Online-Buch lesen «Der Rancher Und Die Schwester Seines Besten Freundes» Autor Shanae Johnson

Der Rancher Und Die Schwester Seines Besten Freundes
Shanae Johnson
Sich in die Schwester des besten Freundes zu verlieben, gehörte eigentlich nicht zum Plan, als der Army Ranger von ihr zu einer modernen Zweckehe verleitet wird.
Sich in die Schwester des besten Freundes zu verlieben, gehörte eigentlich nicht zum Plan, als der Army Ranger von ihr zu einer modernen Zweckehe verleitet wird.
Army Ranger Griffin ›Grizz‹ Hayes hatte mitangesehen, wie seine Mutter sich abschuftete, als sein Vater die Familie verließ. Zum festen Entschluss, den eigenen Weg zu gehen und niemals anderen zur Last zu fallen, gehört für Grizz untrennbar die Entscheidung, niemals zu heiraten. Eine einfache Sache, denn das einzige Mädchen, das je seine Aufmerksamkeit halten konnte, ist tabu für ihn.
Patricia Keaton verliebte sich bereits in Grizz, als er sie das erste Mal aus ihrer Krippe hob und das Reimspiel Patty Cakes mit ihr spielte. In den Jahren, die der beste Freund ihres Bruders mit ihr und ihrer Familie verbrachte, vertieften sich ihre Gefühle. Jetzt war sie volljährig und Grizz nicht mehr bei der US Army. Die Zeit war gekommen, sich den Mann, den sie liebte, zu angeln.
Als eine zwielichtige Figur Patty in Gefahr bringt, macht Grizz etwas, das er nie für möglich gehalten hätte. Er stimmt zu, Pattys Schild gegen diese Bedrohung zu werden und sie zu heiraten. Mit dem Ring am Finger, hat Grizz allerdings keinen Grund mehr, Abstand zu halten, und Patty hat jeden Grund, ihre Rolle als Ehefrau gemäß der Jobbeschreibung auszufüllen. Wird Grizz die ehelichen Vorteile auskosten, die ihm die Frau seiner Träume anbietet? Oder hält er die Schwester seines besten Freundes während der Laufzeit ihrer Zweckehe auf Distanz?
Finden Sie heraus, ob die Liebe tatsächlich alle Wunden heilen kann, in dieser unbeschwerten, zarten Liebesgeschichte einer zweckdienlichen Vereinbarung, die sich als tragfähige Liebe entpuppt. »Der Rancher und die Schwester seines besten Freundes« ist der zweite Band einer Reihe um Zweckehen, in denen Army Ranger von der starken, unwiderstehlichen und ein wenig übertriebenen Macht der Liebe auf den ersten Blick bezwungen werden.

Translator: Thomas Roth-Berghofer


Der Rancher und die Schwester seines besten Freundes

Inhalt
Kapitel 1 (#u7853e653-0d61-505b-9aa1-d2a3d165c000)
Kapitel 2 (#u199e5f47-5ea2-5923-91b0-a1e91fd45f83)
Kapitel 3 (#u37e1db1a-e9a7-595d-94bd-4bbdad6d6b66)
Kapitel 4 (#u2722b8d8-1d81-520a-900d-60364e2c8a98)
Kapitel 5 (#u64979133-b371-5379-ba42-5c4b249a472e)
Kapitel 6 (#u53089824-3177-513c-bea9-f64c309efc36)
Kapitel 7 (#u2d8a9c09-531e-540a-a52e-a7ebdf776046)
Kapitel 8 (#u1e547d21-e494-5af9-bd5e-a8df5bbcec3f)
Kapitel 9 (#u540a0171-aea9-5430-82f2-4782d0cd4945)
Kapitel 10 (#u1a657d5d-976a-590d-bc4c-dd63a3a11f3b)
Kapitel 11 (#uc8c54e4a-4ad8-5309-9c64-748390a7cebf)
Kapitel 12 (#uefb366d8-a154-5038-966c-7eba3aebf7f0)
Kapitel 13 (#u48699499-e017-5194-9991-ac62250fc636)
Kapitel 14 (#u901b2274-b57d-552c-b10f-9e1ce3d99555)
Kapitel 15 (#u434bce63-dc3e-5705-a29f-370867096414)
Kapitel 16 (#u69738590-18b2-5449-8a73-ebc01c298f8d)
Kapitel 17 (#uf29031c4-9782-556b-920a-4c94b560735f)
Kapitel 18 (#udc77e47d-33dd-57eb-916f-bc8181ad18c1)
Kapitel 19 (#uf4c26fae-d93c-5ffe-9379-ab6645f9f119)
Kapitel 20 (#ue26e335f-d948-5add-9ed2-8c4e123851ae)
Kapitel 21 (#u7ea23cb9-c6d5-5d4e-aa31-26ddeb37d291)
Epilog (#u87626ea4-0f35-5379-b2b9-dba719723e6d)

Kapitel Eins
Vier Jahre zuvor …

»Ich sag’s euch schon die ganze Zeit, Leute. Mädchen machen nichts als Ärger.«
Grizz stimmte den Worten seines besten Freundes aus ganzem Herzen zu. Nicht etwa, weil dieser sein bester Freund war, sondern weil Grizz wusste, dass die Mädchen, die ihn auf der Party hinterm Haus der Keatons anhimmelten, praktisch alle minderjährig waren. Okay, zwei Drittel von ihnen waren siebzehn und würden in wenigen Tagen, Wochen oder Monaten volljährig sein. Das Problem war einfach, dass sich ihre Gedanken noch immer um Highschool-Trivialitäten drehten, um Dinge wie Abschlussprüfungen, wer mit wem ging, und was sie mit dem Rest ihres Lebens anfangen sollten.
Aber das passierte nun mal, wenn man mit einundzwanzig auf eine Schulabschlussparty ging. Grizz hatte alle seine Prüfungen auf der Highschool mit Bravour gemeistert. Hatte diese mit Bestnoten meistern müssen, denn gute Noten waren das Ticket für eine bessere Zukunft gewesen. Grizz hatte einen Plan. Er wusste, was er mit seinem Leben anfangen wollte. Verabredungen gehörten definitiv nicht dazu.
»Ich werde noch nicht heiraten. Frühestens fünf Jahre nach unserem Militärdienst«, sagte Keaton und fuhr mit der Hand über den Kurzhaarschnitt, den ihm die US Army verpasst hatte.
Grizz rieb sich das kurzgeschorene Haar und fuhr mit dem Finger übers Kinn, das bereits stoppelig war, obwohl er und seine Freunde erst seit ein paar Tagen auf Urlaub waren.
Er hatte nicht vor, überhaupt jemals zu heiraten. Seine Mutter sagte immer, er habe zu viel von seinem Vater in sich. Malcolm Hayes hatte es nie geschafft, mehr als ein paar Wochen an einem Ort zu bleiben.
Amanda Hayes war von Grizz’ Vater geschieden. Seitdem schuftete sie Tag und Nacht, um die Schulden abzubezahlen, die er ihnen hinterlassen hatte. Sie war zudem ein Workaholic und hatte Grizz als Kind oft sich selbst überlassen. Grizz hatte nie Ärger gesucht, doch als Kind einer alleinerziehenden Mutter war er ein einfaches Ziel gewesen, so dass ihn der Ärger ganz von selbst gefunden hatte.
»Aber sie ist die Richtige für mich«, lamentierte der Dritte im Bunde. Mac Kenzie fuhr sich durch seine blonden, aufgestellten Haare. Wenn sie länger wurden, kräuselten sie sich zu Locken. Sobald sie allerdings die Bekanntschaft mit dem Haarschneider machten, standen sie wie eine Eins. Der Mann, der genug Muskeln hatte, um einen ganzen Satz Trainingsgewichte daraus herzustellen, kreuzte die Arme über der breiten Brust – und schmollte.
Grizz war nicht der Einzige, den der Ärger gefunden hatte. Im Gegensatz zu ihm folgte Mac der Ärger allerdings nicht auf der Straße. Mac folgte seiner eigenen Foltermeisterin und bat sie immer und immer wieder aufs Neue, auf seinem Herzen herumzutrampeln.
»Es war Liebe auf den ersten Blick«, fuhr Mac fort. »Ich wusste in dem Augenblick, in dem ich sie sah, dass ich mit ihr den Rest meines Lebens verbringen möchte.«
»Wo ist sie dann heute Abend?« Keaton war nicht gemein, zumindest nicht absichtlich. Er zog es einfach vor, genau Bescheid zu wissen. Außerdem liebte er Pläne.
Mac trat nach einem Stein. »Sie musste länger arbeiten.«
»Sieht ganz so aus, als würde sie ihren Job mehr lieben als dich.«
»Vorläufig«, winkte Mac ab. Den freudigen Ausdruck in Macs Augen kannte Grizz. Er tauchte dort immer dann auf, wenn der große Kerl etwas Verrücktes im Feld plante, etwas, das in aller Regel für alle von ihnen nach hinten losging.
»Du hast sie schon wieder gefragt, ob sie dich heiratet«, stellte Grizz fest. »Nicht wahr?«
Mac antwortete nicht.
»Ich gehe dann mal davon aus, dass du dieselbe Antwort wie bei den ersten fünf Mal erhalten hast«, sagte Keaton.
»Falsch«, entgegnete Mac.
Bei dieser überraschenden Wendung hielten Keaton und Grizz inne und schenkten ihrem Freund die volle Aufmerksamkeit.
Macs Strahlen war nur von kurzer Dauer.
»Ich habe sie nur vier Mal gefragt«, gestand er.
»Nun«, meinte Grizz trocken. »Dann bin ich sicher, dass dir das fünfte Mal Glück bringen wird.«
Macs Laune hellte sich auf. »Denkst du wirklich?«
Keaton und Grizz tauschten einen weiteren Blick aus. Mac war der Spaßvogel ihrer Truppe. Außer bei diesem Thema. Er erkannte nie ihren Sarkasmus. Er begriff eigentlich gar nichts, wenn es sich um dieses eine Mädchen drehte. Doch dieses Mal schien es ihm zu dämmern.
Macs Gesichtszüge wechselten wie ein Wetterfilm im Zeitraffer, von verzückter Klarheit zu nebliger Verwirrung und schließlich zu stürmischer Empörung.
»Warte nur ab, bis dir das mal passiert. So verklemmt wie du bist, wird dir die Liebe ordentlich eins über deinen Dickschädel ziehen. Wetten, dass es nicht mal mehr fünf Jahre dauert, bis das passiert?«
Keaton schnaubte verächtlich. Er war nicht so eingefahren und verknöchert, dass er glaubte, alle seine Pläne würden perfekt gelingen, doch er plante für so viele Eventualitäten, dass die Dinge selten extrem aus dem Ruder liefen. Ein Anthony Keaton wurde selten auf dem falschen Fuß erwischt.
»Und du, Grizz«, orakelte Mac weiter. »So unzertrennlich, wie du und Keaton seid, wirst du gleich nach Keaton untergehen.«
Grizz machte sich nicht die Mühe, ihm zu antworten. Er plante zwar nicht für alle Eventualitäten, doch eine Sache hatte er gelernt. Im Gegensatz zu seinem Vater hatte er keine Schulden gemacht. Grizz schuldete niemandem etwas. Er kümmerte sich um alle seine Verpflichtungen selbst.
Er hielt es allerdings nie lange an einem Ort aus. Darin ähnelte er seinem alten Herrn. Und diese Ruhelosigkeit tat keiner potenziellen Beziehung gut. Das war auch der Grund dafür, dass er nie länger als einen Monat am Stück mit einem Mädchen zusammen gewesen war. Sie konnten seine Aufmerksamkeit einfach nicht halten.
Grizz konnte kaum stillsitzen, deshalb passte die Army so gut zu ihm. Nach dem Drill der Grundausbildung, die ihn auf Trab gehalten hatte, langweilten ihn Zwölfstundentage gefolgt von zwölf Stunden Bereitschaft kein bisschen. Oft wachte er an neuen exotischen Einsatzorten auf. Doch er sehnte sich nach mehr. Darum würden er und seine Freunde bald die Prüfung zum Army Ranger absolvieren.
Grizz wusste, dass ihn diese Ruhelosigkeit nie zu einem guten Familienmenschen machen würde. Das war okay, denn er hatte schon vor langer Zeit beschlossen, weder Ehemann noch Vater zu werden. Ohne Bindung an irgendjemanden oder irgendetwas würde er die Welt bereisen.
Sein Blick hob sich, als würde er von einer unsichtbaren Kraft dazu gedrängt. Patricia Keaton war eine Kraft, die man nicht unterschätzen durfte. Wo auch immer sie sich in einem Raum bewegte, konnte Grizz zentimetergenau ihren Standort bestimmen.
Sie trug zwar nur ein einfaches Sommerkleid und Sandalen, hätte aber genauso gut ein Model aus einem Fünfzigerjahredrama sein können, wie aus Erwachsen müsste man sein oder Mutter ist die Allerbeste, Schwarzweißepisoden, die weitaus fantastischer erschienen als die Cartoons auf dem benachbarten Fernsehkanal.
Pattys Locken saßen brav auf ihren Schultern. Das Kleid schmiegte sich sanft an ihre Sanduhr-Figur, gerade eng genug, um ihre Kurven hervorzuheben.
Ihr Lächeln war allerdings das, was jeden gefangen nahm. Es strahlte heller als die untergehende Sonne. Das war vermutlich der Grund, warum die Sonne unterging. Sie hatte nicht die Kraft, Pattys Lächeln zu überstrahlen.
Immer wenn sie in Grizz’ Nähe kam, blühte etwas in seinem Inneren auf. Ein Gefühl, das er nicht benennen und auf den Punkt bringen konnte. Wie die Nadel in einem Kompass zuverlässig den geografischen Norden fand, kehrte Grizz immer wieder zu ihr zurück.
Aus dem Mädchen mit den Zöpfen und den abgeschnittenen Jeans war sie herausgewachsen, aufgeblüht und zur Königin des Abschlussballs geworden. Sie hatte im Jahr zuvor sogar einen Schönheitswettbewerb gewonnen. Im Jahrbuch der Highschool wurde sie als beliebteste Schülerin bezeichnet.
Jeder mochte Patty Keaton. Was gab es an ihr auch nicht zu mögen? Gar nichts.
Außer, dass sie Keatons kleine Schwester war und Grizz sie kannte, seit sie in die Windeln gemacht hatte.
Okay, er war zu der Zeit im Kindergarten gewesen. Als sein neuer Freund Keaton Grizz eines Tages nach der Schule in die malerische Sackgasse mitgenommen hatte, in der er wohnte, hatte Grizz in den Laufstall geblickt und dort ein rothaariges Bündel mit rosa Bäckchen gesehen. Das kleine Ding, das seinen Finger gepackt hatte, hatte ihn fasziniert.
Grizz besuchte die Keatons ab da jeden Tag. Jedes Mal schaute er in den Laufstall. Er liebte es, der kleinen Patty Keaton beim Schlafen zuzusehen. Er liebte es, zu dem heranwachsenden Kleinkind zu sprechen, wenn es vor sich hin brabbelte, und er brachte sie gerne zum Lächeln. Während Keaton gerne Soldat gespielt hatte, hatte Grizz es vorgezogen, dem kleinen Mädchen vorzulesen, das mit gespannter Aufmerksamkeit den Geschichten von Dr. Seuss lauschte. Patty hatte dann immer gelächelt und ihn angegrinst, als wäre er ihr großer Held.
Auch jetzt gerade lächelte sie, grinste allerdings einen anderen Kerl an und ging an Grizz vorbei.
»Mac«, strahlte Patty. »Du hast es geschafft.«
»Hey Patty Cakes.« Mac zog sie in eine enge Umarmung und hob sie so an, dass ihr Kleid um ihre langen, schlanken Beine wirbelte.
Grizz wollte am liebsten protestierend knurren. Teils, weil Mac sie in den Armen hielt, aber hauptsächlich, da Mac es wagte, Patty mit dem Kosenamen anzureden, den Grizz ihr verliehen hatte und den nur er verwenden durfte. In der Vergangenheit war Grizz der Erste gewesen, zu dem sie gelaufen war. Ihm hatte sie immer ihr Lächeln geschenkt.
Mac kannte sie dagegen kaum. Er wusste nicht, dass sie für Süßigkeiten nichts übrighatte und dass sie ihren Tee mit Zimt trank. Er wusste nicht, dass sie immer noch mit einer ausgestopften Giraffe namens Jemmy anstatt mit einem Teddybären schlief. Oder dass sie ein Lächeln draufhatte, mit dem sie, nach Grizz’ Ansicht, selbst einen Bären niederstrecken konnte.
»Die Army meint es gut mit dir.« Patty befühlte Macs Bizeps. »Wie groß deine Muskeln geworden sind.«
Unter ihren bewundernden Blicken plusterte Mac sich auf und spannte die Muskeln an. Pattys Grinsen wurde breiter und brachte das Licht in ihren klaren blauen Augen zur Geltung. Dieses Licht erschien, wenn sie Unfug im Sinn hatte.
Das Wissen darum half Grizz allerdings nicht, sein Temperament zu zügeln.
»Er hat eine Freundin«, grollte Grizz.
Patty drehte den Kopf und sah über die Schulter. Ihre strahlenden Augen ruhten endlich auf Grizz’ Gesicht. Und da war auch dieses wachsende Gefühl in seinem Inneren, zog ihn zu ihr hin, als wäre sie nach einem langen Arbeitstag ein Portal nach Hause.
»Hey, Grizzlybär.«
»Patricia.«
Patty runzelte die Stirn. Den vollständigen Namen zu benutzen war, also zöge er an ihren Zöpfen. Was er seit Jahren nicht mehr getan hatte, denn sie trug schon lange keine Zöpfe mehr. Genauso wenig wie abgeschnittene Jeans und abgetragene Sneakers wie der Wildfang, der Patty einmal gewesen war.
Patricia Keaton war kein Wildfang, kein Kind mehr. Sie war achtzehn. Eine erwachsene Frau.
Ein Lächeln breitete sich langsam auf ihrem Gesicht aus. Der Babyspeck war aus den Wangen verschwunden. Die hohen Wangenknochen lieferten scharfe Kontouren, für die junge Männer vermutlich reihenweise akrobatische Kunststücke vollführten. Ihre schlanken Beine schienen nicht enden zu wollen, und ihre Riemensandalen machten stinknormale Männer zu Fußfetischisten.
»Ich wusste doch, dass du zu meiner Party kommst, Grizz. Ich kann immer auf dich zählen.«
Grizz’ Blick kehrte zu ihrem Lächeln zurück. Er hatte sie als Kind zum Kichern gebracht. Sie hatte gejauchzt, wenn er sie auf der Schaukel angestoßen hatte. Sie hatte grinsend zu ihm aufgesehen, wenn er ihr die witzigen Gedichte vorgelesen hatte, die er als Kind so liebte. Selbst als er versucht hatte, schwierigere Gedichte zu erklären, die ihm als junger Mann gefielen, hatte sie höflich gelächelt, weil sie nichts davon verstanden hatte.
Patty war das einzige Mädchen gewesen, mit dem er lange Nachmittage hatte verbringen können, ohne das Bedürfnis zu verspüren, fortlaufen zu müssen. Er hatte bei ihr nie den Druck verspürt, mehr zu sein, als er war. Vermutlich, weil sie sich schon so lange kannten.
»Was ist mit deinem großen Bruder?«, fragte Keaton. »Bin ich etwa gehackte Leber für dich?«
»Zufälligerweise mag ich gehackte Leber«, entgegnete Patty.
Keaton bohrte den Finger in ihre Schulter. »Weil du seltsam bist.«
Patty wich aus und schlug nach seiner Hand. Die beiden rangelten miteinander. Keaton in seinen soliden Armeestiefeln und Patty in ihren feinen Riemensandalen.
In einem Haus, in dem der Vater beim Militär war, der Bruder denselben Pfad einschlug, und Grizz nicht verstand, warum Mädchen nicht ebenfalls boxen können sollten, hatte Patty gelernt, sich selbst zu verteidigen. Selbst im Kleid und auf hochhackigen Schuhen behauptete sie sich.
In diesem Moment sah Grizz in ihr das Mädchen wieder, das sie einmal gewesen war. Das Mädchen, mit dem er im Hinterhof ringen konnte. Das Mädchen, mit dem er ruhige Freitagabende verbracht hatte, um einen Marathon der Andy Griffith Show oder Happy Days zu sehen. Das eine Mädchen, bei dem er sich nichts dabei denken musste, wenn es seinen Kopf auf seiner Schulter ausruhte.
Keaton täuschte rechts an. Patty hatte die Gelegenheit zum Gegenangriff, trat stattdessen jedoch einen Schritt zurück und ließ sich einfach gegen Grizz fallen. Er fing sie auf und drückte ihren üppigen Körper an sich. Mit einem Schlag verließ sie die Kampfeslust, und auch aus ihm schwand der Widerstand.
Es war lange her, dass er Patty das letzte Mal berührt hatte. Jahre, seitdem sie auf der Couch aneinander gekuschelt gesessen hatten und Patty ihren Kopf an seine Schulter gelehnt hatte.
Grizz’ Blick fiel auf Pattys Mund. Patty öffnete die Lippen. Ihre rosa Zunge schnellte hervor und befeuchtete diese Lippen. Sein Griff verstärkte sich. Alles in seinem Inneren schrie nur ein Wort.
Meins.
»Ha«, rief Keaton aus. »Erwischt. Halt sie gut fest, Grizz.«
Ja! Genau das sollte er tun. Patty festhalten und nie mehr loslassen. Ihren Kopf an die Brust drücken, damit sie hörte, wie sein Herz für sie pochte. Ihr Kinn anheben, um ihr dabei zusehen, wie sie die Lippen befeuchtete und dann ihren Mund erobern.
Grizz ließ Patty los. Seine Arme streckten sich widerwillig, als er sie von sich wegschob. Patty schwankte auf unsicheren Beinen, und Grizz musste an sich halten, nicht erneut nach ihr zu greifen.
Als sich ihre Blicke begegneten, war der Glanz in Pattys Augen erloschen. Das glitzernde Azur war einem verschmiertem Blau gewichen, das man fast grau nennen konnte. Patty machte einen Schritt zur Seite. Die Zurückweisung war ihr anzusehen. Sie nickte allen kurz angebunden zu und stakste davon.
Keaton gab Grizz einen Stoß. »Warum hast du sie gehen lassen?«
Der Stoß von seinem besten Freund war nicht besonders kräftig gewesen, doch Grizz’ schwankte, als würde er gleich umfallen. Er hatte gerade das Einzige auf dieser Welt losgelassen, das er verzweifelt haben wollte, aber nicht haben konnte. Er hatte gerade die kleine Schwester seines besten Freundes gehen lassen.
»Ich sehe, dass du verstehst, was ich mit der einen meine.« Mac klopfte Grizz auf den Rücken. »Du bist so was von erledigt.«
Grizz war in der Tat erledigt. Er war in Patricia Keaton verschossen. Mac hatte das womöglich erkannt. Grizz hoffte nur, dass er seine Gefühle gut genug verbarg, damit sein bester Freund es nicht ebenfalls herausfand.

Kapitel Zwei
Auch wenn Keaton der beste große Bruder war, den ein Mädchen sich wünschen konnte, Patty würde ihn umbringen. Er hatte sie nie verpetzt. Auch nicht, wenn sie ihr Gemüse nicht gegessen hatte. Stattdessen hatte er ihr gezeigt, wie sie das Grünzeug in den Müll schmuggeln konnte, wenn sie am Esstisch saßen und ihre Eltern gerade wegsahen.
Keaton ließ Patty mit ihm und seinen Freunden oft mitkommen, insbesondere weil niemand annahm, dass seine Clique etwas im Schilde führen würde, solange Keatons kleine Schwester dabei war. Damit lagen die Leute aber meistens falsch. Wann immer Patty etwas mit ihrer eigenen Clique ausheckte, wollte Keaton wissen, was sie geplant hatte, denn er war sich sicher, einen besseren Plan austüfteln zu können. Damit hatte er auch gewöhnlich recht.
Es gab da jedoch diesen einen Plan, von dem sie Keaton nie erzählt hatte. Es war der Plan, der ihr Leben bestimmte. Patty hatte sich vorgenommen, einmal den besten Freund ihres Bruders zu heiraten.
Patricia Keaton war es gewohnt, dass sie ihren Willen bekam. Von klein auf wusste sie, dass sie alle wichtigen Eigenschaften besaß, um zu bekommen, was sie wollte. Mit ihren kleinen Händen hatte sie als Kind ihre speckigen Wangen befühlt, die man so oft gestreichelt und in die man ebenso häufig hineingekniffen hatte. Sie hatte manchmal in den Spiegel geschaut und ihre Lippen zu einem offenen Lächeln verzogen, um zu verstehen, was andere in diesem zahnlückigen Lächeln sahen. Sie hatte in ihre blauen Augen gestarrt und versucht, das Strahlen darin zu erkennen, von dem die Freunde ihrer Mutter so felsenfest behaupteten, dass es da wäre. Sie hatte nichts dergleichen darin entdeckt, wohl aber begriffen, dass andere darauf ansprachen und es ihr einen Vorteil verschaffte.
Außer wenn es um Grizz ging.
Grizz war nicht immun gegen Pattys Charme. Er verbrachte viel Zeit damit, sie zum Lachen zu bringen. Sie wusste, dass umgekehrt ihr Kichern ihn zum Lachen brachte. Sie wusste, dass sie seine Aufmerksamkeit auf sich ziehen konnte, wenn sie in seine Augen blickte.
Patty wusste, dass Grizz sie mochte. Nur nicht auf dieselbe Weise, wie sie ihn mochte. Denn sie mochte Grizz nicht einfach nur, sie liebte ihn.
Sie wusste, dass sie ihn liebte, seit ihre Mutter ihr das Wort beigebracht hatte. Als Kind liebte Patty ihre Mutter. Sie liebte ihren Vater. Sie liebte ihren Bruder.
Die gleichen warmen und seltsamen Gefühle brachte sie auch Grizz entgegen. Aber sie waren gleichzeitig auch irgendwie anders, irgendwie mehr. Seit Patty das Wort für Liebe gelernt und Grizz’ Namen erfahren hatte, wusste sie, dass die Worte Grizz und Liebe in denselben Satz gehörten.
An diesem Tag hatte sie beschlossen, alles nur Erdenkliche über Grizz in Erfahrung zu bringen. Sie kannte seine Lieblingssendungen im Fernsehen. Er liebte Schwarzweißklassiker wie Erwachsen müsste man sein und die Andy Griffith Show, welche eine einfachere Zeit beschrieben. Grizz liebte die Poesie von einfachen Sachen wie Dr. Seuss’ Geschichten bis hin zu den komplexen, lyrischen Werken von Byron, welche Patty nicht verstand. Sie wusste, dass Grizz sein Steak liebte, wenn es nur kurz vom Feuer beleckt wurde. Im Gegensatz zu ihr mochte er allerdings die Gemüsebeilagen. Trotz dieses Makels liebte sie ihn und wusste, dass sie beide es schaffen würden.
Patty hatte gehofft, dass Grizz sie am Abend ihrer Abschlussparty endlich so sehen würde, wie sie sich das erhoffte. Sie hatte das perfekte Kleid im Stil der Fünfzigerjahre ausgewählt, ihre Haare wie Donna Reed zu einem Knoten hochgesteckt und sogar Perlen angelegt. Sie war das perfekte Abbild einer perfekten Gattin.
Dann kam ihr Bruder und ruinierte alles.
»Patty. Nun hab dich doch nicht so«, rief Keaton ihr nach, als sie von der Gruppe wegstürmte.
Keaton hatte sie immer genauso wie alle anderen behandelt, was ihn manchmal vergessen ließ, dass sie ein Mädchen war. Sie war nie hilflos oder ängstlich gewesen, wenn sie irgendwelche Käfer gesehen hatte, wie viele ihrer Freundinnen, oder hatte geheult, wenn sie einen Fleck auf ihrer Kleidung entdeckt hatte. Patty Keaton konnte sich gegen alles behaupten, egal ob Jungs, Krabbeltiere oder wilde Bestien.
Doch an diesem Abend wollte sie nicht von ihrem Bruder als gleichwertig betrachtet werden. Sie wollte als das Mädchen von Grizz gesehen werden. Aber vielleicht bestand gerade darin das Problem? Ein anständiges Mädchen hätte nicht mit ihm gekämpft. Sie hätte sich zurückgezogen.
Patty wusste, was sie tun musste, auch wenn es sie wurmte. Sie verlangsamte ihren Rückzug und ließ Keaton aufholen. In dem Moment, in dem Keaton sie einholte, verdrehte sie den Absatz ihres Schuhs und stieß einen Schmerzenslaut aus. Sie ließ ihren Körper sacken und sorgte beim Fallen dafür, dass ihre Gliedmaßen elegant arrangiert waren, als sie zu Boden ging. Die Party kam zu einem abrupten Stillstand. Alle Augen waren auf sie gerichtet, doch Patty kümmerte sich nur um die dunklen Augen, die sich ihr bedrohlich näherten.
»Keaton«, grollte Grizz. »Was hast du getan?«
»Nichts.« Keaton hob, ausnahmsweise einmal unschuldig, die Hände. »Ich habe sie ja nicht mal berührt.«
Grizz schob Keaton aus dem Weg. »Vorsicht. «
»Sie spielt uns nur etwas vor!«
Patty unterstrich ihre vorgetäuschte Verletzung mit einem lauten Schniefen. Es war eine beeindruckende Aufführung, für die sie damit belohnt wurde, dass Grizz sie in seine Arme nahm und mühelos vom Boden aufhob.
Patty schlang die Arme um Grizz' Hals, als er sich umdrehte und auf das Haus zusteuerte. Da er sich ganz auf die Hintertür konzentrierte und seinen Freunden den Rücken zuwandte, konnte Patty nicht widerstehen. Sie streckte ihrem Bruder die Zunge heraus.
Bevor Keaton sich revanchieren konnte, schlug die Hintertür zu. Das Haus war leer. Ihre Mutter war bei einer Nachbarin auf der anderen Straßenseite, im festen Glauben, dass nichts schiefgehen konnte, solange Keaton und seine Freunde auf die frischgebackenen Schulabgänger aufpassten.
Holly Keaton war nicht dumm. Sie wusste, dass ihre beiden Kinder bei jeglichem Chaos vorne mit dabei sein würden. Sie wusste aber auch, dass sie in Griffin Hayes einen Spion in deren Mitte hatte, der über ihre Kinder wachte.
Grizz respektierte Holly Keaton mehr als seine eigene Mom. Wahrscheinlich weil Amanda Hayes selten zuhause war, seit Jahren keine warme Mahlzeit auf den Tisch gebracht und Grizz, kaum dass er Schreiben konnte, beigebracht hatte, wie man ihre Unterschrift auf Schuldokumenten fälschte. Alles nur, um sich nicht mit der Post aus seinem Schulranzen herumschlagen zu müssen. Grizz war seit Jahren sein eigener Elternteil. Er konnte nur abschalten, wenn er zum Haus der Keatons kam, wo er eine warme Mahlzeit aus dem Ofen erhielt, gescholten wurde, wenn er sich nicht benahm, und eine Umarmung bekam, bevor er nach Hause zum Schlafen ging.
Grizz setzte Patty auf dem Tisch ab. Sie wollte ihre Arme nicht von seinem starken Oberkörper lösen, tat es aber, als er auf ein Knie herabsank. So stellte sie es sich vor, wenn er um ihre Hand anhielt. Doch anstatt ihre linke Hand zu ergreifen, nahm er ihren rechten Knöchel in Augenschein.
»Sieht so aus, als hättest du nicht mal einen Kratzer abbekommen.«
»Holst du mir den Eisbeutel?«
Grizz ging zum Kühlschrank. Er öffnete die Tür und studierte den Inhalt, als wäre es sein eigenes Zuhause. Er hatte praktisch seit seinem achten Lebensjahr hier gewohnt. Sie war damals fünf gewesen. Alle ihre Kindheitserinnerungen enthielten ihn.
Als Grizz den Eisbeutel auf ihren Knöchel legte, sog sie zischend den Atem ein. Sein Blick schoss zu ihr, Besorgnis zeigte sich in den haselnussbraunen Augen, die schließlich zu ihren Lippen huschten.
Und da war er, der Beweis, dass er sie wollte. Männer sahen immer auf ihre Lippen, wenn sie sprach. Je älter sie wurde, desto besser verstand sie, dass die Männer nicht am Lächeln und den Grübchen in ihren Wangen interessiert waren. Doch Patty hatte sich nie gewünscht, dass die Lippen eines Jungen ihren nahekamen. Sie war achtzehn und noch nie geküsst worden. Sie sparte sich diese Ehre für den Mann vor ihr auf.
»Halt einfach den Eisbeutel drauf.« Grizz machte Anstalten, sich zu erheben. »Ich sollte …«
Patty ergriff seine Hand, um ihn an Ort und Stelle zu halten. Er war stärker als sie, also konnte er sich ihr jederzeit entziehen, wenn er wollte. Er hielt jedoch still und wandte seinen Blick ab.
»Danke, dass du zur Party gekommen bist, Grizz.«
»Natürlich bin ich hier. Warum sollte ich das nicht sein?«
»Weil die Dinge zwischen uns derzeit seltsam laufen.«
Bevor Grizz zum Militär gegangen war, war zwischen ihnen alles okay gewesen. Es lag nun ein Jahr zurück, seit sie das letzte Mal zu zweit Zeit miteinander verbracht hatten. Sie hatten zusammengerollt auf der Couch gelegen und einen Marathon der Patty Duke Show angeschaut. Eine von Pattys Lieblingssendungen, und das nicht nur, weil die Hauptfigur ihren Namen trug. Sie liebte die Zwillingscousinen, von denen eine vornehmer und die andere abenteuerlustiger war. Sie erinnerten sie an sie selbst, insbesondere da die Hauptdarstellerin beide Cousinen spielte. Patty hatte sich wie immer, seit sie ein Kind gewesen war, an Grizz gelehnt, doch aus unerfindlichen Gründen hatte er sich an diesem Abend auf einmal versteift und war dann von ihr abgerückt. Er hatte fadenscheinige Ausreden fabriziert, dass er nach Hause müsste, um seine Mom zu sehen, und war dann aus dem Haus gestürmt.
Sie waren seitdem nie wieder zu zweit gewesen.
Eine ganze Weile antwortet Grizz nicht. »Ich würde deine Party um nichts in der Welt verpassen. Du bist praktisch meine kleine Schwester.«
Patty senkte den Kopf und drückte die Fingerkuppen in das Holz des Tisches. Sie versuchte, sich zusammenzureißen und nicht zu schmollen oder herumzuschreien, wie sie es noch wenige Jahre zuvor getan hätte, wenn sie nicht ihren Willen bekommen hatte. Sie mochte für immer Keatons kleine Schwester sein, aber sie war jetzt erwachsen und entschlossen, wie eine Erwachsene zu handeln.
Ab jetzt. Was sie draußen vorhin auf der anderen Seite der Tür angestellt hatte, um Grizz für sich allein zu haben, zählte nicht.
»Du gehst bald aufs College«, fuhr Grizz fort.
Das war ein Thema, das sie nicht ansprechen wollte. Sie hatte nicht den geringsten Wunsch, aufs College zu gehen. Den einzigen Abschluss, den sie machen wollte, war ein MRS. Sie war ihr Leben lang zur Hayes-Schule gegangen und bereit für die Abschlussprüfung. Für jene Prüfung, die ihr einen lebenslangen Job als Mrs. Griffin Hayes verschaffte.
»Du wirst viele neue Erfahrungen sammeln.« Grizz hörte einfach nicht auf. »Neue Freunde. Collegejungs.«
»Ich werde mich nicht mit Collegejungs einlassen. Es gibt nur einen Mann, den ich jemals haben wollte.«
Grizz ging auf Abstand. Patty sprang auf die Füße und gab allen Anschein, dass ihr Knöchel verletzt war, auf. Sie würde ihn nicht noch einmal davonkommen lassen. Insbesondere, weil er bald zum militärischen Training abreisen würde. Sie hatte kein Problem damit, eine Fernbeziehung mit ihm zu führen. Der Schlüssel lag darin, überhaupt erst einmal eine Beziehung mit ihm anzufangen. Sie wartete schon ihr ganzes Leben darauf, ihm zu sagen, was sie fühlte, und darauf, dass er sie ernst nahm. Der Zeitpunkt war gekommen.
»Grizz, Ich denke, du weißt, was ich für dich empfinde.«
Grizz schüttelte den Kopf. Patty hatte den Eindruck, dass er ihren Worten nicht widersprach. Sein Blick war nach innen gerichtet, als würde er mit einer Stimme in seinem Kopf diskutieren.
»Patricia, das ist nicht möglich.«
»Was stimmt denn nicht mit mir?« Patty konnte es nicht verhindern. Ihre Unterlippe zitterte.
Grizz’ gequälter Blick hob sich, gefolgt von den Händen, die ihr Gesicht umfingen. »Gar nichts. Du bist perfekt.«
»Warum dann nicht?« Patty stampfte mit dem Fuß auf, ließ damit die Erwachsenenrolle fallen. Sie hatte gelächelt, sich herausgeputzt und diese furchtbar unbequemen Schuhe angezogen. Was hätte sie sonst noch tun sollen?
Grizz hob eine Augenbraue. Dann seufzte er. »Du bist die Schwester meines besten Freundes.«
»Dann schick Keaton in die Wüste. Er hält dich nur zurück.«
Grizz biss sich auf die Lippen, allerdings ohne Erfolg. Ein Glucksen entkam seinen perfekt geformten Lippen. Obwohl er sich als Mitglied der US-amerikanischen Streitkräfte, was das Rasieren anging, ein strenges Regime auferlegte, zeigten sich erste Bartstoppeln. Er war schon immer so behaart gewesen wie ein lebensgroßer Teddybär.
»Du weißt, dass Keaton immer das Beste für mich möchte«, sagte Patty. »Scheint mir so, als wäre das sein bester Freund.«
»Das ist ganz reizend.« Grizz kniff ihr in die Wange. Bevor er ihr Gesicht freigab, umschloss sie seine Hand mit ihrer und hielt ihn nahe bei sich.
Grizz schüttelte den Kopf. Resignation verdunkelte seinen Blick. Erneut hätte er sich aus ihrem Griff befreien können. Er war stärker als sie. Aber er tat es nicht. Er fuhr stattdessen mit dem Daumen den oberen Rand ihrer Wange entlang und sagte die Worte, die ihr das Herz brechen würden.
»Das wird nicht passieren, Patty Cakes. Du gehst aufs College, machst deinen Abschluss und triffst einen netten Jungen.«
»Einen netten Jungen? Du willst, dass ich irgendeinen armen kleinen Jungen in zwei Hälften zerlege?«
Für die allzu wahren Worte schenkte Grizz ihr ein weiteres Grinsen.
»Du bist der Einzige, der weiß, wie ich behandelt werden muss. Ich bin dazu bestimmt, Mrs. Griffin Hayes zu sein. Deine Babys zu bekommen. In deinem Bett zu liegen.«
Wieder huschte sein Blick zu ihren Lippen. Patty konnten seinen Atem schmecken. Er schluckte schwer, als müsste er sein Verlangen hinunterschlucken. Der Hunger wich nicht aus seinem Blick.
Grizz’ Daumen fuhr über ihre Unterlippe, als hätte der Finger seinen eigenen Willen. Als ob der Finger testen dürfte, was dem Mund verwehrt blieb. Auf ihrem unberührten Fleisch fühlte sich seine Fingerkuppe rau an.
Patty öffnete die Lippen, bereit, darum zu betteln, sie zu erobern. Sie wusste, der Deal würde besiegelt sein, sobald er sie nur küsste.
Grizz stieß die Luft aus. Das Ausatmen schien ihn so niederzudrücken, dass sein Gesicht ihrem näherkam. Er stand ganz dich vor ihr. Sein Oberkörper strich gegen ihre Brust. Patty hörte förmlich, wie ihr eigenes Herz in einen anderen Gang schaltete und sich mit dem des Mannes synchronisierte, für den sie bestimmt war, mit dem sie den Rest ihres Lebens verbringen würde.
»Patty?«
Beim Klang von Keatons Stimme aus dem anderen Zimmer sprangen sie unwillkürlich auseinander und wandten sich um. Patty hatte keine Ahnung, warum ihr Bruder die Vordertür und nicht den Hintereingang gewählt hatte.
»Mom hat von Mrs. Jenkins aus angerufen. Sie hat gesehen, was passiert ist und sagt, ich soll mich bei dir entschuldigen. Auch wenn du selbst dran schuld bist, dass du ausgerutscht bist.«
Ihre Mutter hatte ihre Augen überall. Natürlich hatte sie mitbekommen, was zwischen ihren Kindern vorgefallen war. Die Frage war, ob sie auch sehen konnte, was mit Patty und Grizz passieren würde.
Patty sollte es jedoch nicht mehr herausfinden, denn als sie sich wieder umdrehte, war Grizz ihr bereits entkommen. Er schlüpfte durch die Hintertür nach draußen. Das Letzte was sie hörte, war, wie die Tür leise ins Schloss fiel. Dann war Grizz fort.

Kapitel Drei
Gegenwart

»Du stehst hier und erlaubst es denen, dass sie das mit jemandem von deinen Verwandten machen?«
Grizzs Lippen verzogen sich vor Abscheu über die Worte, die in der späten Nachmittagsluft erklangen. Dabei waren die Worte nicht einmal an ihn gerichtet. Doch er spürte deren Wirkung. Grizz sah zu Angel Bautista hinüber. Der junge Mann war der unglückliche Empfänger der Anschuldigung.
Angel verzog angewidert das Gesicht und drehte seinem Onkel den Rücken zu. Er ballte seine Fäuste und ein knackendes Geräusch war zu hören. Hellbraune Schalen fielen zu Boden, als Angel Erdnüsse in den Mund stopfte.
Manuel Bautista kämpfte gegen seine Handschellen an als er seinen Neffen weiter anschrie. »Du bist eine Schande für deine Familie.«
»Nein, Onkel«, rief Angel über seine Schulter, ohne sich umzudrehen, um den Blick seines Onkels zu erwidern. »Die Schande bist du.«
Kurz vor der Morgendämmerung hatte Manuel, ein ehemaliger Rancharbeiter der Vance Ranch, beschlossen, dass seine Abfindung die neuen Kälber sein sollten, die zum Brandmarken separiert worden waren. Glücklicherweise hatten Grizz und seine Army Ranger Brüder ihn aufgehalten und den Dieb gefangengenommen, bevor er die Herde in das Niemandsland jenseits der Grenzen der Purple Heart Ranch und der benachbarten Vance Ranch hatte treiben können.
Angel, der seinem Arbeitgeber treu geblieben war, hatte dabei geholfen, seinen missratenen Onkel zu fassen. Jetzt wandte der junge Mann sich von seinem früheren Mentor ab und durchtrennte die letzte Verbindung.
»Was glaubst du, wohin du jetzt gehst, Angel?«
Beim Klang der Stimme des Deputy Sheriffs drehte sich der jüngere Bautista um. Es war nicht so, dass in Deputy Newmans Stimme echte Autorität steckte. Sie strotzte vor unangebrachter Selbstherrlichkeit.
»Du wirst noch für eine Befragung in dieser Untersuchung gebraucht, Junge.« Der Deputy verfrachtete seine erste Beute in den Streifenwagen und schlug die Tür zu. Er umrundete das Fahrzeug und hielt den Blick dabei die ganze Zeit auf seine neue Beute gerichtet.
Angel wich nicht zurück, als Newman auf ihn zukam. Er behauptete sich und hielt den dunkelhaarigen Kopf hoch erhoben. Doch hinter seinem Rücken konnte Grizz erkennen, wie der junge Mann seine Faust schloss und wieder öffnete, als suche er nach Rettung. Stattdessen knackte er nur weiter Erdnüsse und wurde dafür mit einer Handvoll Kerne belohnt.
Es war der Deputy, der zurückwich. Newmans Körper bog sich förmlich von Angel weg. Seine Miene verzerrte sich vor Entsetzen. »Ich bin allergisch dagegen.« Newman deutete auf die Schalen rund um Angels Stiefel.
»Das tut mir leid. Das wusste ich nicht.« Angels Stimme klang kein bisschen aufrichtig.
Grizz konnte das Grinsen über den jungen Mann nicht verbergen. Er wusste, was es hieß, wenn die Fehler von Verwandten auf einen selbst projiziert wurden, auch wenn man im Leben nichts falsch gemacht hatte. Das Gleiche passierte nun Angel.
»Wir haben Ihnen bereits gesagt, welche Rolle Angel in dieser Angelegenheit spielte«, mischte Grizz sich ein. »Er half uns, Mister Bautista aufzuspüren und das gestohlene Eigentum zurückzugewinnen.«
»Ja, aber es sind Leute wie er, auf die wir ein Auge haben müssen.« Der Deputy beugte sich näher, als wären Grizz und er miteinander im Bunde.
Grizz lehnte sich angewidert weg.
»Wie soll ich wissen, ob die beiden nicht von Anfang an gemeinsame Sache gemacht haben?«, höhnte Newman.
»Weil wir alle für ihn gebürgt haben.« Grizz deutete mit der Hand auf die anderen Soldaten, die Brenda halfen, die müden Kälber zurück auf ihre Weide zu führen.
Newman kniff die Lippen zusammen. Er blickte von Grizz zu Angel, zu den Schalen auf der Erde und dann wieder zu Angel. »Verlass die Stadt nicht.«
Mit diesen Worten drehte sich der Deputy auf der Hacke seines Stiefels um und umrundete sein Fahrzeug auf dem Weg zur Fahrerseite. Manuel Bautista starrte aus dem Seitenfenster, bis der Motor ansprang und der Wagen wegfuhr. Grizz drehte sich um, doch Angel war gegangen.
Als Grizz beobachtet hatte, wie Bautista abtransportiert worden war, hatte er einen Hauch von Mitgefühl für den alten Mann empfunden. Er wusste, was es hieß, nach höherem gesellschaftlichen Status zu streben, nach Dingen zu verlangen, die einem nicht zustanden. Doch im Gegensatz zu diesem alten Herrn würde Grizz sich niemals etwas nehmen, was ihm nicht gehörte.
Das war so ziemlich die Geschichte seines Lebens. Selbst der Beitritt zu den Elitekräften der Army Ranger hatte den Gestank seiner niederen Herkunft nicht von ihm abwaschen können. Doch dieser Gestank war nicht das Einzige aus seiner Vergangenheit, was an ihm haftete. Die Armut war wieder zurück.
Grizz hatte fast alles, was er in der Army verdient hatte, seiner Mutter nach Hause geschickt, damit sie die Schulden seines Vaters begleichen konnte. Nach zwanzig Jahren war seine Mutter endlich schuldenfrei und raus aus dem Schlamassel, in den Malcolm Hayes seine Familie begraben hatte. Doch nun hatte Grizz deswegen nicht mehr genug Geld übrig, um seinen fairen Anteil an dem Trainings Camp für zukünftige Army Ranger zu leisten, das er mit seinen Freunden aufbauen wollte.
Grizz wusste, dass Keaton ihm das Geld jederzeit vorstrecken würde. Sein bester Freund hatte ihm seit sie Kinder gewesen waren den Rücken freigehalten, doch Grizz hasste Almosen. Er hatte immer darauf bestanden, seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Es war sein Traum, ein gleichwertiges Mitglied und ein Investor in diese Unternehmung zu sein. Aber wie viele andere Dinge, von denen er zuvor geträumt hatte, mochte auch dieser Traum außerhalb seiner Reichweite bleiben.
»Hey, Grizzlybär«, ertönte eine Frauenstimme hinter ihm, die er sofort wiedererkannte.
Grizz hatte gelernt, dem Feind nie den Rücken zuzuwenden. Doch auch wenn diese Frau kein Feind war, war sie für ihn die größte Gefahr.
Er wandte sich um. Eine junge Frau stand vor ihm, knapp fünfzig Kilo auf einen Meter sechzig verteilt. Strahlend blaue Augen voller Intelligenz und Schalk – eine tödliche Kombination. Flammend rote Haare, die einem lodernden Feuer Konkurrenz machen konnten. Eine Warnung, diese nicht anzufassen. Als ob er diese Warnung brauchte, um die Finger von der Schwester seines besten Freundes zu lassen.
»Was machst du hier, Patty Cakes?«, fragte er.
»Ich kam her, um meine neue Schwägerin und meine beiden Lieblingskerle zu besuchen.«
Er hatte sie seit drei Jahren nicht mehr gesehen. Das Haus der Keatons war nicht nur ein zweites Zuhause gewesen, es war das Zuhause seine Träume. Doch diese Tür hatte sich für ihn geschlossen, als er Patty am Abend ihres Schulabschlusses beinahe geküsst hatte.
Was für ein traumhafter Anblick sie gewesen war. Sie hatte alle seine Sehnsüchte heraufbeschworen. Hatte seine Selbstbeherrschung getestet. Er hatte beinahe nachgegeben, als er sie in der Küche in den Armen gehalten hatte. Dann war Keaton hereingekommen.
Wenn sein bester Freund ihn mit seiner kleinen Schwester im Arm gesehen hätte, bereit, das verschmitzte Lächeln, das ihn schon immer fasziniert hatte, von ihren Lippen zu küssen, hätte Keaton ihn nicht nur aus seinem Zuhause, sondern auch aus seinem Leben verbannt. Und Grizz hätte es verdient, allein schon dafür, dass er gedacht hatte, er könnte überhaupt irgendwelche Ansprüche auf Patty haben.
»Bekomme ich keine Umarmung?«
Eine Umarmung war gefährlich. Eine Umarmung bedeutete, dass er sie halten durfte. Sie war jetzt alles andere als schlaksig. Patty hatte nun noch mehr Kurven als das letzte Mal, als er sie gesehen hatte. Und diese Kurven steuerten direkt auf ihn zu.
Grizz trat einen Schritt zurück, doch es war zu spät. Sie hing an ihm. Sie schlang ihre Arme um seinen Hals, als wollte sie ihn niederringen. Er konnte nie Nein zu ihr sagen. Außer in der einen Nacht, in der sie ihn gebeten hatte, ihr ihren ersten Kuss zu schenken. Da hatte er Nein gesagt. Aber innerlich hatte Grizz gespürt, wie ein Knurren in seiner Kehle aufgestiegen war.
Meins, hatte das urtümliche Biest in ihm rufen wollen.
Sie gehört mir, wollte die Bestie heulen, jetzt, da die Frau, die perfekt zu ihm passte, in seinen Armen lag. Dort, wo sie hingehörte.
Grizz entwand sich Pattys Griff. In der Ferne sah er Keaton auf sie zusteuern. Grizz wusste, dass jemand wie er, jemand mit seiner Vergangenheit nicht der Richtige für ein Mädchen wie Patty war. Und angesichts der Ungewissheit über seine finanzielle Zukunft wusste er, dass er das nie sein würde.
»Patty Cakes? Bist du das?«
Patty wandte nur zögerlich den Blick von Grizz ab. Keaton öffnete die Arme, und sie eilte zu ihm. Er stellte ihr seine Frau Brenda vor, die er erst von ein paar Tagen geheiratet hatte. Grizz nutzte die Zeit, um Patty zu betrachten.
Er hatte mit sich selbst einen Deal abgeschlossen. Er durfte an sie denken, solange er sie nicht traf. Oh Mann, wie oft hatte er in den Jahren an sie gedacht. Daran, sie zu halten und zu küssen. Manchmal auch daran, ihr einfach nur in die Augen zu schauen. Patty hatte ihn immer wie einen Helden angesehen. Doch welcher Held stellte der kleinen Schwester des besten Freundes nach? Für Grizz war das der Gipfel des Verrats. Etwas, das Grizz’ Vater tun würde.
»Solltest du nicht in der Schule sein?«, fragte Keaton.
»Frühlingsferien«, entgegnete Patty munter.
Doch da war ein seltsamer Unterton in ihrer Stimme. Sie verschwieg etwas.
»Deine Ferien dauern eine Woche, oder?« Brenda klang aufgeregt. »Wirst du die ganze Woche bei uns verbringen?«
Grizz wollte protestieren. Eine ganze Woche Patty aus dem Weg gehen? Das würde er nicht überleben.
Pattys Blick fand seinen. Übermut strahlte ihm entgegen. »Falls es nicht zu viele Umstände macht.«
Und was für Umstände. Riesige Umstände. Eine Woche mit Patty Keaton würde mit nichts als Umständen verbunden sein.

Kapitel Vier
Patty hatte sich immer eine Schwester gewünscht. Brenda war ein wenig unerwartet. Sie fuhr einen Traktor, fing Bullen ein und ritt Pferde. Der Wildfang in Patty drängte sie, bequeme Jeans anzuziehen, aufzusatteln und die Haare hinter sich herfliegen zu lassen, wenn sie über die Weiden ritt und Hüja rief.
Patty holte tief Luft und ließ den Gedanken beim Ausatmen los. Sie war nicht länger ein Wildfang, sie war jetzt erwachsen. Eine gebildete, vornehme, erwachsenen Frau, die für einen ganz bestimmten Soldaten die perfekte Ehefrau abgäbe, wenn besagter Soldat in der Nähe bleiben und sie beachten würde.
Drei Jahre war es her, dass sie Grizz das letzte Mal gesehen hatte. Drei lange Jahre. In dieser Zeithatte sie hier und da einen Blick auf ihn erhascht, wenn sie mit Keaton Videotelefonate geführt hatte. Grizz hielt allerdings nie still vor der Kamera. Meist winkte er ihr nur kurz zu und entschuldigte sich dann gleich wieder, um nicht mehr mit ihr sprechen zu müssen.
Auch an den Feiertagen kam Grizz nicht nach Hause. Er blieb auf der Militärbasis, während Keaton nach Hause fuhr. Grizz achtete darauf, dass seine Besuche in die Zeit fielen, in der Patty bis zum Hals in Examen und Prüfungen steckte. Es schien, als würde er sie bewusst meiden.
»Das hier war mein preisgekrönter Stier«, sagte Brenda.
Pattys Aufmerksamkeit kehrte in die Gegenwart zurück. Ein großes Tier stolzierte zum Zaun, an dem sie standen. Der Stier war ein beeindruckendes Biest. Mit kräftigen Beinen und breitem Rücken. Seine Nüstern blähten sich, als er Patty musterte. Eine richtige Dame wäre bei dem Anblick des mächtigen Tieres davongelaufen.
Pattys Blick traf den des Bullen. Eine unglaubliche Sanftheit lag in den dunklen Augen. In der Weise, wie das Tier sich näherte, zeigte sich eine Art Erschöpfung, die sagte: ›Ich könnte dich verletzen, wenn ich wollte.‹ Patty wusste jedoch, dass der Stier nicht die Absicht hatte, ihr wehzutun. Sie streckte ihre Hand nach den Hörnern aus.
»Vorsicht«, mahnte Brenda.
Doch ihre neue Schwägerin kam damit zu spät. Der Stier hatte bereits den Kopf gesenkt und erlaubte Patty, ihn zu streicheln. Sein haariges Haupt war mit groben Locken bedeckt. Er stieß ein verhaltenes Schnauben aus, das in Pattys Ohren resigniert klang. Sie hatte mal gehört, dass müde Welpen dieses Geräusch machten.
»Großartig«, seufzte Brenda. »Er könnte auch gleich kastriert werden.«
»Was meinst du damit?« Patty kratzte den Kopf des Tieres.
»Dieser Bulle sollte mit den Mädels Party machen, wenn du verstehst, was ich meine«, entgegnete Brenda. »Aber er hat mit deinem Bruder gekämpft und ist nun total außer Gefecht gesetzt.«
»Für mich sieht er vollkommen in Ordnung aus.«
»Er sollte ein rasender Bulle sein, allzeit geschäftsbereit, und dir nicht erlauben, ihn zu tätscheln.«
»Nun, ich kann mit großen Biestern ganz gut umgehen.«
Pattys Blick wanderte über das Feld, wo ihr Bruder, Mac und Grizz Heuballen stapelten. Pattys Blick blieb am Spiel von Grizz’ Muskeln unter seinem feuchten T-Shirt hängen.
Brenda folgte Pattys Blick und grinste. »Das glaube ich dir sofort.«
Eigentlich stimmte es nicht.
Den Rest des Abends vermied es Grizz, mit Patty allein zu sein. Beim Abendessen setzte er sich so weit weg von ihr, wie er konnte. Er ging früh zu Bett, während alle anderen aufblieben und Brettspiele spielten. Am Morgen hatte er bereits vor Sonnenaufgang das Haus verlassen.
Grizz verbrachte den Morgen in der Scheune bei den Tieren. Um die Mittagszeit verschwand er dann mit den anderen Jungs zum Trainingscamp. Patty war zu diesem Zeitpunkt bereits vierundzwanzig Stunden auf der Ranch und hatte mit Grizz seit ihrer Ankunft kein weiteres Wort mehr gewechselt. Die Dinge liefen so gar nicht nach Plan.
Es war der alte Plan, ein einfacher Plan. Nur ein klein wenig verändert, da sie wusste, dass Grizz etwas für sie empfand. Bestätigt durch die Art und Weise, wie er sie auf Schritt und Tritt mied.
Pattys Plan bestand darin, Grizz dazu zu bringen, ihr seine Gefühle offen zu gestehen. Um das zu bewerkstelligen, musste sie ihn in eine Ecke treiben und das beenden, was sie vor drei Jahren auf der Abschlussfeier begonnen hatte. Sie wusste, dass, wenn sie Grizz dazu bringen konnte, ihr ihren ersten Kuss zu schenken, das den Deal über ihr zukünftiges Glück besiegeln würde.
Als Patty ihr Handy einschaltete, prüfte sie ihre E-Mails und sah eine Reihe an Nachrichten von Lehrern ihrer Schule. Ein Teil der E-Mails betraf fehlende Abgaben von Hausarbeiten. Andere fragten, wo sie während des Prüfungszeitraums war. Drei E-Mails stammten vom Dekan und betrafen ihre schlechter werdenden Noten.
Patty löschte alle. Sie waren nicht länger relevant. Genauso wenig wie das College. Patty hatte ihre Prioritäten bereits festgelegt. Deshalb war sie hier. Sie hatte die Jahre mit einem Abschluss vergeudet, für den sie keine Verwendung hatte. Nun war sie wieder auf dem richtigen Weg zu dem einzigen Zertifikat, das sie immer haben wollte, dem, das ihr eine MRS einbrachte.
Diese drei Buchstaben waren wieder in Reichweite. In dem Moment, in dem sie erfahren hatte, dass ihr Bruder und seine Freunde in den Ruhestand gingen, hatte sie begonnen, ihren Plan zu schmieden. Und kaum wusste sie, wo sie sich aufhielten, war sie in den Wagen gehüpft und quer durchs Land gefahren.
Jetzt war sie hier. Auf einer Ranch. In einer Küche. Und sie wusste nicht so recht, was sie als nächstes tun sollte.
»Du musst Patricia sein.«
Patty drehte sich um. Vor ihr stand ein hochgewachsener Mann auf der Türschwelle. Der Mann hatte das, was ihre Mutter ein vertrauenswürdiges Gesicht nannte. Seine Gesichtszüge waren entspannt, sein Lächeln selbstsicher. Er kannte seinen Platz im Leben. Doch da lag auch etwas Verschmitztes in der Art, wie er die grünen Augen hob.
»Und Sie sind?«, fragte Patty.
Das Grinsen wurde breiter. Er zwinkerte ihr mit einem Auge zu. »Ich bin dein neuer Schwager. Ich bin Brendas Bruder. Pastor Vance. Aber du kannst mich Walter nennen.«
Patty eigenes Grinsen fiel in sich zusammen, als sie seinen Titel hörte. »Warten Sie. Sie sind ein echter, lebendiger Priester?«
»Ich denke doch.« Walter zupfte weiterhin grinsend an seinem Kragen. »Ansonsten wäre die Hochzeit deines Bruders und meiner Schwester wohl Betrug.«
»Sie haben sie getraut?«
»Sicher hab ich das. Sie kamen ins Rathaus, mit der Heiratsurkunde in der einen und einem Ehevertrag in der anderen Hand.«
»Erstaunlicherweise klingt das sehr nach meinem Bruder.«
Ein Ehevertrag mochte sich nicht sehr romantisch anhören, doch Patty wusste, dass Keaton immer einen Plan bereithielt, der auch alle Eventualitäten für die Zukunft berücksichtigte.
»Die beiden haben geheiratet, um die Ranch zu retten und die Idee für das Trainingscamp voranzubringen«, erzählte Walter weiter.
Er war zum Kühlschrank gegangen und holte Gemüse heraus. Karotten, Broccoli und irgendwelche grüne Blätter, die Pattys Magen in Aufruhr versetzten.
»Aber ich glaube, die beiden mögen diese Geschichte nicht mehr länger und haben sie völlig umgeschrieben. Jetzt ist es Liebe auf den ersten Blick gewesen und nicht mehr, der Stier hatte Keatons Wagen auf die Hörner genommen.«
Walter lachte, als er begann, das Hasenfutter klein zu schneiden. Unglücklicherweise hatte er dazu kein Hasenfleisch als Beilage aus dem Kühlschrank genommen.
»Zu dumm für die beiden, dass ich die wahre Geschichte kenne. Andernfalls wäre es ihr Wort gegen meines, und sie könnten versuchen, das Zeugnisverweigerungsrecht für Ehegatten in Anspruch zu nehmen.«
»Zeugnisverweigerungsrecht für Ehegatten?«
»Du weißt schon, das Gesetz, das besagt, dass man Ehegatten nicht dazu zwingen kann, gegeneinander auszusagen.«
Walter warf die zerkleinerten Gartenabfälle in eine Pfanne und streute Gewürze darüber, doch nicht einmal die warmen Aromen der Kräuter konnten Patty dazu verleiten, das farbenfrohe Gericht zu essen. Als Walter beim nächsten Gang zum Kühlschrank ein Steak mitbrachte, das roter leuchtete als ihr Lippenstift, waren sie allerdings im Geschäft.
»Passiert öfter hier draußen, als du denkst«, sagte Walter.
»Was?« Pattys Augen hingen am Fleisch, das für ihren Geschmack einen Tick zu lange in der Pfanne brutzelte. »Zeugnisverweigerung?«
»Zweckehen. Paare tauchen auf, und bevor man sich versieht, sagen sie: ›Ich will.‹ Die Nachbarranch ist voll von Soldaten, die innerhalb von Monaten, einige sogar innerhalb von Tagen nach ihrer Ankunft verheiratet waren.«
»Wirklich?« entgegnete Patty und blickte aus dem Fenster auf einen Soldaten, der auf einem Pferd ritt. Grizz’ bärtiges Gesicht war haariger als das Tier, auf dem er ritt.
»Aber du musst dir keine Sorgen machen«, sagte Walter. »Dein Bruder sagte mir, dass du nur für eine Woche hier bist, bevor du zurück aufs College gehst.«
»Richtig.«
Patty konnte nicht anders, sie blickte wieder aus dem Fenster. Diesmal schaute sie allerdings in den Himmel und suchte nach Anzeichen für ein Gewitter. Hieß es nicht, dass einen der Blitz träfe, wenn man einen Priester anlog?

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