien es ihr doch zu verleiden, sie klappte das Buch zu und steckte es in eine Aktenmappe, in der, wie Studer feststellte, noch zwei schmutzige Taschentücher, ein Füllfederhalter von imposanter Dicke und eine Handtasche verstaut waren. Dann blickte das Mädchen zum Fenster hinaus.
Studer lächelte freundlich und betrachtete es aufmerksam. Er hatte Zeit…
Der Zug kroch durch eine graue Landschaft. Regentropfen zogen punktierte Linien aufs Glas, dann flossen sie, unten am Fenster, zu kleinen trüben Seelein zusammen. Und andere Regentropfen punktierten aufs neue die Scheibe… Hügel stiegen auf, ein Wald verbarg sich im Nebel…
Das Kinn des Mädchens war spitz. Laubflecken auf dem Nasensattel und an den sehr weißen Schläfen… Die hohen Absätze an den Schuhen waren an der Innenseite schief getreten. Sobald sich der Schuh verschob, ließ er ein Loch im dunklen Strumpf sehen, hinten, über der Ferse.
Das Mädchen hatte ein Abonnement gezeigt. Es mußte die Strecke oft fahren. Wohin fuhr sie? Etwa auch nach Gerzenstein? Sie trug ein kleines Knötchen im Nacken, eine Baskenmütze über das rechte Ohr gezogen. Das blaue Béret war staubig.
Studer lächelte väterlich milde, als ihn ein Blick des Mädchens streifte. Aber das Väterlich-Milde zog nicht. Das Mädchen starrte zum Fenster hinaus.
Unruhig zuckten die Hände. Die kurzgeschnittenen Nägel hatten einen Trauerrand. Auf der Innenseite des rechten Zeigefingers war ein Tintenfleck.
Noch einmal öffnete das Mädchen die Mappe, kramte darin, fand schließlich das Gesuchte.
Es war ein dicker, echter Parker Duofold, ein ausgesprochen männlicher Füllfederhalter von brauner Farbe.
Das Mädchen schraubte die Hülse ab, probierte die Feder auf dem Daumennagel, holte sich noch einmal Felicitas Rose aus der Mappe, aber nicht, um darin zu lesen: die letzte Seite sollte als Übungsfeld dienen. Sie kritzelte. Studer starrte auf die Buchstaben, die entstanden:
»Sonja…« stand da. Und dann formte die Feder andere Buchstaben:
»Deine Dich ewig liebende Sonja…«
Studer wandte den Blick ab. Wenn das Mädchen jetzt aufsah, dann wurde es sicher verlegen oder böse. Man soll Leute nicht nutzlos böse oder verlegen machen. Man muß es ohnehin nur allzu oft tun, wenn man den Beruf eines Fahnders ausübt…
Der Zugführer ging durch den Wagen. An der Tür, die zum nächsten Abteil führte, wandte sich der Mann um:
»Gerzenstein«, sagte er laut.
Das Mädchen behielt den Füllfederhalter in der Hand, ließ Felicitas Rose mit dem schönen Grafen in gewichsten Reitstiefeln in der Mappe verschwinden und stand auf.
Ein Transformatorenhäuschen. Viele Einfamilienhäuser. Dann ein größeres Haus. Ein Schild darauf: ›Gerzensteiner Anzeiger. Druckerei Emil Aeschbacher‹. Daneben, im Garten, ein Käfig aus Drahtgeflecht. Kleine bunte Sittiche hockten verfroren auf Stangen. Die Bremsen schrieen. Studer stand auf, packte seinen Koffer am Griff und schritt zur Tür. Seine Gestalt im blauen Regenmantel füllte den Gang aus.
Es tröpfelte noch immer. Der Stationsvorstand hatte einen dicken Mantel angezogen, seine rote Mütze war das einzig Farbige in all dem Grau. Studer trat auf ihn zu und fragte ihn, wo hier der Gasthof zum ›Bären‹ sei.
»Die Bahnhofstraße hinauf, dann links, das erste große Haus mit einem Wirtsgarten daneben…« Der Stationsvorstand ließ Studer stehen.
Wo war das Mädchen geblieben? Das Mädchen, das auf die letzte Seite eines broschierten Romans mit kleiner, etwas zittriger Schrift geschrieben hatte: »Deine Dich ewig liebende Sonja…« Sonja? Es hießen nicht viele Mädchen Sonja…
Dort stand das Mädchen, vor dem Kiosk, dessen Fenster mit farbigen Einbänden tapeziert war. Es beugte sich zum kleinen Schiebfenster und Studer hörte es sagen:
»Ich geh jetzt heim, Mutter. Wann kommst du?«
Ein Gemurmel war die Antwort.
Also doch die Sonja Witschi… Und die Mutter mußte man sich auch gleich ansehen. Die Mutter, die durch die Vermittlung des Herrn Gemeindepräsidenten Aeschbacher den Bahnhofkiosk erhalten hatte.
Frau Witschi hatte die gleiche spitze Nase, das gleiche spitze Kinn wie ihre Tochter.
Studer kaufte zwei Brissagos, dann schlenderte er über den Bahnhofplatz. Eine Bogenlampe. Um ihren Sockel ein Beet mit roten, steifen Tulpen. Aus einem der oberen Fenster des Bahnhofes schmetterte ein Lautsprecher den Deutschmeistermarsch. Etwa fünfzig Schritte vor dem Wachtmeister ging das Mädchen Sonja.
Vor einem Coiffeurladen stand ein bleicher Jüngling, der einen weißen Mantel mit blauen Aufschlägen trug. Sonja trat auf den Jüngling zu, Studer blieb vor einem Laden stehen. Er schielte zu dem Paar hinüber, das sich flüsternd unterhielt, dann reichte das Mädchen dem Jüngling einen Gegenstand und trippelte davon. Aus der Tür des Coiffeurladens quoll eine knödlige Stimme: »Sie hören jetzt das Zeitzeichen des chronometrischen Observatoriums in Neuchâtel…« Und gedämpft, durch die geschlossene Türe drang aus dem Laden, vor dem Studer stand, der ›Sambre et Meuse‹-Marsch…
»Das Dorf Gerzenstein liebt Musik…«, stellte der Wachtmeister bei sich fest und betrat den Coiffeurladen.
Er stellte den Koffer ab, hing seinen blauen Regenmantel an den Ständer und nahm aufseufzend in einem Fauteuil Platz.
»Rasieren«, sagte er.
Als der Jüngling sich über Studer beugte, sah der Wachtmeister zwischen den blauen Aufschlägen des Friseurmantels, im oberen Westentäschchen, den dicken Füllfederhalter, den das Mädchen Sonja im Zuge aus der Mappe genommen hatte.
Studer fragte aufs Geratewohl:
»Gäbig, he? Wenn man eine Freundin hat, die einem einen teuren Füllfederhalter schenkt?«
Einen Augenblick blieb der schaumige Pinsel über seiner Wange hängen. Studer betrachtete die Hand, die den Pinsel hielt. Sie zitterte. Also stimmte etwas nicht. Aber was? Studer sah im Spiegel das Gesicht des Jünglings. Es war käsig. Die allzu roten Lippen waren geschürzt und ließen die oberen Zähne sehen, die bräunlich und schadhaft waren. Hatte sich Sonja in diesen Ladenschwengel verliebt? Da war doch der Schlumpf ein anderer Bursch, trotz seiner Vergangenheit, trotz seiner Verzweiflung gestern… Gestern? War das erst gestern gewesen? – Da hing einer am Fensterkreuz, da schrie einer in der Zelle, in der noch die Kälte des Winters hockte – und draußen vor den Fenstern sang eine Kleinmädchenstimme:
»Allewil, allewil blib i dir treu…«
Sanft strich der Pinsel wieder über Studers Wangen.
– Ob er ihn denn so erschreckt habe, fragte Studer den käsigen Jüngling. Der schüttelte den Kopf. Studer beruhigte ihn weiter. Da sei doch weiter nichts dabei, wenn man von einer Freundin ein Geschenk erhalte. Obwohl es ihn immerhin merkwürdig dünke, daß ein Mädchen, das Löcher in den Strümpfen habe, so teure Füllfederhalter verschenken könne…
– Der Füllfederhalter sei eine Erbschaft vom Vater… ja eine Erbschaft.
Die Stimme des Jünglings war heiser, so, als ob Mund, Zunge, Rachen ausgedörrt seien.
In der Ecke schnatterte der Lautsprecher – und plötzlich gab es Studer einen Ruck. Was der Mann irgendwo, ganz fern, am Mikrophon erzählte, ging auch ihn an. Der Jüngling, der abwesend mit dem Pinsel in dem Becken gerührt hatte, stellte seine Tätigkeit ein und verharrte reglos.
Besonders eindringlich sagte die ferne Stimme:
»Bevor wir unser Mittagskonzert fortsetzen, habe ich Ihnen noch eine kurze Mitteilung der kantonalen Polizeidirektion Bern zu machen: Seit gestern abend wird Herr Jean Cottereau, Obergärtner in den Baumschulen Ellenberger, Gerzenstein, vermißt. Es scheint sich um eine brutale Entführung zu handeln, deren Hintergründe bis jetzt noch nicht aufgehellt sind. Der Vermißte kehrte gestern abend in Begleitung seines Meisters, Herrn Ellenberger, mit dem Zehn-Uhr-Zug von Bern heim. Gerade als beide in den Feldweg einbiegen wollten, der außerhalb des Dorfes Gerzenstein liegt, wurden sie von einem Auto mit gelöschten Lichtern von hinten angefahren. Herr Gottlieb Ellenberger fiel mit dem Kopfe gegen einen Randstein und erlitt eine leichte Gehirnerschütterung. Als er aus einer kurzen Ohnmacht erwachte, sah er, daß sein Begleiter, Herr Jean Cottereau, verschwunden war. Von dem Auto war keine Spur zu entdecken. Trotz heftiger Kopfschmerzen begab sich Herr Ellenberger auf den Posten der Kantonspolizei. Die mit Hilfe des Landjägerkorporals Murmann und einiger Einwohner durchgeführte Streife in die Umgebung des Dorfes verlief resultatlos. Bis jetzt ist von dem Vermißten keine Spur zu entdecken gewesen. Das Signalement des Vermißten gibt die Kantonspolizei wie folgt an:
Größe 1 Meter 60, korpulent, rotes Gesicht, spärliche Haare, schwarzer Anzug… Sachdienliche Mitteilungen sind zu richten…«
Der Jüngling machte einige schleichende Schritte. Ein Knax. Die Stimme verstummte. Dann kam der Jüngling zurück. Das Klappen des Messers auf dem Abziehholz war deutlich zu hören.
»Geht's Messer?« fragte er, als er eine Wange rasiert hatte.
Studer brummte.
Dann wieder Schweigen.
Der Jüngling war fertig, Studer wusch sich über dem Becken.
»Stein?« fragte der Jüngling und drückte rhythmisch auf die Gummiblase eines Zerstäubers.
»Nein«, sagte Studer. »Puder.«
Sonst wurde nichts gesprochen.
Beim Fortgehen bemerkte Studer auf einem Tischchen im Hintergrunde einen Stapel broschierter Bändchen. Er sah sich den Titel des obersten an.
›John Klings Erinnerungen‹, stand darauf. Darunter:
›Das Geheimnis der roten Fledermaus.‹
Studer grinste unter seinem Schnurrbart, als er den Laden verließ.
Läden, Lautsprecher, Landjäger
»Dieses Gerzenstein!« murmelte Studer. An jedem Haus war ein Schild angebracht, rechts und links der Straße: Metzgerei, Bäckerei, Lebensmittelgeschäft, Ablage des Konsumvereins; Migros; dazwischen eine Wirtschaft, dann noch eine: Zum Klösterli, Zur Traube. Dann weiter: Metzgerei, Drogerie, Tabak und Zigarren; ein großes Schild: Kapelle der apostolischen Gemeinschaft. Dahinter, in einem Garten: Heilsarmee. Eine schmale Wiese unterbrach die Reihe. Aber gleich darauf begann es wieder: Apotheke, Drogerie, Bäckerei. Ein Arztschild: Dr. med. Eduard Neuenschwander. – So, so, der Mann, der die erste oberflächliche Untersuchung der Leiche gemacht hatte… Dann endlich, Studer dachte schon, er habe den Weg verfehlt, sah er ein breites, behäbiges Haus, aus grauem Stein erbaut, mit einem ausladenden Dach: den Gasthof zum ›Bären‹.
Der Wachtmeister verlangte ein Zimmer und bekam eine Mansarde unterm Dach. Sie war sauber, roch nach Holz, das Fenster ging nach hinten auf eine Wiese, die überzogen war von weißem, blühendem Schaum. Nach der Wiese kam ein Roggenfeld von zart violetter Farbe. Und der Wald als Abschluß zeigte auf einem schwarzen Tannengrund die hellen grünen Flecke einiger Laubbäume. Diese Farben gefielen Studer ausnehmend. Er blieb ein paar Minuten am Fenster stehen, packte seinen Koffer aus, wusch sich die Hände und stieg wieder die Treppen hinunter. Er sagte der Kellnerin, er werde etwa in einer halben Stunde zum Essen kommen. Dann machte er sich auf die Suche nach dem Landjägerposten.
Und als er die Dorfstraße entlangging, vorbei an den vielen Schildern, die sich folgten, fiel ihm eine zweite Eigentümlichkeit dieses Gerzensteins auf. Aus jedem Hause drang Musik: manchmal unangenehm laut aus einem geöffneten Fenster, manchmal dumpfer, wenn die Fenster geschlossen waren.
»Gerzenstein, das Dorf der Läden und Lautsprecher«, murmelte Studer, und es war ihm, als sei mit diesen Worten ein Teil der Atmosphäre des Dorfes charakterisiert…
Landjägerkorporal Murmann sah aus wie ein pensionierter Schwingerkönig. Sein Uniformrock stand offen, auch das Hemd klaffte und ließ eine Brust sehen, auf der die Haare dichter wucherten als auf dem Kopf.
»Salü«, sagte Studer.
»Eh, der Studer!« Und ob er noch immer Billard spiele? Er solle abhocken. Dann erhob Murmann die Stimme zu einem tosenden Ruf, mit langgezogenem I-Laut, und der Ruf galt Frau Murmann – aber es war nicht deutlich, ob die Frau Emmy oder Anny hieß. Das blieb sich ja auch im Grunde gleich.
»Wyße oder Rote?« fragte Murmann.
»Bier«, sagte Studer kurz.
Der tosende Ruf erhob sich zum zweiten Male, und zwei I-Laute hallten durchs Haus. Es kam auch Antwort, und der Ruf der Antwort war genau so tosend. Nur eine Tonlage höher. Dann erschien Frau Murmann in der Tür, und sie sah aus wie eine Statue der Helvetia aus den achtziger Jahren. Nur das Gesicht war viel, viel intelligenter als jenes besagter Statue. Von patriotischen Bildnissen wird ja auch keine Intelligenz verlangt. Wozu auch?
Ob sie den Studer noch kenne, wollte der Schwingerkönig wissen, und die intelligente Helvetia nickte. Dann erkundigte sie sich, ob Studer schon gegessen habe. Er habe im ›Bären‹ zu Mittag bestellt, erwiderte der Wachtmeister, worauf die beiden großen Menschen zusammen böse wurden. Das sei nicht recht, es sei doch selbstverständlich, daß Studer hier esse – gegen das dröhnende Duett war nicht aufzukommen. Glücklicherweise begann im oberen Stockwerk eine dritte Stimme zu kreischen, worauf sich Frau Murmann – hieß sie Emmy oder Anny? – empfahl. Studer mußte versprechen, zum Nachtessen ganz bestimmt zu kommen.
»Ja hmm«, sagte Studer, trank sein Glas aus, seufzte: »Ahh« und schwieg.
»Ja«, sagte Murmann, trank sein Glas aus, gluckste, bekam Tränen in die Augen von der Kohlensäure, und dann schwieg auch er…
Es war friedlich in dem kleinen Bureau. In einer Ecke stand eine alte Schreibmaschine, deren Tasten gelb schimmerten: aber sie war groß und solid und paßte zu dem Korporal Murmann. Durchs Fenster, das offen stand, sah Studer in einen Garten: kleine Buchshecken säumten die Beete ein, auf denen der Spinat schon aufgeschossen war. Aber in der Mitte des Gartens, dort, wo die Buchshecken verdrehte Arabesken bildeten, standen durchscheinend rote Tulpen. Die gelben Pensèes, die sie bescheiden umgaben, waren schon am Verblühen. Sie erinnerten an Leute, die keiner Partei angehören, und es deswegen zu nichts gebracht haben…
»Du kommst wegen dem Witschi…«, sagte Murmann und dämpfte seine tosende Stimme. Das Gekreisch im oberen Stockwerk war verstummt, und Murmann wollte es wohl nicht wieder zum Erschallen bringen.
»Ja«, sagte Studer und streckte die Beine. Der Stuhl war bequem, er hatte Armstützen. Studer ließ sich gehen und blinzelte in den Garten, auf den jetzt die Sonne schien. Aber der Schein blieb nicht lange, das Grau kam wieder – nur die Tulpen leuchteten unentwegt…
Studer dachte an seine Unterredung mit dem Untersuchungsrichter. Wieviel Speuz hatte er dort verschwenden müssen! Der Murmann war entschieden vorzuziehen, obwohl er kein rohseidenes Hemd trug…
– Es sei so still hier, sagte Studer nach einer Weile, worauf Murmann lachte. Er habe eben keinen Lautsprecher wie die andern Gerzensteiner, sagte er. Da lachte auch Studer.
Und dann schwiegen beide wieder.
Bis Studer fragte, ob Murmann den Schlumpf für schuldig halte.
»Chabis!« sagte Murmann nur.
Und dieses einzige Wort gab dem Fahnderwachtmeister Studer mehr Sicherheit als alle kriminologischen und psychologischen Spitzfindigkeiten, die er bis jetzt gesammelt hatte, um in sich die immerhin mehr gefühlsmäßige Überzeugung der Unschuld des Burschen Schlumpf zu festigen.
Studer wußte, Murmann war ein schweigsamer Mensch. Es war nicht leicht, ihn zum Reden zu bringen. Ja, die Worte, die man in den alltäglichen, belanglosen Gesprächen tauscht, die saßen bei ihm locker. Aber sobald es sich um wichtigere Dinge handelte, war ein Wort wie beispielsweise: ›Chabis‹ fast ebensoviel wert wie die kräftigen Ausführungen eines Experten.
– Studer kenne eben noch nicht das Kaff Gerzenstein, sagte Murmann nach einer Weile. Er hatte sich eine Pfeife gestopft und rauchte langsam.
»Ich bin jetzt bald sechs Jahre hier«, sagte Murmann. »Und ich kenne den Betrieb. Ich kann nichts machen. Ich muß aufpassen. Weischt, Diplomatie!« (Er sagte ›Diplomaziiie‹ und drückte das eine Auge zu.) »Gut, daß du gekommen bist. Ich bin nämlich so…« Er steckte die Arme waagrecht aus, die mächtigen Handgelenke eng aneinandergepreßt, um recht deutlich zu demonstrieren, wie machtlos er sei…
Dann schwieg er wieder.
»Weischt«, sagte er nach einer Weile, »der Aeschbacher, der Gemeindepräsident…« und schwieg wieder lange.
»Aber der alte Ellenberger! …« Und zwinkerte mit dem rechten Auge. »Aber der Cottereau ist verschwunden…« warf Studer ein und nahm einen Schluck aus seinem Glas.
»Hab keinen Kummer«, sagte Murmann gemütlich. »Der kommt scho wieder ume…«
»Jää… aber hast du nicht die Polizeidirektion alarmiert, daß es dann im Radio gekommen ist?«
»Ich?« fragte Murmann und wies mit dem großen, behaarten Zeigefinger auf seine nackte Brust. »Ich?« Und ob Studer etwa krank sei, daß er so dumme Fragen stelle?? Das habe doch der Ellenberger gemacht, um sich einen Spaß zu leisten! Beromünster, habe der Ellenberger einmal gemeint, sei auch nicht für die Hunde gebaut worden, man müsse den Leuten etwas zu tun geben. Und die vielen Empfänger…
Studer fand bei sich, daß dieses Gerzenstein ein merkwürdiges Dorf sei, und seine Einwohner waren noch merkwürdiger. Aber er beschloß, den Korporal Murmann nicht länger zu belästigen, übrigens wartete das Essen im ›Bären‹ sicher schon auf ihn. So verabschiedete er sich und versprach, am Abend wiederzukommen. Murmann schien diese Diskretion zu schätzen; denn er meinte beim Abschied: zum Reden habe man immer noch Zeit, und so um die Mittagsstunde, da habe er immer Schlaf. Wenn man jeden Abend die Polizeistunde kontrollieren müsse in allen Beizen, dann habe man tagsüber einen dummen Kopf. Dazu gähnte er ausgiebig.
So stand Studer wieder auf der asphaltierten Straße. Rechts und links, so weit der Blick reichte: Läden, Läden, Läden.
Und die Häuser waren nicht stumm…
Es war Samstagnachmittag.
Durch die Mauern, durch die geschlossenen Fenster und durch die geöffneten jodelte das Gritli Wenger
– Es jodelte den Sonntag ein…
Noch einer, der nicht mehr mitmachen will
Der Speck war zäh und der Suurchabis schwamm in allzu viel Flüssigem. Die Gaststube war leer. Am Ausschank polierte die Kellnerin Weingläser. Es hatte endgültig aufgehört zu regnen, aber der Himmel war mit einer weißen Schicht überzogen, die blendete. Studer spürte ein unangenehmes Beißen in der Nase: es war wohl ein Schnupfen, der sich meldete. Kein Wunder, wenn der Mai so kalt war. Er kostete den Kaffee. Der war ebenso dünn und lau wie derjenige seiner Frau, wenn sie nächtelang gelesen hatte.
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