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Amy Blankenship
Blutsbundnis #4
Damon ist aus einem Grund mit seinen Brüdern zusammengezogen… die Frau, die ihn aufgespießt und halb tot liegen gelassen hatte, lebt dort unter dem Schutz der Vampire. Als sie Alicias Leben öfter retten, als er überhaupt zählen kann, entscheidet Damon, dass sie jemand kontrollieren muss, bevor die kleine Katze einen Weg findet, ihm zu entkommen, indem sie sich selbst umbringen lässt. Eifersucht wird ein gefährliches Spiel, wenn sie läufig wird und mehr als nur Monster anzieht.
Alicia Wilder hat es satt, von ihren überfürsorglichen Brüdern vor der Welt versteckt zu werden. Als sie versucht, zu beweisen, dass sie mit dem Vampirkrieg umgehen kann, wird sie verletzt, gebissen, geküsst, auf sie wird geschossen und, absurd genug, lebt sie letztendlich mit drei sehr sexy Vampiren, von denen einer derjenige ist, der den Krieg überhaupt erst begonnen hat. Als sie erkennt, dass sie als Formwandlerin läufig wird, erkennt Alicia dass ihr Sicherheitsdenken vielleicht ihr Ende bedeutet.
Damon ist aus einem Grund mit seinen Brüdern zusammengezogen… die Frau, die ihn aufgespießt und halb tot liegen gelassen hatte, lebt dort unter dem Schutz der Vampire. Als sie Alicias Leben öfter retten, als er überhaupt zählen kann, entscheidet Damon, dass sie jemand kontrollieren muss, bevor die kleine Katze einen Weg findet, ihm zu entkommen, indem sie sich selbst umbringen lässt. Eifersucht wird ein gefährliches Spiel, wenn sie läufig wird und mehr als nur Monster anzieht.


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Blutsbündnis-Serie Buch 4

Amy Blankenship, RK Melton
Translated by Martina Hillbrand (https://www.traduzionelibri.it/profilo_pubblico.asp?GUID=fed007dfaf061d98c1cfff6a25035574&caller=traduzioni)

Copyright © 2012 Amy Blankenship
Ins Deutsche übersetzt von Martina Hillbrand
Zweite Auflage herausgegeben von TekTime
Alle Recht vorbehalten.

Kapitel 1
Micah lag am Bett, eingewickelt in so viele Verbände, dass er schon beinahe wie eine Mumie aussah. Er konnte ein Lächeln nicht unterdrücken, als Frau Tully um ihn schwänzelte, wie eine Henne um ihr Küken, und ab und zu ihren Kopf schüttelte. Er beschwerte sich auch nicht über die Menge an Schmerzmittel, die sie in seinen Arm injiziert hatte. Er konnte sich im Spiegel an der anderen Wand sehen und wollte eine Augenbraue heben, aber entschied sich schnell anders, als auch das schon schmerzte.
Sie hatten ihm schon versichert, dass Anthony tot war, aber er konnte nichts dagegen tun, dass er sich wünschte, dass der Alphawerwolf noch am Leben wäre, damit er den Schweinehund ebenso foltern könnte, wie dieser es mit ihm getan hatte. Das, was sie ihm erzählt hatten, klang wie ein schneller Tod. Er hätte es nicht schnell gemacht.
„Ich glaube, ihr Formwandler werdet mich noch ins Grab bringen“, jammerte Frau Tully leise. Die Formwandler… sowohl die Jaguare, wie auch die Pumas, hatten es ihr besonders angetan. Sie hatte bei der Geburt jedes einzelnen von ihnen assistiert und war deren Müttern sehr nahegestanden. „Sieh dir nur an, in welchem Zustand du bist.“
Micah schmollte in Richtung Decke, wobei er gleich begann, sich schwindlig zu fühlen, als er dem Ventilator an der Decke zusah, wie der sich fortwährend im Kreis drehte. „Es war nicht meine Schuld, dass ich entführt und gefoltert wurde.“
Frau Tully schlug ihm vorsichtig mit ihren Fingerspitzen auf die Stirn. „Da muss ich dir leider widersprechen, junger Skywalker. Wenn die Geschichten, die ich gehört habe, stimmen, hast du diesem schrecklichen Werwolf die Stirn geboten, und darum hat er dich entführt.“
„Also sagen Sie, dass ich mir das selbst eingebrockt habe?“ fragte Micah scharf und ignorierte dabei das Grinsen der anderen Leute im Zimmer.
„Unterbrich die Weisheit des Alters nicht“, erwiderte Frau Tully mit einem strengen Gesichtsausdruck. „Ich war noch nicht fertig. Also, wie ich sagte… du hast diesem lausigen Hund die Stirn geboten, und ich muss sagen, dass das längst überfällig war.“
Micah warf Quinn einen vielsagenden Blick zu und grinste, als wollte er sagen: 'Hab ich's doch gesagt'. Er war nicht bereit, seinem Bruder zu verzeihen. Er hatte Quinn vor Anthony gewarnt, und dieser hatte ihm gesagt, dass er sich heraushalten sollte. Er hoffte, dass sein großer Bruder jetzt glücklich war, weil er nicht aufstehen konnte, um sich einzumischen.
„Hört auf!“, knurrte Frau Tully und verpasste ihm einen Klaps auf die Schädeldecke.
Dadurch wurden die Kopfschmerzen plötzlich wieder unerträglich und er presste seine Augenlider aufeinander. „He, ich bin verletzt“, beschwerte sich Micah.
„Du machst es nur noch schlimmer, indem du diese Geschwisterrivalität aufrecht erhältst“, schoss Frau Tully zurück und warf Quinn denselben warnenden Blick zu. „Ich muss meine Enkelin anrufen und ihr sagen, wo ich bin. Die arme Kleine wird sich Sorgen machen, wenn ich nicht zu Hause bin, und das Telefon nicht abnehme.“
Frau Tully wartete nicht darauf, dass ihr jemand zeigte, wo das Telefon war. Sie war nicht zum ersten Mal im Hause der Wilders. Sie wäre beinahe über ihre eigenen Füße gestolpert, als sie Michael still in einem Stuhl in einer dunklen Ecke des Zimmers sitzen sah. Es passte gar nicht zu dem charmanten Vampir, dass er so nachdenklich war. Als sich die Tür hinter ihr schloss, wandten sich aller Blicke wieder auf Micah.
„Es ist schön, dich endlich wieder zu Hause zu sehen, wo du hingehörst“, sagte Steven mit einem freundlichen Lächeln, das die Tatsache, dass er besorgt war, verbergen sollte. Obwohl Micah zu Hause war, sagte ihm etwas, dass er nicht außer Gefahr war. Micah war blass und seine Augen waren ein wenig zu glasig für seinen Geschmack.
Micah erwiderte das Lächeln, aber ein Schwindelgefühl überkam ihn. „Ich bin nur froh, dass ich aus dieser Hölle weg bin.“
„Du warst diesmal sehr leichtsinnig“, erklärte Quinn vom Fenster her, wo er stand, seine Arme vor der Brust verschränkt. „Du hättest in diesem Keller sterben können, wenn wir die Nachricht, die du Alicia geschickt hast, nicht gesehen hätten.“
Micah sah sich im Zimmer um, hielt Ausschau nach seiner kleinen Schwester und runzelte die Stirn. „Apropos Alicia, wo ist sie? Ich hätte erwartet, dass sie hier ist.“
„Sie ist auf Besuch bei einer Freundin und bleibt dort, bis dies alles vorbei ist“, antwortete Kat. Sie schielte hinüber zu Quinn und fragte sich, wie lange er warten würde, ehe er seine Schwester anrufen wollte, um ihr zu sagen, dass sie zurückkommen konnte.
„Wieso ist sie nicht von Anthonys Villa mit uns zurückgekommen?“, fragte Micah. „Ich war mir sicher, dass sie…“, er schielte wieder hinüber zu Quinn, gab ihm die Schuld für Alicias Abwesenheit, einfach, weil er es wollte.
Nick verdrehte die Augen, aber innerlich zog er den Kopf ein. Er versuchte, nicht zu Michael hinüber zu sehen, denn er wusste, dass der Vampir die Erinnerungen der anderen ausgelöscht hatte, aber nicht seine und nicht Micahs. „Mann, sie haben dich wohl ein paar Mal zu fest am Kopf getroffen… Alicia war nicht in Anthonys Haus.“
„Aber sie war da“, beharrte Micah. „Ich habe sie mit meinen eigenen Augen gesehen.“ Er schenkte Nick einen bösen Blick, aber dieser zuckte nur seine Schultern und schüttelte den Kopf.
Er sah von einem zum anderen und erkannte, dass niemand bestätigen wollte, dass Alicia in der Villa gewesen war. Er erinnerte sich an sie in dem Keller… wie sie seine Hand gehalten hatte. Sie hatte geweint und er würde nicht zur Ruhe kommen, ehe er sie wiedersah und sicher war, dass es ihr gut ging. Er wusste nicht, was für ihn schlimmer gewesen war… sie weinen zu sehen, oder fast zu sterben. Er sah sich noch einmal um und stellte fest, dass auch der Mann, der bei Alicia gewesen war, nicht anwesend war.
Schnaubend legte er seinen Kopf wieder auf das Kissen und beschloss, dass er herausfinden musste, bei welcher Freundin Alicia war. Er würde sie suchen, und von ihr die Wahrheit erfahren.
„Du musst halluziniert haben“, sagte Jewel sanft.
Micah sah hinüber auf die hübsche Blondine und runzelte die Stirn. „Wer bist du?“
„Das ist Jewel Scott Wilder“, sagte Steven und legte seinen unverletzten Arm um ihre Schultern. Frau Tully hatte sich schon um seine Schusswunden gekümmert, und den lädierten Arm in eine Schlinge gebunden. „Sie ist meine Partnerin.“
„Anthonys Jewel Scott?“ Nun war Micah nur noch verwirrter.
„Nur in Anthonys krankem Kopf“, entgegnete Steven, aber konnte sich nicht davon abhalten, Jewel ein wenig enger an sich zu ziehen.
Micah blinzelte und sah hinüber zu Quinn, um von ihm eine Bestätigung zu erhalten, als er sah, wie Kat sich an seinen älteren Bruder schmiegte. Seufzend fragte er sich, wie hoch die Drogendosis war, die Frau Tully ihm verabreicht hatte, denn entweder verlor er seinen Verstand, oder alle anderen taten es. Er sah zu der einzigen Person in dem Zimmer, von der er wusste, dass er noch nicht völlig bescheuert war: Warren.
„Bin ich Rip Van Winkle oder so? Ich meine, als ich weggegangen bin… war Steven noch single und Quinns romantische Ader war ungefähr so ausgeprägt wie die von Dean.“
Warren lächelte. „Es ist einiges passiert, seit du weggegangen bist.“
„Gut, ich habe meinen Anruf erledigt“, erklärte Frau Tully, als sie wieder ins Zimmer spazierte. Sie hatte nicht wirklich ihre Enkelin angerufen. Sie hatte das nur gesagt, um ihnen ein paar Minuten alleine mit Micah zu schenken, ehe sie sie wegjagte. „Und jetzt… alle raus hier, und lasst dieses kleine Kätzchen schlafen.“
Micah knurrte die ältere Frau an. „Ich bin kein Kätzchen.“
„Mein Lieber, meine kleinste Katze könnte dich in diesem Zustand besiegen, und sie ist ein schrecklicher Angsthase, flüchtet vor ihrem eigenen Schatten“, meinte Frau Tully. Während sie sprach, nahm sie eine Spritze aus dem merkwürdig aussehenden Köfferchen, das sie mitgebracht hatte.
„Ich weiß nicht, ob ich noch mehr Drogen brauche“, seufzte Micah. Er würde sich noch alles erzählen lassen müssen, was er verpasst hatte. Alleine die Tatsache, dass er Alicia noch nicht gesehen hatte, schmerzte ihn mehr als die gebrochenen Knochen.
„Darum bist auch nicht du der Arzt.“ Frau Tully war froh, dass er noch immer diesen absurden Sinn für Humor hatte… wenn seine Wunden heilen würden, würde er ihn brauchen.
Micah knurrte leise, als die Nadel sich in seinen Arm bohrte und er musste wegschauen. Es behagte ihm gar nicht, Befehle entgegen zu nehmen und was er wirklich tun musste, war, seine Schwester suchen. Die anderen verließen den Raum, einer nach dem anderen, als sie die leere Spritze aus seinem Arm zog.
Frau Tully sah ihnen nach und drehte sich dann wieder zu Micah um, der schon schlief. Seine Familie war froh, dass er wieder zu Hause war, aber die Wahrheit war… sie machte sich Sorgen um den Puma. Seine Verletzungen waren so schlimm, dass sie sich wunderte, dass er überhaupt noch am Leben war.
Beide seiner Kniescheiben waren von Kugeln durchbrochen worden, seine Rippen waren gebrochen, weil sie so lange immer und immer wieder geschlagen worden waren. Es sah auch so aus, als wäre sein Rücken ausgepeitscht worden. Er war dehydriert und unterernährt und eine Infektion breitete sich durch seinen Körper aus. Wenn er ein Mensch wäre, hätte sie ihm Penicillin gegeben, aber leider… wirkten menschliche Antibiotika bei Paranormalen nicht.
Obwohl Wer-Tiere schnell genesen konnten… bedeutete das nicht, dass sie keine bleibenden Verletzungen davontragen konnten… oder tödliche. Sie würde ihn als glücklich einschätzen, wenn er die Infektion überlebte.
Sie schielte aus dem Augenwinkel hinüber zu Michael, der nicht gegangen war, und der noch immer regungslos in seinem Stuhl saß. Frau Tully entschied, ihn in Ruhe zu lassen. Sie hielt sehr viel von Michael und wenn er bleiben wollte, würde sie ihn nicht vertreiben. Auch er kam oft zu ihr, aber meistens nur, um ihr Verwundete zu bringen, nie für eine eigene Verletzung.
Mit einem Seufzen packte Frau Tully ihre Utensilien ein und stand auf. Mit einem kurzen Nicken in Michaels Richtung verließ sie wortlos das Zimmer.
Michael wusste, dass es Zeit war, zu gehen… er hatte nur darauf gewartet, dass seine Wut verflog. Alicia war mühsam, aber Damon hätte sie nie auf diese Art mitten in eine gefährliche Schlacht bringen dürfen. Er konnte noch immer den besitzergreifenden Blick auf Damons Gesicht sehen, als er seine Arme um sie geschlungen hatte, und fragte sich, ob sich die Geschichte gerade dazu anschickte, sich selbst zu wiederholen.
Sein Blick wandte sich wieder auf das, was von Micah noch übrig war, und das Bild der weinenden Alicia, die die Hand ihres Bruders hielt, suchte ihn wieder heim. Ein weiteres Bild blitzte in seinem Kopf auf… die Erinnerung daran, wie Dean seine Hand gepackt und sie auf Kane gelegt hatte, um zu verhindern, dass er starb. Gemeinsam hatten er und Dean… Kanes Verletzung dazu gebracht, vor ihren Augen zu verheilen.
Michael hatte nie darüber nachgedacht, aber er hatte gesehen, wie Syn in der Vergangenheit derartige Dinge getan hatte. Eine spezielle Situation würde Michael nie vergessen… vor so langer Zeit, dass er sich an die Umstände nur mehr halb erinnern konnte.
Es war während einer ihrer vielen Ausflüge gewesen, als sie auf ein verletztes Kind getroffen waren. Er lächelte liebevoll, als er sich an Damons und Kanes Reaktion auf das kleine Mädchen erinnerte. Eines ihrer Beine war gebrochen gewesen, und sie hatte mehrere Blutergüsse, die teilweise schon halb verheilt waren.
Das Kind hatte beteuert, dass sie nur gestürzt war, aber sie alle wussten, dass es auf der Lichtung nichts gab, das zu einer solchen Verletzung führen hätte können. Als Damon sich vor ihr hinkniete, und mithilfe seiner Gedankenkontrolle die Wahrheit aus dem Mädchen herausholen wollte, hatte Syn ihn weggestoßen und gesagt: „So etwas macht man nicht mit einem unschuldigen Kind.“
Sie hatten ihr angeboten, sie zu ihrem Haus zurückzubringen, aber sofort die Angst gefühlt, die sich in dem Kind breitmachte. Aber es war nicht Angst vor ihnen, es war die Angst davor, nach Hause zu gehen, die das Herz des Mädchens beutelte. Obwohl das Kind es nicht gesagt hatte, wusste Michael, dass ihre Eltern für ihre Verletzungen verantwortlich waren… und nicht nur für das gebrochene Bein.
Syn hatte nichts darüber zu dem Kind gesagt, als er dessen Tränen trocknete. Stattdessen hatte er nach Geschwistern gefragt, und sie hatte erklärt, dass sie keine hatte. Sie hatte ihnen von ihrer Großmutter erzählt, die in den Bergen lebte, und ihre Augen hatten mit der Liebe einer Enkelin geleuchtet.
Während sie erzählt hatte, hatte Syn seine Hand auf das verletzte Bein des Mädchens gelegt. Als sie mit ihrer Geschichte fertig war, war nicht nur ihr Bein wieder verheilt gewesen, sondern auch alle Blutergüsse waren verschwunden. Und dann hatte Syn Michael richtig schockiert. Während Kane das Mädchen genommen hatte, um mit ihm zu spielen, war Syn auf ihn und Damon zugekommen.
Mit einem festen Blick auf Damon hatte er gesagt: „Du darfst nie die Gedanken eines Kindes verändern… außer dieses Mal. Sie erinnert sich nicht an die Schläge, aber sie erinnert sich daran, dass sie gestorben sind.“ Seine Augen waren kalt geworden, als er hinzugefügt hatte: „Sie sind bei einem Feuer ums Leben gekommen.“ Damit hatte sich Syn umgedreht und war den Pfad entlanggegangen, der offensichtlich zu dem Haus des Mädchens führte.
Kane machte kein Geheimnis daraus, dass er das Kind behalten und aufziehen wollte… er hatte immer ein Herz für Kinder gehabt. Sie alle mochten Kinder, aber Kane war richtig verrückt nach ihnen. Er würde einen ganzen Spielzeugladen für sie kaufen, wenn ihm gerade danach war… und das war es… manchmal. Aber Syn hatte darauf bestanden, das Richtige zu tun und das Kind zu seiner geliebten Oma gebracht.
Als die Sonne am nächsten Morgen aufgegangen war, hatte sich im Dorf schnell die Nachricht verbreitet, dass ein Haus völlig verbrannt war. Die Überreste eines Mannes und einer Frau waren gefunden worden, aber von ihrer Tochter fehlte jede Spur.
Die vier Männer hatten das Dorf zu Pferd verlassen und hatten sich aufgemacht, in die Berge eines Landes, das heute als die Schweiz bekannt war. Nachdem sie das Mädchen bei ihren Großeltern abgeliefert hatten, hatte Syn der Großmutter einen Brief und einen Beutel voller Goldmünzen gegeben, als er ein paar Worte mit ihr austauschte. Die alte Frau hatte gelächelt und Syn fest umarmt, ehe sie ihre Enkelin in ihre Arme geschlossen hatte.
Obwohl Syn nie etwas erzählt hatte, wussten sie, dass er verantwortlich für den Tod der Eltern des Mädchens war. Bis zu diesem Tag zitterte Michael, wenn er zu genau darüber nachdachte. Syns Ethik erlaubte es nicht, dass ein Kind solche Qualen erlitt, und, wenn er etwas dagegen tun konnte… würde er es auch tun. Syn machte sich keinerlei Gedanken darüber, wer die Eltern waren, oder was sie repräsentierten. Er war überzeugt davon, dass Eltern, die ihre Kinder misshandelten nur das verdienten, was sie irgendwann auch ihren Kindern antun würden.
Als Michael Syn über seine Heilungskräfte, die er an dem Kind angewendet hatte, befragt hatte, hatte Syn ihm ein geduldiges Lächeln geschenkt.
„Die Macht lebt in deiner unsterblichen Seele. Im Lichte der Unsterblichkeit… bist du noch ein Kind, also schläft die Macht. Mit der Zeit wird die Macht wachsen. Welches deine Macht sein wird… das kann nur deine Seele entscheiden. Wenn es das Heilen ist, was deine Seele verlangt, dann musst du es dir nur genug ersehnen.
Als er wieder auf den verletzten Puma blickte, verstand er. Alicia so weinen zu sehen, war für ihn mehr als genug Grund, um es sich genug zu ersehnen. Michael stand langsam auf und näherte sich Micah. Als er näherkam, konnte er die Infektion riechen, die über den Körper des Pumas herfiel. Er wusste, wenn dem Puma etwas passierte, würde Alicia weinen, und er wollte nicht, dass Alicia weinte.
Michael legte seine Hand auf Micahs Brust und erinnerte sich an die Gefühle, die er erfahren hatte, als er gemeinsam mit Dean Kane berührt hatte. Als er sich auf sein Bedürfnis konzentrierte, Alicia lächeln zu sehen, fühlte er, wie dieses Verlangen durch ihn floss und in den, von dem er wusste, dass er sie glücklich machen konnte. Micah begann leicht zu leuchten und Michael wartete um zu sehen, ob er auch Micahs Seele sehen können würde, ebenso wie er es bei Kane getan hatte. Nach einem Moment wurde ihm klar, dass das Deans Macht gewesen war… nicht seine.
Wäre jemand mit ihnen im Zimmer gewesen, hätte er die Veränderung sehen können. Michaels Augen hatten tief violett zu leuchten begonnen und seine eigene Seele wurde langsam um seine physische Gestalt sichtbar.
Michael konnte einen Teil von sich selbst tief in dem Körper des Pumas fühlen… durch sein Blut fließen fühlen. Er seufzte erleichtert, als der Geruch der Entzündung langsam aus dem Raum verflog. Er konnte nicht unter all die Verbände sehen, um sicher zu sein, aber vor seinen Augen verheilten die Schnitte und Blutergüsse auf Micahs Gesicht und verschwanden schließlich vollständig.
Seine Hand zog sich zurück und Michael machte einen unsicheren Schritt weg von dem Bett. Als er seine Hand zu seinen Augen hob, um den Schwindel zu beruhigen, stellte er überrascht fest, dass er Tränen auf seinen Wimpern und Wangen fühlte. Er hielt einen Moment inne, als er sich daran erinnerte, dass er auch geweint hatte, als Dean seine Hand ergriffen und sie auf Kanes sterbenden Körper gelegt hatte.
War es das, was Syn gemeint hatte, mit, es sich genug ersehnen? Mussten sein Herz und seine Seele genau am selben Ort sein, damit es geschehen konnte?
Michael blickte hinunter auf seine Hände und seufzte. Wie sehr er sich wünschte, dass Syn hier wäre, um seine Fragen zu beantworten. Syn war nun wach, aber so lange er denken konnte, war Syn nie an einem Ort geblieben… immer nur auf der Durchreise. Er hatte Syn einmal gefragt, wonach er suchte, aber Syn hatte nur gelächelt und in die Ferne gesehen, als er geantwortet hatte: „Einige Geheimnisse sollen nicht geteilt werden.“
Vielleicht würde er es bald herausfinden… aber jetzt würde er nach Hause gehen und ruhen. Den Puma zu heilen hatte ihm viel Energie gekostet, und er musste ruhen, um seine Kraft wiederzugewinnen. Mit einem kurzen Blick zurück auf Micah entschied Michael, dass er noch eine Sache erledigen musste, um seine Spuren zu verwischen und die Geschwister wieder zu vereinen.
Er legte eine Hand auf Micahs Wange, während er seinen Namen flüsterte und den Puma dazu verführte, genug aufzuwachen, um seine Worte zu hören. Als Micahs Augenlider zitterten, gab ihm Michael die Information, mit der Alicias Aufenthaltsort geheim bleiben würde, bis er kam, um sie zu holen.

*****

Trevor hielt vor dem Moon Dance an und riss grob den Schlüssel aus dem Zündschloss. Envy verletzt zu sehen, hatte ihm zehn Jahre seines Lebens gekostet… zumindest fühlte er sich so. Zu sehen, wie sie angeschossen wurde, gab ihm nur recht damit, dass er die Wahrheit über die paranormale Welt und seinen Anteil daran so lange vor ihr verborgen gehalten hatte. Indem er es geheim gehalten hatte, hatte er sie aus der Gefahrenzone herausgehalten.
„Willkommen zu Hause“, brummte er, ohne die anderen anzusehen. Nachdem er aus dem Auto ausgestiegen war, ging er zur Beifahrerseite, um die Tür für Envy zu öffnen, aber Devon war schneller.
Devon schenkte Trevor einen sehr bösen Blick, als der andere Mann ihnen nach drinnen folgte, ohne ein Wort zu sagen. Devon hasste die Tatsache, dass er Trevor etwas dafür schuldete, dass der Envy gerettet hatte… aber noch schlimmer war die Tatsache, dass es ausgerechnet Trevor war, dem er zu Dank verpflichtet war.
„Du brauchst nicht mitzukommen“, sagte Envy hilfreich, versuchte, die angespannte Atmosphäre ein wenig aufzulockern. Sie schenkte Trevor auch noch ein leises Lächeln und ein Nicken, um ihm zu zeigen, dass sie nicht gemein sein wollte, sondern wirklich dankbar für seine Hilfe gewesen war.
Trevors Blick wurde weicher, als er in Envys Augen sah. „Ich würde mich besser fühlen, wenn ich wüsste, dass sich jemand um dich kümmert.“
Envy zog den Kopf ein… völlig falsche Bemerkung.
„Willst du damit sagen, dass ich mich nicht um Envy kümmern kann?“ Devon blieb stehen und sprach ein wenig zu laut, als sie zu der Treppe kamen, die hinauf in die Wohnung führte.
„Das habe ich nicht gesagt“, sagte Trevor, während er Envy über die Treppe nach oben folgte.
Devons Augen weiteten sich, als er Trevor nachlief und ihn grob an die Wand stieß. „Was dann, Teddybär?“
Trevor zuckte die Schultern. „Naja, Wildkatze… du bist ein Nichtsnutz!“
„Fahr zur Hölle!“, knurrte Devon laut.
„Ich fürchte wir kriegen gleich ein Bild wie in irgendeinem Zeichentrickfilm“, murmelte Envy und rieb ihre Stirn. „Wie wäre es, wenn ihr beide einen Moment lang damit aufhören würdet, alles mit eurem Testosteron zu markieren und euch zur Abwechslung einmal benehmt? Ich habe Kopfschmerzen, mein Arm tut verdammt weh, und das Allerletzte, was ich gerade brauchen kann, ist, dass ihr beide euch darum streitet, wer der Bessere ist.“ Sie sah Trevor an. „Entweder du hältst den Mund, oder du gehst nach Hause, im Moment ist mir egal, welches von beiden.“
Devon grinste, bis Envy ihren wütenden Blick auf ihn richtete. „Und du… ich habe das Recht, mich dir zu verwehren, Miezekatze. Wenn du so weitermachst, bleibt dir nichts anders übrig, als draußen hinterm Zaun zu jaulen.“
Tabatha hatte schon lange darauf gewartet, dass sich etwas regte, bis sie endlich hörte, wie Devon Trevor sagte, dass er zur Hölle fahren sollte. Sie öffnete die Tür gerade rechtzeitig um zu sehen, wie Envy die beiden auf ihre Plätze verwies, und konnte ein Kichern nicht unterdrücken. Wenigstens war sie nicht mehr alleine.
„Können die Jungs sich wieder mal nicht benehmen?“, fragte Tabatha.
„Du kannst es dir nicht vorstellen“, brummte Envy, als sie in Warrens Büro trat, Trevor und Devon nun schweigend im Schlepptau.
Envy ließ die Jacke von ihren Schultern gleiten und Tabathas Augen wurden groß, als sie den blutgetränkten Verband auf Envys Arm sah. Ein Bild davon, wie sie und Envy von Raven und seiner Blutsaugerbande als Geisel gehalten worden waren, drängte sich in ihre Gedanken, die sie eben mühsam beruhigt hatte.
„Kann einer von euch Jungs vielleicht den Erste-Hilfe-Kasten holen?“, fragte Tabatha, während sie Envy genau betrachtete, um sicherzugehen, dass die Verletzung an ihrer Schulter die einzige war.
„Ich hole ihn“, antwortete Devon und verschwand im angrenzenden Schlafzimmer.
„Was ist geschehen?“, wollte Tabatha wissen, während sie den Verband löste und sah, wo ein Schuss den Arm ihrer Freundin gestreift hatte.
„Auf mich wurde geschossen, ich wurde angeknurrt, beinahe von Krallen zerfetzt, und bin gerade noch einer großen Explosion entkommen“, sagte Envy grinsend, aber das Grinsen verschwand sofort, als sie den Blick auf dem Gesicht ihrer Freundin sah. „Es geht mir gut, wirklich“, fügte sie schnell hinzu.
Ohne auf Envys letzte Bemerkung zu hören, schoss Tabatha Devon einen wütenden Blick zu, als dieser wieder zurück ins Zimmer kam. „Wo, zur Hölle, warst du, als auf Envy geschossen wurde?“ Sie konnte sich nicht zurückhalten. „Dies ist meine beste Freundin, und du solltest doch auf sie aufpassen!“
Trevor lachte innerlich, war froh, dass noch jemand außer ihm Devon die dringend nötige Strafpredigt hielt.
„Ich habe um unsere Leben gekämpft“, sagte Devon zu seiner Verteidigung. „Ich konnte nicht zu ihr gelangen, aber Pu der Bär hier hat sie herausgeholt.“
„Nachdem Hello Kitty zuließ, dass er von ihr getrennt wurde“, fügte Trevor hinzu, während er sich bemühte, nicht laut darüber zu lachen, dass Devon immer noch dachte, dass er ein Werbär war… wenn Devon nur die Wahrheit darüber wüsste, wer er wirklich war. Der Drang zu lachen verschwand schnell wieder, als sein Blick sich wieder auf Envy richtete. Wenn Devon die Wahrheit wüsste, würde Envy sie auch erfahren, und er hatte es satt, dass sie seine Lügen aufdeckte.
Tabatha und Envy warfen einander einen resignierenden Blick zu und Envy formte mit ihren Lippen lautlos das Wort 'Hilfe', wissend, dass Tabby sie verstehen würde.
„He, Trevor, kannst du mich nach Hause fahren?“, fragte Tabatha, wollte Trevor aus dem Zimmer locken, ehe Devon seinen Kopf abreißen konnte… oder Envy wirklich auf die beiden losging.
Trevor seufzte und schob wütend seine Hände in seine Hosentaschen. „Klar, ich gehe schon vor und starte das Auto.“
Als Trevor schmollend das Büro verlassen hatte, schenkte Envy Tabatha einen erleichterten Blick. „Danke!“
Tabatha grinste. „Du solltest mir nicht danken, denn jetzt schuldet ihr mir beide etwas.“
„Ich gebe dir alles, was ich habe!“, rief Devon mit einem Grinsen.
„Auch Envy?“, fragte Tabatha mit einem Augenzwinkern.
„Keine Chance“, antwortete Devon und erwiderte ihr Zwinkern.
Tabatha verzog ihren Mund beleidigt. „Nun, dann macht das alles keinen Spaß.“
Envy kicherte, als Tabatha aus dem Zimmer stampfte und gespielt wütend die Tür hinter sich zuschlug.

Kapitel 2
„Lass mich runter, du blutsaugender Wahnsinniger!“, rief Alicia, während sie Damons Rücken zerkratzte, wo immer sie ihn erreichen konnte, so wie er sie über die Schulter geworfen hatte. In dem Moment, wo sie erkannt hatte, dass sie nicht auf dem Weg zum Night Light waren, hatte sie ihn zum Anhalten bewegen wollen… offensichtlich waren wollen und bekommen zwei unterschiedliche Dinge. „Ich will Micah sehen!“
„Michael hat mir aufgetragen, dich hierher zurückzubringen, und hier wirst du bleiben“, befahl Damon, während er gelassen in Alicias Zimmer spazierte. Er warf sie auf das Bett und zuckte zusammen, als ihre Fingernägel tiefe Schnitte in seinem Rücken hinterließen. Knurrend fügte er hinzu: „Ich glaube nicht, dass dein Partner so enttäuscht sein wird, wenn du ein wenig später in sein Schlafzimmer… Bett kommst.“
Alicia schnaubte und versuchte, vom Bett zu rutschen, aber Damon war sofort über ihr, je eine Hand fest neben ihre beiden Schultern gepflanzt.
Damon starrte böse auf sie hinunter, versuchte noch einmal, sie seiner Gedankenkontrolle zu unterwerfen. „Verdammt, ich sagte, bleib hier!“
„Ich bin kein Hund, ich bin eine Katze, du…“ Alicias Gedanken ließen sie im Stich, als sie in seine Augen hochsah, erkannte, wie sein Haar um sein perfektes Gesicht hing. Sie fühlte, wie etwas in ihrer Magengegend mit Sehnsucht erwachte. Als sie ihren Blick auf seine Lippen senkte, griff sie auf das einzige zurück, was ihr einfiel, wie sie sich davon abhalten konnte, ihn zu küssen… Aggression.
„Du hast mir nichts zu befehlen!“ Alicia boxte ihn in die Brust, aber bereute es sofort, als Damon seine Augenlider vor Schmerzen aufeinanderpresste und sich noch weiter auf sie herunterbeugte.
„Hat dir nie jemand eine ordentliche Tracht Prügel verpasst, als du noch klein warst?“, knurrte Damon, als er in Schweiß ausbrach. Er rollte sich zur Seite, bis er neben ihr auf seinem Rücken lag.
„Nur in deinen Träumen.“ Alicia runzelte die Stirn, als sie sich fragte, wie, um alles in der Welt, er sie gerade wie ein Neandertaler den ganzen Weg durch die Stadt tragen hatte können und jetzt sah er aus, als würde er gleich bewusstlos werden, nur weil sie ihn ein wenig geboxt hatte. „Ist alles in Ordnung?“, fragte sie unruhig, wollte sich nicht schuldig fühlen, dafür, dass sie es ihm zurückgezahlt hatte.
Damon öffnete seine Augen, nur um sich einem dummen Teddybären gegenüber zu finden. Seine violetten Augen wurden schmal, als er die Buchstaben entzifferte, die auf seinem Halsband standen… ‚Micah'.
„Ich fühle mich blendend… und du?“, antwortete er, während er sich in eine sitzende Position hochdrückte und sich fragte, wozu er sich überhaupt mit Menschen einließ… besonders Frauen. Sie bedeuteten nur Probleme. Nachdem er aufgestanden war, ging er zur Tür, hoffte, dass er nicht irgendetwas Schwachsinniges tun würde, wie in Ohnmacht fallen. „Wenn du versuchst, dieses Haus zu verlassen, bevor Michael zurückkommt, werde ich dir diesen Teddybären ins Maul stopfen.“
Alicia starrte wütend auf die Tür, bis er weg war, dann hob sie eine Augenbraue in die Richtung des unschuldigen Teddybären. „Also, ich weiß, was ich getan habe… aber womit hast du ihn verärgert?“
Sie verdrehte ihre Augen und streckte ihre Hand aus, um die Nachttischlampe anzuschalten. Damon war so in Eile gewesen, als er hereingekommen war, dass er nicht einmal das Licht aufgedreht hatte. Sie wollte nach dem Teddybären greifen, als etwas auf dem Bett ihre Aufmerksamkeit erregte. Genau dort, wo Damon gelegen hatte, war ein feuchter, roter Fleck zu sehen. Sie streckte ihre Finger danach aus, und wollte ihn gerade berühren, als sie die Hand wieder zurückzog.
Nachdem sie schnell vom Bett geklettert war, ging Alicia auf den Balkon hinaus und schlich sich zur nächsten Glastür, die in Damons Schlafzimmer führte. Was sie dort sah, brach ihr das Herz.
Damon warf die Schlafzimmertür hinter sich ins Schloss und riss sein schwarzes Hemd von seinem Körper, warf es quer durch den Raum. Mehrere Kugeln, die in das Hemd gefallen waren, trafen bei der Aktion auf den Boden und die Wände. Sein Körper hatte sie aus seinem Fleisch gedrückt, um wieder heilen zu können. Er atmete tief ein und sah angeekelt hinunter auf die blutigen Löcher. Durch die Kugeln, die noch in seinem Körper waren, konnten sich die Wunden nicht schließen.
Als er eine Patrone sah, die halb aus seiner Brust ragte, zog er sie ganz heraus. Er umklammerte den Bettpfosten so fest, dass das Holz brach. Wenn er nicht das Werwolfblut vorhin getrunken hätte, läge er nun auf seinen Knien und würde vor Schmerzen laut heulen. Obwohl, wenn er es sich recht überlegte, hätte er es wahrscheinlich nicht einmal aus der Villa geschafft.
Das Blut eines Paranormalen erzeugte einen größeren Energieschub als menschliches Blut, aber es war klar, wenn er schneller heilen wollte, dann würde er mehr Blut brauchen. Niemand hatte ihm je vorgeworfen, geduldig zu sein.
Mit einem Brummen ließ Damon die Kugel, die er gerade herausgezogen hatte, zu Boden fallen und ging zum Schrank, um ein anderes Hemd zu holen. Alles, was er finden konnte, waren Pullover… er nahm einen schwarzen vom Kleiderhaken, ehe er auf die Balkontür zuging.
Alicia hatte sich die Hand vor den Mund geschlagen, um nicht aufzuschreien, als sie sah, wie viel Schaden an Damons Brust angerichtet worden war. Einige der Schusswunden bluteten noch, und einige pressten tatsächlich die Kugeln aus seiner Haut. Kein Wunder, dass er Schmerzen gehabt hatte, als sie ihn geschlagen hatte. Sie fühlte einen schmerzenden Stich in ihrer Brust. Wie konnte sie nur so grausam sein?
Sie wollte gerade die Tür aufmachen, als Damon sich umdrehte und sie hielt inne. Sie wollte heulen, als sie seinen blutigen Rücken sah, der noch schlimmer aussah, als seine Brust, ehe er einen Pullover anzog. Wie oft hatte sie ihn auf den Rücken geschlagen, ehe er sie auf das Bett geworfen hatte? Alicia fühlte, wie bei dem Gedanken ihre Knie weich wurden.
Als er auf die Balkontür zukam, trat sie schnell zur Seite, wirbelte herum und drückte ihren Rücken an die Ziegelmauer zwischen den beiden Glastüren. Mit einer Hand auf ihrer unverletzten Brust hielt sie ihren Atem an und hoffte, dass er nicht herauskommen und sie dabei erwischen würde, wie sie ihm nachspionierte.
Ihre Panik wurde schnell verdrängt von Schmerz… dann Wut und Verwirrung. Damon hatte sie in der Villa angelogen… all das Blut war seines gewesen. Wieso sollte er so etwas tun? Wieso sollte er sich als Schild vor sie stellen und ihr dann nicht sagen, dass er verletzt war? Er hätte sterben können… und wofür? Um sie zu retten?
Alicias Augen wurden groß, als die Balkontür plötzlich aufgerissen wurde, und Damon auf das Geländer sprang und auf die Straße hinuntersah. Er blieb kurz oben stehen, wollte gerade springen, als er jemanden hinter sich fühlte. Er konnte all diese Emotionen in ihrer Aura fühlen und seufzte… er war müde und verletzt und hatte keine Lust mehr, heute Nacht noch mehr zu streiten.
„Michael hat ihre Erinnerungen daran, dass du heute Nacht dort warst, ausgelöscht. Wenn du jetzt zu Micah zurückläufst, bevor sie dich anrufen… war alles umsonst, was er getan hat, um dir zu helfen. Wenn du schon nicht für mich hierbleiben willst… dann tu es für Michael.“ Damit ließ sich Damon vom Balkon fallen und landete im Gras darunter.
Alicia schrie leise auf und rannte zu dem Steingeländer, sah hinunter als er blind nach unten taumelte. Ihre Augen wurden groß und sie umklammerte den Stein, als sie erkannte, dass Damons blindes Taumeln nicht so blind war, wie sie gedacht hatte. Seine Arme streckten sich zu beiden Seiten und es sah aus, als würde er die Schatten um sich schlingen, sich darin einwickeln… dann verschwand er, bevor er am Boden ankam.
Alicias Blick durchsuchte die Dunkelheit, wollte ihm folgen, aber sie konnte ihn nicht mehr sehen… nicht einmal seine Schritte hören. Er tat ihr leid, und sie fühlte selbst die Schmerzen, die er heute Nacht für sie auf sich genommen hatte.
Sie schlang ihre Arme um sich, fühlte sich plötzlich viel einsamer als erwartet und wünschte sich verzweifelt, dass er nicht gegangen wäre. Sie musste ihm sagen, dass es ihr leid tat… sie wollte ihm danken und sie wollte ihn wirklich noch einmal schlagen dafür, dass er ihr nicht gesagt hatte, dass er verletzt war. Wohin ging er? Was machten Vampire, wenn sie verletzt waren?
Er wollte, dass sie hierblieb und machte, worum Michael gebeten hatte. Mit einem Seufzen entschied sie, ausnahmsweise einmal zu gehorchen… aber sie machte es nicht für Michael.
Alicia wandte sich vom Geländer ab und ging zurück in ihr Zimmer, wo sie sich auf das Bett setzte. Sie starrte einige Sekunden lang das Telefon an und fragte sich, was sie tun sollte, wenn es klingelte. Sollte sie abheben? Was, wenn es nicht Michael war? Was, wenn Warren oder Quinn Michael anrufen wollten, und sie nahm ab?
Damon hatte recht… sie schuldete ihnen genug, um zumindest bis zum Morgen zu warten, ehe sie irgendwelche Entscheidungen traf, oder etwas machte, was sie nicht tun sollte. Sie erinnerte sich an den gefährlichen Klang von Michaels Stimme, als er Damon aufgetragen hatte, sie nach Hause zu bringen. Niemand hatte gewollt, dass sie heute Nacht dort war, außer vielleicht Damon… noch etwas, wofür sie Damon dankbar sein musste.
In der Hoffnung, dass die Zeit dann schneller verging, stand sie auf und zog sich ihr Nachthemd an. Sie legte sich ins Bett, deckte sich zu und versuchte, zu schlafen. Aber es war zu heiß, obwohl sie die Balkontür offengelassen hatte, sodass der kühle Wind hereinwehte. Fast eine Stunde lang warf sie sich von einer Seite auf die andere, ehe sie schließlich ihre Hand hob, um den Schweiß von ihrer Stirn zu wischen.
Ihre Haut fühlte sich heißer an, als sie sein hätte sollen, also warf sie die Decke von sich, sodass es endlich kühler wurde. Frustriert knüllte sie die Decke zusammen, sodass sie wie ein langes Kissen war, kuschelte sich daran und schlang ein Bein darum. Sie rieb sich daran, genoss das Gefühl zwischen ihren Oberschenkeln und zog die Decke noch fester an sich.
Alicias Augen öffneten sich ruckartig, als sie plötzlich die Symptome erkannte, die sie aufwies. Sie hatte davon gelesen und gesehen, wie eine ihrer Freundinnen in der Schule es durchgemacht hatte.
„Nein…“, flüsterte sie, als sie fühlte, wie die Angst alleine schon bei dem Gedanken hieß durch sie schoss. „Bitte lass mich nicht läufig werden.“

*****

Damon eilte durch die Schatten der Stadt auf die dunkelsten Viertel zu, auf der Suche nach etwas oder jemandem, der getötet werden musste. Er versuchte, den Gedanken an Alicia zu verdrängen, aber es schien, dass in jeder Minute, die er in ihrer Gegenwart verbrachte, sie tiefer unter seine Haut kroch. Das Merkwürdigste war… er mochte sie dort.
Sein ganzes Leben basierte darauf, dass ihm alles egal war… und alle. Er war außerdem stolz darauf gewesen, dass er es zu seiner Regel gemacht hatte, dass er sich nahm, was er wollte. Er wollte sie, und sie musste dringend aufhören, den Teufel in Versuchung zu führen. Als er sich vom Balkon fallen gelassen hatte, hatte er gebetet, dass sie ihm nicht folgen würde. Zum Glück hatte das Mädchen noch ein wenig von ihren Selbsterhaltungsinstinkten übrig.
Schließlich kam er an sein Ziel: eine heruntergekommene Gegend von Los Angeles. Damon hielt sich auf der dunklen Seite des Gehsteigs auf, grinste, als ein Polizeiauto vorbeifuhr und alle verschwanden. Sobald die Bullen wieder außer Sichtweite waren, kam der Abschaum der Erde wieder aus ihren Verstecken und das Leben ging wieder weiter, als wäre nichts geschehen.
Damon grinste hämisch in die Richtung von zwei sehr dürftig bekleideten Frauen und ging weiter, als sie versuchten, ihn mit ihren Körpern zu verführen. Vielleicht hätte er es sich vor ein paar Wochen noch einmal überlegt, aber jetzt… wollte er nichts mit dem anderen Geschlecht zu tun haben. Bei dem Gedanken, von einer von ihnen zu trinken, wurde ihm übel.
Als er um eine Ecke bog, bemerkte Damon zwei Schlägertypen ein Stück weiter, die ihn ansahen, als er sich näherte. Das war schon eher, wonach ihm der Sinn stand.
„Wie geht’s?“, fragte einer von ihnen mit tiefer Stimme. Er hatte seine Hände tief in seinen Hosentaschen vergraben, hoffte, Drogen verkaufen zu können. Als er einen Blick auf die wilden Augen des Mannes erhaschte, beschloss er aufzugeben, denn er nahm an, dass der Typ seine Drogen schon woanders bekommen hatte.
Damon antwortete nicht und ging weiter. Er wusste, was kommen würde, und er freute sich darauf. Diese beiden Typen waren vermutlich die Könige in dieser Straße, so wie sich ihre Muskeln abzeichneten und ihre Augen finster strahlten. Er konnte altes Blut auf ihren Kleidern riechen und erkannte die Narben auf ihren Fäusten, die solche Gangster immer auszeichneten. Ja, sie waren vermutlich in ihren eigenen Köpfen Legenden.
„He“, rief der zweite, „mein Freund hat dich etwas gefragt.“
„Und mein Schweigen hätte ihn warnen sollen, dass ich nicht in der Stimmung war“, warnte Damon und drehte dann den Kopf, um ihn anzusehen. Er schenkte ihnen ein gemeines Grinsen, seine Fangzähne blitzten in dem schwachen Schein der Straßenlaterne auf und sie erkannten die roten Iris in seinen Augen. „Aber ein Abendessen mit euch beiden klingt gut.“
Damon bewegte sich schnell, packte den ersten und leerte ihn in weniger als einer Minute bis auf den letzten Tropfen. Schweiß brach auf seiner Stirn aus, durch den Schmerz von weiteren Kugeln, die sich aus seinem Körper schoben und mit einem metallischen Klingeln am Boden landeten. Er legte seinen Kopf in den Nacken und lachte atemlos, ehe er den toten Mann zu Boden sinken ließ.
Das Echo von dem zweiten Mann, der wegrannte, erreichte Damon und er rannte ihm nach, wobei er wieder die Schatten um sich schlang, um sich zu verstecken. Schmerz und Adrenalin gemeinsam erzeugten einen besonders berauschten Zustand.
Er holte den überdimensionalen Punk ein und verfolgte ihn noch ein paar Sekunden, genoss den Geruch seiner Angst. Als der Mann langsamer wurde, kicherte Damon nur in der Finsternis, sodass der Mensch wieder schneller rannte. Ja, das musste er tun… die Welt von ein wenig niedrigem Abschaum säubern, während er sich das Blut holte, das er brauchte, um wieder gesund zu werden.
Nachdem er schnell die Lust an der Verfolgungsjagd verlor, näherte sich Damon dem Mann und riss ihn hinaus auf die Straße. Der Mensch wehrte sich mit aller Kraft, aber gegen Damons überlegene Macht… war das Ergebnis unabwendbar.
Schließlich erschlafften die Bewegungen des Mannes und Damon ließ ihn auf den schmutzigen Asphalt fallen. Während dem Kampf waren kleine Säckchen mit weißem Pulver aus den Taschen des anderen gefallen, außerdem ein ganzer Stapel Geldscheine und eine Pistole. Damon kniete sich neben die Leiche und verwendete einen Zipfel ihres T-Shirts, um seinen Mund abzuwischen, ehe er das Geld aufhob und es in seine Jackentasche steckte, bevor er wegging.
Als er wieder auf eine größere Straße bog, steckte Damon seine Hände in seine Hosentaschen und schlenderte den Gehsteig entlang, als hätte er keine Sorge auf der ganzen Welt. Jetzt, wo sein Verlangen zu töten und zu trinken teilweise gestillt waren, konnte er sein nächstes Opfer sorgfältiger aussuchen.
Misery beobachtete die gesamte Interaktion zwischen dem Vampir und den beiden Menschen, die er als seine Opfer gewählt hatte. Sie wollte sich ihm nähern, aber sie war zu schwach dafür. Stattdessen musste sie sich damit begnügen, sich an der Angst, die die Menschen zeigten, als der Vampir sie aussaugte, zu laben. Ihre Tode waren köstlich gewesen.
Ihre Begegnung mit Kane früher am selben Abend, hatte sie dazu gezwungen, die gesamte Macht, die sie gespeichert hatte, seit sie aus der Höhle entkommen war, zu verwenden. Als sie ihre Macht mit Kanes Blut vereinigt hatte, hatte das alle ihre Reserven gefressen. Sprünge in den Dimensionswänden dieser Welt zu erzeugen war ein mühsames Unterfangen und würde noch viel mehr Macht brauchen, als sie im Moment besaß. Sie konnte den bösen Herzschlag der Gegend fühlen und wusste, sie hatte einige der schwächeren Dämonen, die hier schliefen, aufgeweckt.
Sie würde stärker sein müssen, um die Wände dünn genug zu machen, damit die Dämonen auf der anderen Seite es spüren und ihre Chance nutzen konnten. Wenn die Dämonen mächtig genug waren… konnten sie den Riss von der anderen Seite her vervollständigen und sich ihr in dieser Welt anschließen.
Obwohl ihre Vorführung nicht genug gewesen war, um zu tun, was sie gewollt hatte, vermehrte sich das Böse in der Stadt und sie würde nicht lange brauchen, um ihre Macht auf das nötige Niveau anzuheben. Wenn dieses Niveau einmal erreicht war… würde sie wieder versuchen, die Wände dieser Dimension zu durchbrechen. Die Aura des Vampirs war nicht so köstlich wie die von Kane, aber sie war ihr ähnlich und die Möglichkeit eines Blutrituals war auf jeden Fall gegeben.
Dieser Vampir… obwohl er eine sadistische Seite zeigte, die Misery gefiel… war seine Macht so völlig anders als die von Kane. Sie wusste schon, wie sie an Kanes wahre Macht gelangen konnte, aber je weiter sie in die Seele von diesem hier blickte, umso besser erkannte sie die gefährliche Wahrheit. Die Macht, die der Vampir, den sie beobachtete, besaß, konnte nur erwachen, wenn er etwas beschützte, das er liebte. Es war eine nutzlose Macht, nachdem die Kreatur solche Gefühle unterdrückte.
Nachdem sie den Vampir noch ein paar Sekunden länger beobachtet hatte, beschloss Misery, dass es besser war, wenn dieser ohne Liebe blieb, denn wenn er je eine solche Empfindung fühlen würde… würde seine Macht grenzenlos sein.
Damon konnte seelenlose Vampire überall um sich und in den dunkleren Seitengassen fühlen. Er überlegte kurz, die Stadt von einigen davon zu befreien, aber entschied, dass er seine gute Tat für diesen Tag schon erledigt hatte. Wenn sie sich von dem niedrigen Leben in dieser Gegend ernähren wollten, wieso sollte er sie aufhalten wollen? Es war ja nicht so, als hätte er nicht gerade dasselbe getan. Während er weiter über die Straße spazierte, fielen mehr Patronen aus seinem Pullover zu Boden und klingelten wie vergessene Erinnerungen auf dem Gehsteig.
Die kleinen Härchen in Damons Nacken stellten sich auf und er blieb stehen, sah sich um… er wurde beobachtet. Schließlich riss er seinen Kopf herum und erkannte eine formlose Silhouette am Dach des Gebäudes neben ihm.
Indem er die Dunkelheit wieder um sich wickelte, verschwand Damon in die Schatten, hasste es, dass diese Stadt keine Privatsphäre bot, durch all die paranormalen Kreaturen, die hier herumliefen. Ehe er hierhergekommen war, war er nie in der Gegenwart von Formwandlern oder Gefallenen Engeln gewesen. In seinem Land waren Formwandler schon in den dunklen Zeitaltern ausgelöscht worden, und waren klug genug gewesen, nicht zurückzukommen. Es war ihm nie aufgefallen, wie territorial er war, als er in einem sauberen Land gewesen war.
Er war nie so scharf auf Reisen gewesen wie Kane oder Michael… nicht wenn er sich so sehr vergnügen konnte, wo er lebte. Aber dort auf dem Dach, das war kein Formwandler… es war ein Gefallener Engel und es war keiner der beiden Männer, die er in der Kirche gesehen hatte. Dies musste derjenige sein, der entkommen war.

*****

Zachary atmete erleichtert auf, als die letzten Journalisten endlich genug hatten, und seinen unter Anführungszeichen Tatort verließen. Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Feuerwehrleute, die schwarz vor Ruß waren, und zog teilnahmslos den Kopf ein. Arme Jungs, sie hatte keine Chance gehabt, das Feuer unter Kontrolle zu bekommen, obwohl sie offenbar dankbar dafür waren, dass es sich nicht über die Grenzen von Anthony Valachis Anwesen hinaus ausgebreitet hatte. Zachary lächelte, als er sah, worauf er gewartet hatte.
Er hatte das Feuer so heiß gemacht, dass er wusste, es würde nicht lange dauern, bis es alles verbrannt hatte, was brennen konnte. Er hatte zwei Gründe dafür gehabt. Einmal aus Mitleid mit den Menschen, die täglich ihre Leben riskierten, wenn sie mit dem Feuer spielten, und zweitens um jegliche Beweise zu zerstören, die Menschen nicht zu sehen brauchten… unter anderem Körper für Autopsien oder Knochen, die man untersuchen könnte.
„Es scheint, dass es ausgebrannt ist“, sagte Chad, als er sich Zachary näherte. „Es überrascht mich, dass Trevor nicht hier ist.“
„Oh, er war hier“, grinste Zachary. „Als ich ihn zuletzt sah, zerrte er deine Schwester hier heraus, damit ich die Villa in die Luft jagen kann.“
„Was!“, rief Chad und kam einen Schritt näher, damit sie nicht belauscht werden konnten. „Ich bin seit einer ganzen Stunde hier, und du sagst mir erst jetzt, dass meine Schwester heute Nacht beinahe gestorben wäre?“
„Der Schuss hat sie nur gestreift.“ Zachary liebte es einfach, den neuen Typen zu ärgern. Er fühlte sich ein wenig schuldig, als er sah, wie jegliche Farbe aus Chads Gesicht verschwand. „Beruhig dich, es geht ihr gut.“
„Du bist ein Arschloch“, erklärte Chad ohne Schuldgefühle.
„Ich wurde schon Schlimmeres gerufen“, meinte Zachary schulterzuckend. „Aber im Moment darfst du mich Chef nennen. Ich habe dafür gesorgt, dass die Formalitäten schneller abgewickelt werden, also ist alles erledigt. Du arbeitest nicht mehr für die Polizei. Sie arbeiten für sich, und du arbeitest für die CIA, soweit sie wissen. Und nachdem dies eine Mafia-Angelegenheit ist, ist die CIA dafür verantwortlich.
„Und was soll ich jetzt tun?“, fragte Chad, der sich ein wenig verloren fühlte, während er sich insgeheim fragte, wie er einen Jaguar dafür verprügeln konnte, dass er seine Schwester schon wieder in Gefahr gebracht hatte.
„Die Beförderung genießen, denn ich überlasse diese Sache hier für heute Nacht dir.“ Zachary klopfte ihm auf die Schulter, bevor er die Autotür öffnete und sich auf den Fahrersitz setzte. Er zählte bis drei, ehe Chad an sein Fenster klopfte. Mit gehobener Augenbraue öffnete er das Fenster.
„Was soll ich ihnen erzählen?“, fragte Chad.
„Das ist das Beste an der Sache. Du kannst im Moment keinerlei Informationen geben.“ Zachary lachte und schloss das Fenster wieder, während er den Rückwärtsgang einlegte, und lachte noch lauter, als Chad nach seinem Reifen trat, als er an ihm vorbeifuhr.
Sein Humor verflog schnell wieder, als er mit seinen eigenen Gedanken alleine war. Er wusste, dass ein Großteil des Wolfsrudels harmlos war, und nur die Befehle ihres Alphas befolgt hatte, aber der Rest würde Rache für den Tod von Anthony Valachi wollen. Einige würden mit dem Finger auf Micahs Retter zeigen, aber einige würden sich an Steven rächen wollen, und der Verlobten, die Anthony mit ihm betrogen hatte. In jedem Fall würde das Night Light ganz oben auf der Liste der Ziele der verbleibenden Mafia der Stadt stehen.
Zachary zog sein Handy heraus und rief ein TEP-Mitglied an, das er als verdeckten Ermittler tief im gefährlichsten Teil des Wolfsrudels versteckt hatte. Wenn das, was er glaubte, sich zusammenbraute, dann könnte es klug sein, ein paar Todesdrohungen an das Night Light zu schicken, damit die Pumas in Alarmbereitschaft blieben, oder noch besser… sie dazu bringen, den Club eine Weile zu schließen.

*****

Angelica starrte abwesend aus dem Fenster auf die Stadt hinunter, während sie über den Albtraum nachdachte, der sie aufgeweckt hatte. Selbst mitten in der Nacht all die Lichter und das Leben der Stadt zu sehen, schenkte ihr ein wenig Ruhe, und sie konnte kaum ihren Blick losreißen.
Sie hatte noch nie einen Albtraum gehabt… hatte noch nie einen einzigen Traum gehabt, und das verunsicherte sie am meisten. Sie rieb mit ihren Fingern über das Zeichen in ihrer Hand, gab ihm die Schuld an ihrem Albtraum. Sie war so in düsteren Gedanken versunken gewesen, dass sie beinahe aus der Haut gefahren wäre vor Schreck, als die Tür hinter ihr krachend ins Schloss fiel.
Zachary hatte die Tür leise geöffnet, für den Fall, das Angelica schlief. Als er sie dort gedankenverloren stehen sah, konnte er der Versuchung nicht widerstehen, die Tür laut ins Schloss zu werfen. Ihre Reaktion war sogar noch besser, als er gehofft hatte.
„Wenn ich ein Dämon gewesen wäre, wärst du gebissen worden“, grinste er, dann senkte er seinen Blick auf den Dolch, den sie so fest umklammert hielt, dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten. „Vielleicht nicht“, korrigierte er mit einem Stirnrunzeln. „Was hat an deinem Käfig gerüttelt?“
„Albträume“, sagte Angelica wahrheitsgemäß, während sie ihre Finger wieder entspannte. Es hatte keinen Sinn, zu lügen… zumindest nicht bei ihm. Sie atmete tief ein, versuchte die Spannung in ihren Schultern abzuschütteln, dann rümpfte sie die Nase. „Du riechst wie verbrannter Toast.“
„Willst du mit mir duschen?“ Zachary zwinkerte ihr zu, während er zum Badezimmer ging.
Angelica warf noch einen kurzen Blick aus dem Fenster, ehe sie sich abwandte. Während sie hörte, wie die Dusche aufgedreht wurde, setzte sie sich auf das Sofa und griff nach ihrem Notizbuch neben ihrem Laptop und begann den Mann, den sie in der Höhle gesehen hatte, zu zeichnen. Nachdem er derjenige war, der sie markiert hatte, mussten die Albträume sein Werk sein. Sie begann bei seinen Augen und zeichnete weichere Bleistiftstriche, als sein Gesicht auf dem Papier zum Leben erwachte.
Zachary trat aus dem dampfenden Badezimmer, während er noch sein Haar abtrocknete. Er trat hinter Angelica und sah hinunter auf das Porträt des Mannes, mit dem er sie in der Höhle gesehen hatte. Er betrachtete die Art, wie sie sorgfältig das lange, dunkle Haar des Mannes gezeichnet hatte… als würde der Wind es leicht verwehen. Für einen Dämon, war er in ihren Augen wirklich gutaussehend.
„Du riechst besser“, bemerkte Angelica, als sie zu ihm hochsah. Sie klopfte mit dem Bleistift auf die Zeichnung und fragte: „Können wir Dean erreichen, damit ich ihm dieses Bild zeigen kann?“
„Ich habe ihn heute Nacht kurz in der Villa des Alphawerwolfs gesehen. Aber er scheint so schnell zu kommen und zu gehen, dass es einfacher wäre, es einfach Kane zu zeigen“, schlug Zachary vor, als er über die Lehne des Sofas sprang, um sich neben sie zu setzten. Dann nahm er das Papier aus ihrer Hand und betrachtete die Zeichnung genau. „Kane sagte, dass Misery weiblich ist.“
„Das habe ich befürchtet“, seufzte Angelica. „Wenn es nicht derselbe Dämon ist, den sie aus der Höhle befreit haben… dann fürchte ich, dass Misery nicht der einzige Dämon in der Stadt ist.“
„Wieso sagst du das?“, fragte Zachary.
Anstatt ihm zu antworten, machte Angelica genau das, wovon sie gedacht hatte, dass sie es nie tun würde. Sie wandte sich ihm zu und packte Zachary, beugte sich zu ihm. Als Zachary sofort versuchte, sie zu küssen, senkte sie ihren Kopf, sodass er stattdessen ihre Stirn küsste. Dann ließ sie die Erinnerungen an den Traum in ihren Gedanken los.
Zachary zuckte zusammen, als er sich plötzlich in ihrem Albtraum wiederfand. Als die flimmernden Bilder schließlich langsam verblassten und Angelica sich zurücklehnte, öffnete Zachary seine Augen und flüsterte: „Wow… das war ein ziemlich verrückter Traum.“
Angelica nickte. „Ja, vor allem für jemanden, der noch nie einen Traum hatte, in meinem ganzen Leben.“

*****

Kriss hatte alle Orte abgesucht, wo er dachte, dass sich ein verängstigter Gefallener Engel, der so lange eingesperrt gewesen war, dass er nicht einmal daran denken wollte, sich verstecken könnte. Er suchte nicht wirklich nach dem Gefallenen Engel… er suchte nach Dean. Nachdem er die ganzen Kirchen und alle Gegenden der Stadt, um die das Böse einen großen Bogen machte, satt hatte, dämmerte es ihm, dass er vielleicht auf der falschen Spur war. Es war ja nicht so, als würde er denjenigen den er verfolgte, sehr gut kennen.
Von einem Extrem zum anderen wechselnd, machte sich Kriss auf den Weg ins Stadtzentrum. Nach nur wenigen Stunden wurde er belohnt, als er einen kurzen Blick auf die Kreatur erhaschte, wie sie über die Dächer rannte und von einem Gebäude zum nächsten sprang.
Mit etwas Abstand folgte Kriss während er die helle Farbe des Gefallenen Engels begutachtete, ebenso wie die schneeweißen Flügel, die Menschen nun nicht erkennen konnten, aber er schon. Er legte seinen Kopf zur Seite, als der andere über seine Schulter blickte, als spürte er, dass er verfolgt wurde.
Als der Gefallene Engel seine Aufmerksamkeit wieder auf die Straßen unter ihnen richtete, bekam Kriss das Gefühl, dass er heute Nacht nicht der einzige war, der auf der Jagd war.
„Wen genau suchst du?“, flüsterte Kriss leise, während er ihm noch ein paar Häuserblocks weiter folgte. Nachdem er um eine Ecke gebogen war, kam Kriss ruckartig zum Stehen, als der andere Mann plötzlich an der Kante eines Gebäudes stand… ihm zugewandt. Es waren seine aggressive Haltung und der wilde Blick in seinen silbernen Augen, die Kriss innehalten ließen.
Einen Moment lang bewegte sich keiner der beiden. Kriss nützte die Zeit, um seine Macht zu konzentrieren und in die Seele des anderen Mannes zu sehen. Als das Bild seiner Seele besser sichtbar wurde, erwartete Kriss, das glitzernde, silberne Flimmern eines Vollbluts zu sehen, aber zu seiner Überraschung war die Seele dieses Gefallenen Engels verdorben. Seine Augen weiteten sich, als ihm klar wurde, dass dieser Mann ein Hybrid war.
Also das war es gewesen, was er gespürt hatte, als die Kreatur aus der Kirche hervorgeschossen war. Kriss versuchte, herauszufinden, ob dieser Hybrid so schlimm war, wie der echte Dämon, mit dem er eingeschlossen gewesen war. Er fühlte sich, als wäre eine Tür vor seiner Nase zugeschlagen worden, als seine Sicht zurückgedrängt wurde, und Kriss blinzelte. Die einzige andere Person, die er je getroffen hatte, die ihn davon abhalten konnte, in seine Seele zu blicken, war Dean.
Kriss atmete tief ein und dann langsam wieder aus und beschloss, dass es nur eine andere Möglichkeit gab, es herauszufinden. Gerade als er den ersten Schritt vorwärts machte, schenkte ihm der Gefallene Engel ein Lächeln, das bei weitem nicht freundlich war, und machte einen Schritt zurück, sodass er verschwand, als er über die Dachkante hinunter und aus seinem Sichtfeld fiel.
Kriss knurrte und nahm die Einladung dankend an, rannte vorwärts und hechtete über die Dachkante, um ihm zu folgen. Ehe er den Asphalt vier Stockwerke tiefer erreichen konnte, krachte etwas in seine Seite, und er fühlte, wie sich Arme fest um ihn schlangen.
„Nein“, zischte Dean, als er Kriss mitten in der Luft packte.
„Ich dachte, du wolltest ihn finden und fangen“, rief Kriss nun richtig wütend. Er suchte seit Tagen nach Dean und es machte ihn zornig, dass Dean offensichtlich nahe genug gewesen war, um zu wissen, dass er da war, aber sich ihm nicht gezeigt hatte.
„Er ist kein Hase“, sagte Dean bissig, während sie in der Luft umkehrten und zum Dach des Gebäudes zurückflogen. „Außerdem beobachte ich ihn schon seit einer Weile, und möchtest du wissen, was er getan hat?“
„Was?“, fragte Kriss mit gerunzelter Stirn.
Dean machte sofort einen Schritt von ihm zurück, um etwas Abstand zu gewinnen. „Er verfolgt Misery, die Dämonin, die ihn in der Höhle gefangen gehalten hat.“
In diesem Moment teilten sich die dünnen Wolken über ihnen, sodass einige Strahlen des Mondes auf sie scheinen und die Schatten erzeugen konnten, die ihre wahre Identität verrieten. Dean musste von Kriss' Perfektion wegschauen… er musste immer wegschauen.
„Nun, vielleicht lässt er uns dabei helfen, es ihr zurückzuzahlen“, meinte Kriss. „Es ist schon lange her, aber gemeinsam könnten wir sie vermutlich besiegen.“
„Ich bezweifle es.“ Dean schielte hinüber in die Richtung, in die der Gefallene Engel verschwunden war. „Jedes Mal, wenn ich in seine Nähe komme, kann ich seine Wut und seine Angst fühlen.“
Kriss starrte in dieselbe Richtung, kannte die Wahrheit. „Vielleicht hat er einen guten Grund, uns zu fürchten.“ Er wollte gerade erwähnen, dass der andere ein Hybrid war… kein reinblütiger Gefallener Engel, aber Dean unterbrach ihn.
„Das ist egal, denn er vertraut uns nicht.“ Dean trat wieder zurück an die Dachkante und blickte über die Stadt.
Er wusste, dass Kriss dachte, dass er alles durchschaut hatte. Also war dieser Gefallene Engel kein Vollblut… er war es beinahe, und das zählte. Dean hatte in den letzten Tagen mehrmals in seine Seele geblickt, und das Böse, das die meisten Hybriden zu Dämonen machte, fehlte. In Deans Augen machten ihn das zu einem von ihnen. Wenn er es sich genau überlegte, sollte er Kriss diese kleine Sache vielleicht noch mitteilen.
„Er ist mehr Vollblut als Hybrid, weißt du. Seine Seele ist anders als unsere, aber das Böse lebt dort nicht… im Moment ist sie nur voller Angst, Misstrauen und Sehnsucht. Ich hoffe, dass du dich nicht so sehr verändert hast, dass du das Gute in ihm nicht sehen kannst.“
Er wusste, dass Kriss nie böswillig Hybride gejagt und zerstört hatte, ohne einen guten Grund dafür zu haben. Kriss war einer der letzten Gefallenen Engel gewesen, die hierhergeschickt worden waren, lange nachdem die Dämonenkriege geendet hatten… war in diese Welt verbannt worden, nur um einen Teil der männlichen Population loszuwerden. Kriss wusste das nicht, aber Dean war viel, viel älter als er.
Dean war einer der Anführer der Rebellion gewesen, die den Dämonenkrieg beendet hatte… hatte sogar einige der Reinblüter in die Unterwelt geschickt, für ihr sinnloses Massaker an Hybriden, die nicht dämonisch waren. Einige Dinge waren Sünden, egal, wie man sie betrachtete.
Kriss erinnerte sich plötzlich daran, wie er Kane umbringen hatte wollen, nur um dann eine zerfetzte, aber merkwürdig reine Seele zu finden. Er hatte nie eine solche Besonderheit gesehen. Wenn Kane ein Mensch oder ein Dämon gewesen wäre, mit so großem Schaden an seiner Seele angerichtet… würde er das reine Böse sein. Er hätte das reine Böse sein sollen. Er fragte sich, ob Dean recht hatte… dass er vielleicht seine Fähigkeit, diese Dinge zu beurteilen, verloren hatte.
Nachdem er so lange unter den Menschen gelebt hatte, hatte er gelernt, dass sogar die besten Absichten immer eine Schattenseite hatten. Er hatte schon längst entschieden, dass der Tod nur für die echte Gestalt des Bösen war, und dass der Rest es sich untereinander ausmachen musste.
„Wie lange willst du ihm nachspionieren?“, fragte Kriss neugierig.
„Bis er einsieht, dass ich keine Gefahr bin“, antwortete Dean kryptisch.
Kriss legte seinen Kopf zur Seite und betrachtete Dean, wobei er mehrere Schusslöcher in seiner Kleidung sah. „Was, zur Hölle, hast du getan? Du riechst nach Rauch und das sind keine Mottenlöcher in deinen Kleidern.“
„Lass mich dich etwas fragen.“ Dean sah Kriss nicht an. „Bist du wirklich wegen mir hier? Oder brauchst du nur eine Ablenkung, weil du deine Gefühle für Tabatha verdrängen musst?“
Kriss streckte seine Hand aus, packte Deans Arm und wirbelte ihn herum, sodass sie einander ins Gesicht sahen. „Wieso musst du immer Streit suchen?“, wollte er wissen.
Dean riss seinen Arm aus Kriss' Griff los. „Vielleicht weil ich in deine Seele blicken kann, wo du blind bist.“
Kriss wandte seinen Blick ab und als er wieder hochschielte, war Dean weg.

*****

Kane öffnete leise Tabathas Schlafzimmerfenster und kroch hinein. Er hatte sie durch das Fenster beobachtet, aber ihm gefiel es nicht, wie er ihre Unruhe fühlen konnte, und die Tatsache, dass er ihre Gedanken nicht lesen konnte, machte ihn verrückt. Alles, was er hören konnte, war ein ganz leises Flüstern aus ihrem Kopf.
Er sah hinauf zur Decke, während er sich fragte, wessen geniale Idee es gewesen war, dass sie die einzige sein sollte, die er nicht belauschen konnte, wenn sie doch die einzige war, die er wirklich hören wollte. Kane behielt die Dunkelheit um sich, während er sich in den Türrahmen der offenen Schlafzimmertür lehnte und zusah, wie sie vom Sofa zur Stereoanlage ging.
Tabatha drehte das Radio leiser. Sie hatte gehofft, dass die Hintergrundmusik ihr helfen würde, damit sich die Wohnung nicht so leer anfühlte, aber es nervte sie nur. Sie vermisste ihren Mitbewohner.
Kriss war schon früher wochenlang verschwunden und sie wusste, dass er auf sich selbst aufpassen konnte, aber das hatte sie nie davon abgehalten, sich Sorgen zu machen. Diese Dämonin, ihre Haut kribbelte schon bei dem Gedanken an sie, hatte Dean in ihrer Falle festhalten können, auch wenn es nur für ein paar Stunden gewesen war. Es war schwer zu akzeptieren, dass es dort draußen Dinge geben konnte, die Kriss ernsthaft verletzten könnten.
Wieder streiften ihre Finger über ihre Schulter und über ihre Brust, wo sie verletzt worden war, aber sie fühlte nichts als makellose Haut. Sie hatte gedacht, dass sie so hinterlistig war, dass sie Kane denken ließ, dass sie seiner Gedankenkontrolle verfallen war… doch war er der, der zuletzt lachte. Und doch, er hatte ihr gesagt, dass sie sich nicht daran erinnern sollte, wie sie Misery gesehen hatte… aber dennoch erinnerte sie sich. Langsam hob sie ihre Finger hoch zu ihren Lippen, wünschte sich, dass sie sich erinnern könnte, was genau Kane mit ihr gemacht hatte.
Vielleicht war sie die ganze Zeit unter seiner Gedankenkontrolle gewesen, aber erinnerte sich aus irgendeinem Grund nur an einen Teil davon. Er hatte gesagt, dass er auf sie aufgepasst hatte… ihr gefolgt war. Tabatha fühlte, wie die kleinen Härchen in ihrem Nacken sich aufstellten und das Zimmer zu schrumpfen schien.
Während sie ihre Finger von ihren Lippen senkte, flüsterte sie: „Kane, bist du hier?“
Kane umklammerte den Türrahmen, um sich davon abzuhalten, zu ihr zu gehen, aber keine Macht der Welt konnte verhindern, dass er antwortete: „Ja.“
Seine Stimme klang so gepresst, dass Tabatha herumwirbelte, nach ihm suchte. Sie fühlte irgendetwas zwischen Enttäuschung und Angst, als sie ihn nicht direkt hinter ihr stehen sah. „Bin ich so böse, dass du dich vor mir verstecken musst?“ Ihr Atem ging ein wenig schneller und sie fragte sich innerlich, ob sie gerade mit dem Feuer spielte.
Kane ließ die Dunkelheit von seiner Gestalt gleiten und beobachtete sie, als ihr Blick auf ihm landete. „Vielleicht bin ich der Böse.“
Tabatha schluckte. Er sah ein wenig gefährlich aus, so wie er in der Tür zu ihrem Schlafzimmer stand… das musste sie zugeben. „Vielleicht würdest du dich weniger böse fühlen, wenn du an der Tür geklopft hättest“, überlegte sie, während sie sich fragte, wie lange er schon in ihrer Wohnung war. Als sie fühlte, wie ihre Knie weich wurden, drehte sie sich um und zwang sich dazu, ruhig zum Sofa zu gehen und sich hinzusetzen.
„Hättest du mich hereingelassen?“, fragte Kane neugierig, als er das Zimmer betrat. Er bemerkte, wie sie sich umdrehte und die Füße auf das Sofa hob, sie an sich zog, während sie sich an die gepolsterte Armlehne lehnte.
„Ich weiß es nicht“, antwortete Tabatha. „Bist du zum ersten Mal hier?“
„Nein.“ Kane machte sich nicht die Mühe, sie anzulügen. Wieso sollte er lügen, wenn er sie einfach dazu bringen könnte, zu vergessen, dass er überhaupt hier war?
„Dann lasse ich dich herein. Setz dich.“ Sie zeigte auf das andere Ende des Sofas. Wenn er hier war, um sie zu verletzen, dann hätte er es schon längst getan… nicht wahr? Sie beobachtete, wie er sich langsam bewegte, während er ihrer Aufforderung folgte. Es war eine Lüge… sie hatte gesehen, wie schnell er sich bewegen konnte, wenn er wollte. Er bemühte sich, sie nicht zu verschrecken, und das machte sie nur noch nervöser.
Kane hob eine Augenbraue. „Behandelst du alle, die dir nachspionieren so?“, fragte er ernst. „Lädst sie zu Tee und Keksen ein?“
Tabatha schüttelte ihren Kopf. „Ich trinke keinen Tee und ich hasse Kekse. Eine Tasse Kaffee und ein Brötchen genügen mir.“
Kane lächelte sie schwach an. „Woher weißt du, dass ich dir nichts zuleide tun werde?“
„Wenn du mir etwas antun wollen würdest, dann hättest du es schon längst getan“, antwortete Tabatha, sprach ihren Gedanken von vorhin aus. Als sie noch einmal darüber nachdachte, fügte sie hinzu: „Obwohl ich sagen muss, dass ich eine Tendenz erkenne, dass ich immer verletzt werde, wenn du in der Nähe bist.“
Kane zuckte innerlich zusammen während er sich am anderen Ende des Sofas niederließ, sich ihr zuwandte und den Rücken an die Armlehne lehnte. Er legte sein rechtes Bein auf das Sofa, winkelte es ab und saß im halben Schneidersitz mit einem Arm vor seinem Bauch.
„Also Liebes, sag, wieso hast du mich hereingelassen?“, fragte Kane.
„Wieso bist du hier?“ Tabatha umging die Frage.
Kane grinste. „Du weißt schon, dass es unhöflich ist, eine Frage mit einer Gegenfrage zu beantworten.“
Tabatha wurde einen Augenblick lang überrascht von der Art, wie sein Grinsen seine Gesichtszüge leicht veränderte, sodass er genauso gefährlich und verführerisch aussah, wie er nach ihrer Vorstellung war.
„Das kann schon sein“, sagte Tabatha nachdenklich. „Aber ich bin diejenige, der du nachspioniert hast, und ich möchte wissen, wieso.“
Kane zuckte die Schultern. „Weil ich es möchte.“
Tabatha schenkte ihm einen bösen Blick. „Weil du möchtest?“
Kane legte seinen Kopf zur Seite. „Wieso macht ein Vampir irgendetwas?“
Tabatha öffnete ihren Mund, schloss ihn und öffnete ihn wieder, ohne eine Antwort zu finden.
„Weil er will“, antwortete Kane für sie.
Tabatha seufzte. „Schau, wenn du mir nicht die Wahrheit sagen willst, dann kann ich dich nicht dazu zwingen. Aber wenn wir Freunde sein wollen, müssen wir zumindest eine Wahrheit übereinander wissen.“
Kanes Augenbrauen hoben sich und er lächelte richtig. „Ach, also spielen wir jetzt Pflicht oder Wahrheit?“
Tabatha errötete, als sie sich an die wenigen Male erinnerte, wo sie dieses Spiel in der Schule gespielt hatten… wenn wir schon von peinlichen Situationen reden. „Ohne die Pflicht und du wirst zuerst antworten“, flüsterte sie.
Kane nickte. „In Ordnung. Nachdem ich dir nachspioniert habe, werde ich mich an deine Regeln halten.“
Tabatha fühlte ein unangenehmes Kribbeln in ihrem Magen, weil er so einfach zugab, dass er ihr nachspioniert hatte. „Wieso mag Kriss dich nicht? Er will mir nicht sagen, wieso.“
„Weil du nicht ihm gehörst“, antwortete Kane ein wenig zu schnell.
„Was für eine Antwort ist das?“, fragte Tabatha scharf.
„Du bist dran“, erklärte Kane.
Tabatha brummte: „Gut.“ Dann spannte sie sich an, wusste nicht, was sie erwartete.
„Magst du Hunde?“
Tabatha blinzelte. Diese Frage war so ungefähr das Allerletzte, was sie erwartet hätte. Sie entspannte sich und lächelte liebevoll. „Ich liebe sie. Als ich klein war, hatten wir einen kleinen Yorkshire-Welpen, aber er ist weggelaufen. Ich bin nie wirklich darüber hinweg gekommen… ich vermisse ihn immer noch manchmal.“
Kane erwiderte ihr Lächeln als ihre Blicke sich trafen. „Dann musst du meinen Yorkshire Terrier mal kennenlernen… er heißt Scrappy.“
Eine Gänsehaut breitete sich über Tabathas ganzen Körper aus, und sie sprang buchstäblich aus ihrem Sitz auf, als das Telefon klingelte. Sie eilte hinüber zu dem Gerät um abzunehmen, hoffte, dass es Kriss war, der anrief. Als sie den Hörer nahm, drehte sie sich um, um Kane anzusehen, aber er war verschwunden, ohne jegliche Spur, die darauf hinweisen könnte, dass er je dagewesen war.
Sie lief schnell in ihr Schlafzimmer, aber auch dort fand sie nichts. Mit einem Seufzen hielt Tabatha den Hörer an ihr Ohr. „Hallo?“ Sie zog den Kopf ein, als sie Jasons Stimme hörte.
„Was ist mit dir geschehen? Du verschwindest einfach und rufst nicht an, um zu sagen, wieso?“ Jason ging nervös auf und ab. „Verdammt, Tabby. Ich sterbe fast vor Sorge.“
Tabatha lächelte vor sich hin. Irgendwie fühlte sie sich wieder normaler, wenn sie von Jason angeschrien wurde. Sie rechnete schnell nach, während sie begann, zu erklären, was geschehen war, ohne irgendeinen Hinweis auf etwas Paranormales zu geben.
Kane schob die Äste eines Busches ein Stück zur Seite, während er zusah, wie Tabatha sich zum ersten Mal, seit Trevor sie hier abgeliefert hatte, entspannte. Seine Lippen verzogen sich zu einem schwachen Lächeln, als sie der Person, mit der sie telefonierte, die Wahrheit erzählte, während sie gleichzeitig wir verrückt log. Sein Lächeln verblasste und sein Gesicht zeigte seine Sehnsucht. Was würde er dafür geben, dass sie ihn so sorglos anlächelte. Er wusste, dass es Zeit war, zu gehen, und zog sich zurück… er konnte fühlen, dass Kriss sich näherte.
„Warte kurz Jason.“ Tabatha runzelte die Stirn, als sie das merkwürdige Gefühl bekam, dass sie beobachtet wurde. Als sie zum Fenster sah, erstarrte sie, als sie Kriss dort stehen und sie beobachten sah. „Jason, wir reden morgen, ja?“ Sie drehte sich um, um das Telefon wegzustellen, aber als sie wieder zum Fenster sah, war Kriss weg.

Kapitel 3
Frau Tully schüttelte ihren Kopf, als sie aus Micahs Zimmer kam und die Tür hinter sich schloss, ehe sie sich der Menge zuwandte, die sich im Flur versammelt hatte. „Es geht ihm gut… er schläft noch, aber er es geht ihm gut.“
„Dann wird er wieder ganz gesund?“, fragte Quinn skeptisch.
Frau Tully bezog Stellung zwischen ihnen und der Tür. „Es bedeutet, dass es so aussieht, als wäre er schon wieder völlig gesund. Er hat keinen Kratzer.“ Sie machte einen Schritt zurück und streckte ihre Arme zu beiden Seiten, um einen Schranken zu erzeugen, als sie versuchten, an ihr vorbeizuschlüpfen um es mit eigenen Augen zu sehen.
„Nein“, sagte sie streng. „Im Augenblick will ich, dass er nicht gestört wird. Er schläft tief, und das könnte Teil der schnellen Heilung sein. Wenn ihr ihn aufweckt, bevor er von selbst aufwacht, könnte das was auch immer für eine Magie beeinflussen, die ihn geheilt hat.“
„Magie?“, fragte Jewel verwirrt. Sie begann langsam zu verstehen, woher die Redewendung 'man lernt nie aus' kam.
„Magie oder Wunder… für mich ist das alles dasselbe“, erklärte Frau Tully, während sie dem Neuzugang der Puma-Familie ein Lächeln schenkte.
„Schon gesund?“, fragte Steven ungläubig, dann hob er seinen Arm, der noch immer in einer Schlinge hing, ein wenig an und zeigte darauf. „Das hier schmerzt noch wie die Hölle, und ist bei weitem noch nicht verheilt.“
„Dies ist nicht der richtige Moment, um eifersüchtig auf das Glück deines Bruders zu werden.“ Frau Tully zeigte mit dem Finger auf Stevens Zimmer. „Vielleicht würde es dir schon besser gehen, wenn du auf deinen Arzt hören und im Bett bleiben würdest.“
Steven drehte den Kopf und sah hinunter auf Jewel. „Bett klingt fantastisch.“
Jewels Augen wurden groß und ihr Gesicht nahm zehn verschiedene Rottöne an, sodass Steven grinste.
Frau Tully schüttelte nur ihren Kopf über die frisch Vermählten, wusste, dass Liebe eines der besten Heilmittel war, die es gab. In wenigen Tagen würde es ihm wieder glänzend gehen… er würde erschöpft sein, aber gesund.
„Ich werde sicherstellen, dass er nicht gestört wird“, erklärte Quinn, während er sehnsüchtig in die Richtung seines eigenen Schlafzimmers schielte, wo er Kat schlafend zurückgelassen hatte.
„Du kannst auch gleich ins Bett gehen“, scheuchte ihn Frau Tully weg.
Hoffentlich würde es ein paar Stunden dauern, bevor einer der Brüder wieder zum Luftholen auftauchte. Insgeheim fragte sie sich, wer Micahs Schutzengel war, und woher sie einen bekommen konnte. Als der Flur wieder leer war, schenkte sie Micahs Tür noch einen kurzen Blick, ehe sie den Club wieder verließ.

*****

Alicia fühlte seine Hand auf ihrer Schulter, die ihre nackte Haut streichelte, und sie drehte sich zu ihm um, wodurch sie den hitzigen Blick in Damons violetten Augen sah, während sie sich an ihn schmiegte. Er war angezogen… ganz in schwarz. Sein Haar war durcheinander und hatte noch nie so sexy ausgesehen. Sie hob ihre Hand und fuhr mit ihren Fingern durch seine dunklen Locken. Seine Lippen folgten ihrer Bewegung, küssten die sensible Stelle an ihrem Handgelenk, dann schenkte er ihr mit einem teuflischen Grinsen einen kurzen Blick auf seine langen Eckzähne.
Sie atmete tief ein und rollte von ihm weg… nur um in Michaels Umarmung gefangen zu werden. Als sie ihre Lippen vor Überraschung öffnete, senkte Michael seinen Kopf zu einem fordernden Kuss, der ihr den letzten Atem raubte. Seine Finger waren mit ihren verschränkt, so wie er sie in die weiche Matratze drückte und über ihr schwebte, während er ihren Mund mit einem tiefen Kuss liebte.
Sie fühlte eine heiße Hand auf ihrem Oberschenkel… die langsam nach oben und unter ihr langes T-Shirt glitt. Sie wusste, dass es nicht Michael war, denn seine Hände waren in ihren. Als Michael sie aus dem Kuss entließ, um eine heiße Spur über ihren Hals zu ziehen, drehte sie ihr Gesicht zur Seite, und erkannte, dass Damon noch immer da war… sie aus diesen gespenstischen Augen beobachtete und sie so intim berührte, als wäre Michael völlig egal.
Als sich Damons Finger ihrem Zentrum näherten, steigerte sich auch Michaels Leidenschaft, sodass Alicia sich unter ihm wand, während sie sich gleichzeitig in Damons Richtung drückte… wollte, dass er sein Ziel erreichte. Gerade als Damons Finger federleicht über ihre Schamlippen streiften, atmete Michael seinen heißen Atem in ihr Ohr und Alicia fühlte das Gefühl einer schnellen Abwärtsspirale von klingelnden Krämpfen, als sie kam.
Ruckartig setzte sie sich in ihrem Bett auf und blinzelte. Zuerst sah sie die Silhouette einer Person, die durch ihre Balkontüren starrte, aber als sie wieder klar sehen konnte, war das Bild verschwunden. Sie saß einen Augenblick lang einfach nur da und versuchte, nach dem Traum wieder zu Atem zu kommen, während sie auf die Sonne sah, die nun schon recht hoch am Himmel stand.
Als sie die Arme um sich selbst schlang, erkannte Alicia, wie heiß ihre Haut war, und wie sich die Decke auf ihr anfühlte, wenn sie sich bewegte. Es war wie ein Streicheln auf ihrer übersensiblen Haut, und als die Bilder des Traums sie plötzlich wieder heimsuchten, kroch sie schnell unter der Decke hervor und stellte sich neben das Bett.
Sie schaute auf die unschuldige Decke hinunter, als hätte diese ihren Verstand verloren, dann versuchte sie, ihren eigenen wiederzufinden.
Vielleicht wurde sie gar nicht läufig, vielleicht hatte sie nur ein wenig Fieber bekommen, durch die Verletzungen, die sie erhalten hatte, als sie kürzlich hinterm Moon Dance angegriffen worden war, und das hatte den erotischen Traum hervorgerufen. Sie blies einige Haarsträhnen aus ihren Augen und wünschte sich, dass es einfacher wäre, sich selbst anzulügen. In jedem Fall machte es im Moment nichts aus, denn sie hatte keine Zeit, sich darum zu kümmern.
Sie schielte noch einmal zurück zu der Glastür und fragte sich, wie sie so lange schlafen hatte können, wenn sie doch Micah noch gar nicht gesehen hatte. Schnell holte sie einige Kleidungsstücke aus ihrem Koffer, schlüpfte aus ihrem Zimmer, während sie betete, dass sie niemandem über den Weg laufen würde, und lief zu dem großen Badezimmer, das sie letzte Nacht entdeckt hatte.

*****

Micah öffnete langsam seine Augen, fühlte sich, als hätte er jahrelang geschlafen. Sein erster Instinkt war, sich nicht zu bewegen, denn er wusste, dass es Schmerzen verursachen würde, aber die Erinnerungen an letzte Nacht waren zu beängstigend und ehe er sich davon abhalten konnte, setzte er sich auf. Er sah sich im Zimmer um und hielt inne, als er auf sein eigenes Spiegelbild starrte. Die Verbände waren weg… ebenso wie der Schmerz.
Nachdem er vorsichtig aus dem Bett gestiegen war, ging Micah zum Spiegel und rieb seine Augen, fragte sich, ob er Wahnvorstellungen hatte. Als er seine Hand senkte, um sie auf die Kommode zu stützen, stieß er an einen Fotorahmen, sodass dieser hinunterfiel. Mit seinen schnellen Reflexen fing er ihn auf, bevor er den Boden erreichen konnte, und hob das Bild vor sein Gesicht.
Er starrte auf das Mädchen, das ihn aus leuchtend blauen Augen ansah. Sie lächelte nicht, aber das machte ihre Schönheit nicht weniger auffällig. Ihr langes, blondes Haar hing in leichten Wellen um ihren melancholischen Gesichtsausdruck.
Er konnte andere in den anderen Zimmern hören, aber ihm fiel nur eine Person ein, die er wirklich dringend sehen wollte… Alicia. Und sie war bei Michael. Er wusste nicht, woher er das wusste, aber er wusste es. Michael war auch der Grund, weshalb sich niemand daran erinnert hatte, dass sie letzte Nacht in der Villa gewesen war.
Micah stellte das Foto sorgfältig wieder zurück auf die Kommode und zog sich leise an, dann öffnete er das Fenster. Als er auf dem harten Asphalt unter seinem Fenster landete, fühlte er, wie seine Muskeln den Stoß geschmeidig abfederten und hielt inne, als er sich fragte, wie es sein konnte, dass er sich jetzt besser fühlte, als bevor er in Anthonys kleine Folterkammer geworfen worden war. Er nahm an, dass er es bald herausfinden würde, und machte sich schnell auf den Weg zu Michaels Haus, um sicherzugehen, dass es Alicia gut ging.

*****

Michael öffnete seine Augen, sah nichts als blauen Himmel und blinzelte. Er war wieder am Dach der Kirche eingeschlafen. Als er sich aufsetzte, erkannte er gerade noch Micah, der sich der Haustüre näherte. Der Gang des Pumas zeigte eine heimliche Eleganz, von der die meisten Wertiere nur träumen konnten. Er schloss seine Augen und dankte jeglichem Gott, der gerade zuhören wollte, dann zuckte er zusammen, als eine Stimme direkt hinter ihm ertönte.
„Die Vorstellung findet dort drüben statt… wieso sind wir hier?“, fragte Kane grinsend.

*****

Damon schlüpfte in ein schwarzes Hemd, machte sich nicht die Mühe, es zuzuknöpfen. Er fuhr sich schnell mit den Fingern durch sein Haar, öffnete die Tür seines Schlafzimmers und lehnte sich in den Türrahmen, von wo aus er den Flur überblicken konnte. Er konnte jedes Geräusch hören, dass sie in der Dusche machte, aber das faszinierte ihn bei weitem nicht so, wie die Laute, die sie vor kurzem in ihrem Schlaf von sich gegeben hatte. Er fragte sich, ob sie je bedacht hatte, dass ihre Betten nur durch eine dünne Schicht Lehmziegel getrennt waren.
Er knurrte über die Unterbrechung seiner Gedanken, als er unten ein Klopfen hörte. Schnell machte er sich auf den Weg nach unten, entschlossen, den uneingeladenen Gast so schnell wie möglich loszuwerden. Es wäre nicht das erste Mal, dass er jemanden so sehr erschreckte, dass er nicht bleiben wollte.
Nachdem er die Tür aufgerissen hatte, hob Damon eine Augenbraue, als er den Fremden fragte: „Was?“
„Du bist nicht Michael.“ Micah runzelte die Stirn, als er den Mann erkannte, der letzte Nacht bei seiner Schwester gewesen war. Er hatte gedacht, dass Michael alleine wohnte. Den Mann dort halb angezogen zu sehen, wie er die Tür mit seinem Körper versperrte, erzeugte in Micah das dringende Bedürfnis sicherzugehen, dass er nicht gerade aus demselben Bett gekrochen war, in dem auch seine Schwester schlief.
„Okay, du auch nicht“, sagte Damon kalt.
Micah fühlte, wie seine tierische Seite an die Oberfläche drängte. „Wo ist Alicia?“
So wie er Alicias Namen aussprach dämmerte es Damon plötzlich, wer auf seiner Türschwelle stand. Letzte Nacht war das Gesicht des Pumas geschwollen, blau und blutig gewesen… hatte dem Rivalen, dem er nun die Tür vor der Nase zuschlagen würde, in keiner Weise geähnelt.
Damon musterte Micah mit kritischem Blick von Kopf bis Fuß und entschied, dass er sich darüber gerade nicht den Kopf zerbrechen wollte. „Sie ist verhindert. Komm morgen wieder.“ Er schloss die Tür, aber der größere Mann war schneller, als er erwartet hatte, und war im Zimmer, bevor sie ins Schloss fiel.
„Ich kann sie riechen“, knurrte Micah, wurde langsam wütend. „Alicia!“, rief er, dieser Mann wurde ihm mit jedem Augenblick unsympathischer. Er wusste, dass der Typ Teil der Rettungsmission letzte Nacht gewesen war, aber das würde ihm nicht viel helfen, wenn er ihm nicht sagte, wo Alicia war.
Micah machte sich auf den Weg die Treppe hoch, aber plötzlich stand Damon ein paar Stufen über ihm und starrte auf ihn hinunter. Ihre Blicke trafen sich und Micah fühlte eine Sekunde lang eine unsympathische Angst… zumindest bis er das Mädchen, das nur mit Handtuch bekleidet war, über die Treppe hinunter zu ihm laufen sah.
Alicia hatte Micah ihren Namen rufen gehört und nachdem sie so aufgeregt war, hatte sie sich nicht die Zeit genommen, sich anzuziehen, hatte sich einfach das erstbeste Handtuch geschnappt und war in Richtung der Stimme geeilt. Als sie um die Kurve bog, begannen ihre Augen zu leuchten, als sie ihn dort stehen sah, und er so aussah, wie er es immer getan hatte… fantastisch.
„Micah“, flüsterte sie, und wollte fast in Tränen ausbrechen. Erst waren ihre Schritte noch langsam, aber je näher sie kam, umso schneller rannte sie, bevor sie sich letztendlich vertrauensvoll in seine Arme warf, sodass sie beide beinahe rückwärts über die Treppen hinunterstürzten.
Damon drehte sich in dem Moment um, wo er sah, wie Micahs Blick sich freudig auf etwas hinter ihm richtete. Er war sprachlos, als er sie dort stehen sah, wie sie das Handtuch um sich gewickelt hielt… ihr Haar tropfnass, sodass einige Tropfen auf den Holzboden fielen. Er verschränkte seine Arme über seiner Brust und lehnte sich an die Wand, während sein Blick ihr an ihm vorbei und zu dem Mann, den sie liebte, folgte.
Damon senkte seinen Kopf, ließ seine Haare in sein Gesicht fallen, sodass seine Augen verborgen wurden. Sein Blick wurde gefährlich, als sie ihre Arme um Micah schlang, sodass der Ausdruck 'sich jemanden an den Hals werfen' plötzlich sehr viel Sinn ergab. Die Götter mussten noch ein wenig Mitleid mit ihm gehabt haben, dass sie nicht auch noch ihre Beine um die Hüfte des Mannes schlang… obwohl das Bild von dem Handtuch, wie es hochrutschte, unbezahlbar gewesen wäre.
Micah legte seine Arme um Alicia und hob sie hoch in eine enge Umarmung. Er schloss seine Augen und hielt sie einen Moment lang einfach nur fest. Das Erste, was er bemerkte, war, dass ihre Haut heißer war als seine. Er drückte sein Gesicht in ihre Halsbeuge und fragte sich, ob sie Fieber hatte.
Das war nur noch etwas, wofür er Quinn die Schuld geben wollte. Er war kaum zwei Wochen weggewesen, und sie hatten zugelassen, dass sie krank wurde. Micah runzelte die Stirn, denn er konnte sich nicht daran erinnern, dass Alicia schon jemals krank gewesen war.
„Hast du Fieber?“, fragte er, während er sie wieder auf ihre Füße stellte. Er lächelte, als er sah, dass sie noch immer kleiner war als er, obwohl sie eine Stufe höher stand, aber dann richtete sich sein Blick auf die noch immer nicht verheilte Bissstelle an ihrem Hals. Er schob ihr Haar ein wenig zur Seite, um besser sehen zu können, aber ehe er etwas darüber sagen konnte, brachte sie ihn zum Schweigen.
„Spinnst du?“ Alicia wischte die Tränen weg, die ihre Sicht verwässerten. „Letzte Nacht dachte ich, dass du stirbst… und jetzt?“ Sie legte ihre Hand auf seine Wange, wollte ihn so gerne küssen. „Wie kannst du hier stehen, als wäre nichts gewesen?“
Die Haustür ging auf, und Micah sah über seine Schulter auf Michael und einen blonden Mann, die zu ihnen hoch starrten.
Alicia fragte sich, ob die Götter sich über sie lustig machten, als sie sich genau in diesem Augenblick daran erinnerte, dass sie halb nackt war. Formwandler machten sich normalerweise nicht so viele Gedanken über diese Dinge wie Menschen, aber sie konnte noch immer die Nachwirkung des Traums fühlen, den sie vor wenigen Minuten gehabt hatte.
Als sie Michaels Blick traf, konnte sie die Hitze in seinen Augen sehen, dann hielt sie die Luft an, als er seinen Blick auf ihre Brust senkte.
Micah schob seine Schwester zur Seite, sodass sie hinter seinem Körper vor dem Blick der Männer unten verborgen war. In diesem Moment schielte er über die Treppe hoch zu Damon. Er konnte ihn nun besser sehen als alle anderen. Zu seiner Überraschung starrte Damon nicht auf Alicia. Stattdessen hing sein wütender Blick fest an Micahs Händen, die sie noch immer festhielten.
Als er die stille Drohung spürte, blitzte Gold in Micahs Pupillen auf, während sie größer wurden. Er hatte das Gefühl, dass er wusste, von wem die Bissnarbe, die Alicia trug, stammte.
Es blieb an Kane hängen, zu erkennen, dass Michael wie angewurzelt dastand, während Damon überwog einen Mord zu begehen. Kane suchte schnell nach einer Möglichkeit, die Spannung zu brechen. „Alicia, Liebling… ich glaube, du hast etwas Wichtiges oben vergessen.“ Er grinste.
„Ich gehe nicht weg“, sagte Micah, wobei er Damon nicht aus den Augen ließ. „Zieh dich an, während ich mich mit Michael unterhalte.“
Alicia küsste ihn schnell auf die Wange und drehte sich dann um, um nach oben zu laufen. Sie wäre beinahe gestolpert, als sie Damon nur einen Meter von ihr entfernt sah, sein Hemd offen, ebenso wie sein Hosenknopf, wodurch die Jeans gefährlich tief an seiner Hüfte saßen. Sie fühlte, wie ihre Wangen nur noch mehr erröteten, als der Traum wie ein schmutziger Gedanke in einem braven Kopf wieder aufblitzte.
Der Blick in seinen Augen, als sich ihre Blicke trafen, war finster und gefährlich… und triefte vor sexueller Spannung. Sie hoffte, dass sie es sich nur einbildete, als sie fühlte, wie dieser Blick ihr die Treppe hoch folgte.
Micah war nicht der einzige, der die Interaktion von Alicia und Damon beobachtete. Erst ein Ellbogenstoß von Kane in Michaels Rücken, brachte diesen dazu, seine Aufmerksamkeit wieder auf den Mann, der nun die Treppe herunterkam, zu wenden. Während er die Hand des Pumas schüttelte, nickte er in Richtung des Wohnzimmers. „Ich nehme an, du hast Fragen.“
„Wenn er keine hat, habe ich welche“, erklärte Kane, um alles nur noch schlimmer zu machen. Er hatte sich schon öfters darüber beklagt, dass er die Gedanken anderer Leute hören konnte, aber in Momenten wie diesen hatte er seinen Spaß daran.
Das Lustigste daran war, dass Damon keine Ahnung hatte, dass Micah und Alicia Geschwister waren… obwohl er Damon dazu gratulieren musste, dass er erkannt hatte, dass sie nicht sehr schwesterlich in ihren ahnungslosen Bruder verliebt war. Aber wenn man nach dem Traum, den sie vorhin gehabt hatte, urteilen konnte, dann sollte es Michael oder Damon nicht schwerfallen, sie umzustimmen.
Michael blinzelte, um das Bild von Alicia mit nur einem Handtuch bekleidet aus seinem Kopf zu vertreiben, damit er sich konzentrieren konnte. Er wollte das Offensichtliche so schnell wie möglich aus dem Weg haben. „Ich hatte nicht erwartet, dich so schnell wieder auf den Beinen zu sehen.“
Kane hörte, wie Michaels Puls zunahm und wunderte sich darüber. Als er versuchte, seine Gedanken zu belauschen, wurde er enttäuscht, als er nur Stille hörte. Schön, sein kleiner Michael hatte Geheimnisse.
„Ich habe keine Ahnung“, antwortete Micah ehrlich, und wechselte dann das Thema. „Ich dachte, dass du alleine wohnst.“
Kane verdrehte die Augen, als er Michaels erleichtertes Aufatmen hörte.
Oben rannte Alicia ins Badezimmer, wo sie ihre Kleider gelassen hatte. Sie starrte müßig auf die Unterwäsche, die sie ohne nachzudenken ausgewählt hatte, und beschloss, dass sie nicht gut genug war. Micah hatte versprochen, dass er auf sie warten würde, und sie vertraute ihm, also ging sie wieder in ihr Zimmer, um etwas Hübscheres zu suchen. Dann föhnte sie auch noch ihr Haar und trug ein wenig Make-Up auf, ehe sie zufrieden mit sich war.
Als sie in den Spiegel sah, musste sie feststellen, dass ihre Wangen immer noch deutlich gefärbt waren, und dass ihre Augen übermäßig glänzten. Sie winkte mit ihrer Hand, als wollte sie diese Tatsachen weglöschen und versuchte sich einzureden, dass es nur war, weil sie so froh war, dass ihr Bruder wieder zurück und irgendwie sogar gesund war.
„Das sollte besser alles sein“, murmelte Alicia nervös, versuchte sich vorzumachen, dass ihre erste Diagnose falsch gewesen sein könnte. Das Allerletzte, was sie im Moment brauchen konnte, war in einem Haus voller attraktiver Männer zu sein, während sie läufig war. Es kam nicht oft vor, aber wenn eine Formwandlerin läufig wurde, ohne einen Partner zu haben, dann hatte die Frau zwei Optionen… sich selbst einzusperren, und zu leiden, bis es wieder wegging, oder ein paar One-Night-Stands zu haben, bis es vorbei war. Zumindest hatten die Mädchen, mit denen sie im Internat gewesen war, ihr das erzählt.
„So oder so.“ Alicia hob eine Augenbraue, als sie ihr Spiegelbild ansah. „Aus diesem Haus auszuziehen ist das Beste für alle Beteiligten.“
Nachdem sie all ihre Sachen wieder in den Koffer gepackt hatte, beschloss Alicia, dass sie ihn gleich mit hinunter nehmen konnte, denn sie würde mit ihrem Bruder gehen. Sie würde die Freiheit vermissen, aber sie lächelte liebevoll, wusste, dass sie wieder in Micahs Nähe sein würde. Noch immer in ihren Gedanken verloren verließ sie ihr Zimmer und ging zur Treppe, nur um, als sie um die Ecke bog, in etwas zu laufen, das sich wie eine Ziegelmauer anfühlte.
Damon streckte seine Hand aus, und schlang seinen Arm um Alicias Hüfte, zog sie fest an sich, um zu verhindern, dass sie über die Treppe flog. Nachdem er schlechter Laune war, hatte er diese kleine Begegnung geplant, und wenn es nur war, um sich selbst eine Sache zu beweisen… dass er nicht der einzige war, der das Prickeln fühlte. Er wollte, dass sie das wusste, bevor Micah sie aus seiner Reichweite entfernte.
In dem Moment, als er sie berührte, konnte er hören, wie ihr Herz zu rasen begann. Für ihn genügte das, um sich berechtigt zu fühlen, seine Hand unter den Saum ihres kurzen T-Shirts zu schieben, und ihre weiche Haut zu streicheln, als er sie wieder aufrichtete. Er musste zugeben, dass Micah recht hatte, mit dem Fieber.
Alicias Lippen öffneten sich und sie atmete zischend ein während sie in Damons Gesicht hochsah, als sie jeden Zentimeter von ihm an ihrem Körper fühlte, und es genoss. Er war wütend auf sie… sie konnte den Zorn in seinen Augen sehen. Und recht hatte er. Sie hatte versucht, ihn umzubringen… und als Dank dafür hatte er ihr das Leben gerettet. Sie schuldete Damon so viel, und es wäre nicht in Ordnung, einfach mit Micah wegzugehen, ohne ihm zu sagen, wie dankbar sie wirklich war.
Sie würde in wenigen Minuten verschwinden und alleine das gab ihr den Mut, den sie brauchte. Alicia stellte sich auf ihre Zehenspitzen, um einen weichen Kuss auf Damons Lippen zu setzen, wobei sie sich fragte, ob es sich für ihn ebenso anfühlte, wie für sie. Er roch wunderbar und seine Haut war weich und kühl an ihren überhitzten Lippen.
„Danke“, flüsterte sie, als sich ihre Lippen wieder entfernten.
„Wofür?“, fragte Damon, der völlig aus der Bahn geworfen worden war.
„Dass du mich wieder gerettet hast.“ Sie lächelte.
Einen Augenblick lang fühlte Damon, wie sich das schwere Gewicht, das auf seiner Brust gelastet hatte, sich hob… bis sie es wieder ruinieren musste.
„Und dafür, dass du mir geholfen hast, Micah wieder zurückzubringen.“ Alicia nahm ihren Koffer wieder in die Hand und wollte an ihm vorbeigehen, aber zu ihrer Überraschung ergriff Damon ihre Oberarme und drückte sie rückwärts gegen die Wand. Er lehnte sich tief über sie, und sie beobachtete seine dunklen Wimpern, als er seinen Blick auf ihre Lippen senkte.
„Wenn du Belohnungen austeilst, dann lass uns den Einsatz erhöhen.“ Damon drückte seine Lippen auf ihre, zeigte ihr den Unterschied zwischen dem Kuss, den sie ihm gegeben hatte, und dem, den er brauchte. Er stellte sicher, dass es einer war, an den sie sich nächtelang erinnern würde.
Damon erwartete, dass sie ihn wegstoßen würde, oder versuchen, sich loszureißen. Nachdem sie keines von beidem tat, vertiefte er den Kuss nur noch, fühlte, wie sich in seinem Kopf alles zu drehen begann. Zu seinem Erstaunen erwiderte sie plötzlich seinen Kuss, mit ebenso viel Leidenschaft.
Nachdem er das Gefühl bekam, dass sie seine Strafe gegen ihn verwendete, beendete er den Kuss ebenso schnell, wie er ihn begonnen hatte, und machte einen Schritt zurück… dieses Mal hob er den verdammten Koffer selbst hoch. Er drehte sich um und machte sich auf den Weg die Treppe hinunter, ließ sie wie benommen stehen.
Alicia brauchte ein paar Sekunden, um das Atmen wieder zu erlernen. Sie hatte sich nicht zurückhalten können, als er sie so fordernd geküsst hatte… sie hatte mehr gewollt. Sie wollte immer noch mehr. Verdammt. Was gab ihm das Recht, sie so zu erregen und sie dann einfach stehenzulassen? Sie rieb mit ihren Fingern über ihre Schläfen beschloss, im Zweifel für den Angeklagten zu sprechen. Wenn sie läufig war… würde ein Vampir das auch fühlen?
„Nein“, beantwortete sie ihre eigene Frage. Das war eine Sache unter Formwandlern. Dessen war sie sich sicher.
Damon war schon im Wohnzimmer und saß entspannt neben Michael auf dem Sofa, als Alicia endlich den Mut aufbrachte, nach unten zu gehen. Zumindest sah es so aus, als wäre er entspannt… aber sie wollte ihn ja nicht anstarren. Sie schaute schnell weg, als er ihr dieses verdammte Lächeln schenkte, und wandte ihre Aufmerksamkeit auf Micah, der auf einem riesigen Polstersessel saß. Er hatte sich nach vorne gebeugt, vertieft in eine Unterhaltung mit Michael.
Micah sah auf, als Alicia sich dem Sofa näherte. „Ich habe gehört, Selbstmordattentate sind dein neuestes Hobby. Weißt du, ich war nur zwei Wochen weg.“ Er klopfte auf den Sitz neben sich und legte einen Arm um Alicias Schultern, als sie sich hinsetzte. Nach dem, was Michael ihr gerade erzählt hatte, fragte er sich, wer in größerer Gefahr gewesen war… er oder Alicia.
Alicia nickte und versuchte, ihren Blick nicht auf Damon zu richten. Also schaute sie Michael an und fühlte, wie die Schmetterlinge in ihrem Bauch lostanzten. Sie entschied schließlich, dass von den Vampiren Kane der Sicherste war… obwohl sie bezweifelte, dass ihr dabei jemand zustimmen würde.
„Ich schulde ihnen allen dreien sehr viel.“ Sie versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen, als sie Damons scharfen Blick fühlte. Mit Sehnsucht nach Rache, schenkte sie ihm ein leises Lächeln, sodass er dachte, dass sie es tun würde. Sie fand schnell heraus, wer ein Blickduell gewinnen würde, und konzentrierte sich darauf, was Michael zu ihrem Bruder sagte.
„Die Stadt ist im Moment gefährlich“, bemerkte Damon. Er hatte sie dreimal gerettet, auch wenn sie nur von zwei Malen wusste. Wenn er Michaels und Kanes Rettungen dazuzählte, dann kam er auf fünf Tode, die in den letzten beiden Wochen knapp verhindert wurden. Plötzlich meinte er, dass es keine gute Idee war, wenn sie von ihnen wegging.
„Du hast Recht.“ Micah zuckte seine Schultern, fühlte Damons Beschützerinstinkt. Michael hatte ihm erzählt, dass Damon sein Bruder war, und gekommen war, um seine Hilfe anzubieten. Als er ihn über den Biss auf Alicias Hals befragt hatte, hatte Michael erklärt, dass sie ihn bei einem Angriff hinter dem Moon Dance erhalten hatte. Das bedeutete noch nicht, dass er Damon trauen konnte. Etwas in seinem Blut sagte ihm, dass der Vampir eine Bedrohung war.
Er zog Alicia leicht an sich, während er betete, dass er die richtige Entscheidung traf. Micah wandte sich wieder an den Besitzer des Hauses: „Und daher hoffe ich, dass Alicia noch eine Weile bei euch bleiben kann. Im Augenblick scheint mir das der sicherste Ort für sie zu sein.“
Es war beeindruckend, wie eine einfache Bitte die Atmosphäre in einem ganzen Raum verändern konnte.
„Was?“ Alicia zog sich vor ihm zurück. Wie sollte sie ihrem Bruder erklären, dass im Moment dieses Haus wohl der gefährlichste Platz der Welt für sie war?
Damon hob eine Augenbraue, hoffte, dass er gleich eine tränenreiche Trennung sehen würde. Er war sowieso ein Idiot. Welcher Mann, der noch bei Verstand war, würde seine Freundin in einem Haus voller Männer lassen? Ja, er würde den Idioten mit dem größten Vergnügen zur Tür hinauswerfen… oder zum Fenster. Was gerade am einfachsten war… oder am nächsten.
Als er fühlte, wie sie sich von ihm entfernte, ergriff Micah ihre Schultern und drehte sie zu sich herum. „Alicia, du weißt, dass ich dich von ganzem Herzen liebe, aber denk doch nach.“ Er ignorierte das Knurren, das vom Sofa kam. „Wir haben gerade die Werwölfe angegriffen und ihren Alpha umgebracht. Jeder, der dumm genug ist, nach Rache zu suchen, wird auf unsere Familie aus sein. Außerdem hat mir Michael erzählt, dass du schon von Monstern zerfleischt wurdest.“
Alicia warf Michael einen schnellen 'Vielen-Dank-Auch'-Blick zu, dann sah sie Kane an, als er sein großes Maul öffnete.
„Du scheinst eine große Anziehungskraft auf die Seelenlosen auszuüben“, fügte Kane hinzu, während er sich bemühte, nicht laut zu lachen, als er hörte, wie Damon in Gedanken alle Möglichkeiten durchging, wie er Micah umbringen könnte, ohne dass es jemand erfuhr. Der arme Puma hatte keine Ahnung, in welcher Gefahr er sich befand. Wissend, dass Damon es durchziehen würde, beschloss er, die Bombe platzen zu lassen. „Du solltest dieses Mal vielleicht wirklich auf deinen Bruder hören.“
Alicia knurrte Kane an, dann warf sie Damon einen warnenden Blick zu, der ihn zum Schweigen bringen sollte. Als Damon ihr ein langsames, fast gemeines Lächeln schenkte, wusste sie, dass er sie dem Erdboden gleichmachen konnte. Sie wandte sich schnell wieder an Micah, sodass Damon keine Chance bekam, sie zu verpfeifen. „Wenn wir in so großer Gefahr sind, dann sollten wir vielleicht alle gemeinsam weggehen, und niemandem sagen, wohin.“
Micah runzelte die Stirn, umklammerte ihre Arme einen Augenblick lang fester, wusste, dass er etwas verpasst hatte. Er betrachtete ihr Gesicht kritisch und bemerkte wieder ihre unwahrscheinlich glänzenden Augen. Er ließ ihre Arme los und drückte seinen Handrücken gegen ihre Stirn, seine Augen schmal.
Alicia schob seine Hand weg, fühlte sie geschlagen und tief in einem Sumpf aus Problemen. Sie hatte wirklich nicht andeuten wollen, dass er vor irgendetwas weglaufen würde. Das war das Allerletzte, was Micah je tun würde, und sie beide wussten das. Wenn er herausfand, wieso sie… überhitzt war, dann würde sie wohl monatelang kein Tageslicht mehr sehen.
„Ich werde bleiben, aber nur unter einer Bedingung“, gab sie nach.
„Und die wäre?“ Micah hob fragend eine Augenbraue.
„Im Night Light hat Quinn mich bewachen lassen, sodass ich mich verkleiden musste, um den Club überhaupt verlassen zu können, ohne verfolgt zu werden. Wenn ich hierbleibe, dann komme und gehe ich, wann es mir beliebt… ohne Babysitter.“ Mit strenger Stimme fügte sie hinzu: „Ich bin kein Baby.“
„Nein, bist du nicht.“ Micah grinste auf sie hinunter, dann sah er Michael an, um seine Zustimmung zu erhalten.
„Einverstanden“, nickte Michael. „Wenn es Freiheit ist, was sie will, dann soll sie sie haben, solange sie hier wohnt.“
Damon hielt lieber den Mund, denn er stimmte nicht zu, was den Grad ihrer Freiheit betraf, aber das brauchte niemand zu wissen. Er atmete langsam ein, ließ den Großteil seiner Anspannung von sich abgleiten, nachdem sie doch nicht gehen würde, und ein Mord keine Option mehr war. Bruder… Micah war ihr verdammter Bruder.
Michaels Handy vibrierte, als eine SMS ankam. Nachdem er sie gelesen hatte, sah er Micah an. „Es scheint, dass deine Schwester nicht der einzige Entfesselungskünstler unter uns ist.“

Kapitel 4
Die schmale Gasse wurde ein wenig dunkler als die restliche Stadt, als Misery dort auftauchte, um den Riss in der Dimensionswand zu begutachten, den sie mit Kanes Blut erzeugt hatte. Es gefiel ihr, dass die Menschen ihn nicht sehen konnten, obwohl sie sicher war, dass einige, deren sechster Sinn ein wenig stärker ausgeprägt war, die Straße nicht freiwillig betreten würden.
Sie ließ die Dunkelheit implodieren, als sie die Gestalt des kleinen Mädchens wählte, mit der sie aus den Schatten trat, um sich neben die Öffnung zu knien. Sie wagte es nicht, sie zu berühren, aus Angst, dass sie durch die Trennwand gezerrt werden könnte, aber sie konnte nun fühlen, wie sich Dämonen auf der anderen Seite versammelten. Diese Dämonen konnten den Riss sehen, und das war der Sinn der Sache. Misery ließ einen Teil ihrer eigenen Bösartigkeit in dunklen Rauchwolken an ihrem Körper nach unten gleiten, wo sie in dem Spalt verschwand.
Wenige Augenblicke später geschah dasselbe noch einmal, aber dann umgekehrt. Misery warf ihren Kopf in den Nacken und ihre Augen verfärbten sich blutrot, als die rauchige Dunkelheit sich aus dem Loch auf sie zu schlängelte, sich um ihren Körper schlang und sich mit ihrer Aura vereinigte. Die andere Seite würde warten, bis Misery ihnen ein Zeichen gab… dann würden sie mit aller Macht von der anderen Seite angreifen.
Miserys Gesichtsausdruck wurde hinterhältig. Sie war bisher sehr vorsichtig gewesen… hatte gefühlt, dass der reinblütige Gefallene Engel sie verfolgte. Es war noch nicht an der Zeit, sorglos zu werden, aber sie brauchte die Macht, um die Tür vollständig zu öffnen. Miserys Gesichtsausdruck veränderte sich langsam, wurde wütend, als sie jemanden hinter sich fühlte.
Unter einer Explosion der Dunkelheit verwandelte sie ihre Gestalt und die Leiche näherte sich dem Dämon, der ihr nachspioniert hatte. „Misery wird es dir zeigen.“
Zeb zeigte keinerlei Reaktion, als sich der verwesende Arm um seinen Hals legte, und er plötzlich hinunter in den Spalt sah. „Würdest du Zeb verbannen, dafür, dass er seine Hilfe anbieten möchte?“ Seine dicken Lippen verzogen sich zu einem Grinsen. „So eine Lust fühlte ich von dir. Wonach hungert Misery?“
„Ich kann das, was ich brauche, von den Menschen bekommen… wieso sollte ich deine Hilfe brauchen?“ Misery strich mit ihrer Hand über den schwach behaarten Kopf des dicken Mannes und ließ ihn dann los, nur um seinen aufgedunsenen Körper zu umkreisen.
„Wieso siehst du es dir nicht selbst an?“ Zeb hatte noch kaum ausgesprochen, als sich Miserys knochige Finger durch das Fleisch boxten, unter dem er sich versteckte.
Misery konnte den Dämon darin fühlen und lächelte sadistisch, als sie seine Seele las. Dieser Dämon war schon seit sehr langer Zeit in der Stadt und war klug genug gewesen, sich im Hintergrund zu halten. Sie konnte seine Angst vor den Gefallenen Engeln fühlen, die hier lebten, ebenso wie Angst vor anderen Kreaturen, von denen sie nichts wusste.
Zeb war ein schwacher Dämon und war im Kampf nutzlos. Er wäre einfach zu töten, aber Misery konnte seine anderen Mächte fühlen… Mächte, die sie ausnutzen konnte, um ihre eigenen Ziele zu verfolgen.
Dieser Dämon konnte die Lust in einem Menschen erkennen und sie zu einem köstlich bösartigen Niveau erhöhen. Sie sah einige der Dinge, die Zeb in letzter Zeit getan hatte, als sie in seine Erinnerungen tauchte. Etwa den eifersüchtigen Ehemann, der seine Fassung verliert und seine Frau ermordet… einen wütenden Angestellten, der zur Rache seine Pistole mit in die Arbeit nimmt… den verzweifelten Mann, der eine Bank ausraubt und auf dem Weg nach draußen erschossen wird.
Zeb konnte einen hungrigen Menschen dazu bringen, so viel zu essen, dass sein Magen platzte, oder jemanden, der depressiv war, in den Selbstmord treiben. Er konnte auch einen Drogenabhängigen oder Alkoholiker dazu bringen, dass der an einer Überdosis starb… angetrieben bis er die Kontrolle verlor. Zeb brachte Menschen dazu, danach zu lechzen, was auch immer es war, wonach sie sich sehnten, und Misery konnte sich an dem Bösen, das daraus entstand, laben.
„Misery wird dich verwenden“, zischte sie, und zog ihre Hand aus seinem Fleisch.
„Ich weiß“, lächelte Zeb, als das Blut, das aus seiner Wunde floss, in einem umgekehrten Wasserfall wieder zurück in seinen Körper gelangte… die Wunde verschloss.
Wenn er ein Mensch gewesen wäre, hätte man ihn einen Geschäftsmann genannt. Indem er mit anderen Dämonen Vereinbarungen getroffen hatte, hatte er so lange überlebt. Wenn er sich Misery anschloss, und ihr die Macht schenkte, die sie wollte, um mehr Dämonen in diese Stadt zu bringen, dann würde er für die Gefallenen Engel nicht so leicht zu finden sein.

*****

Chad starrte auf den Tatort, Schrecken in seinen Augen und seine Pistole noch immer auf den Mann gerichtet, der schon in Handschellen aus dem Operationszimmer geführt worden war. Die Polizeistation hatte ihn gerufen, weil dies schon das dritte Mal an diesem Tag war, dass sie etwas derartig Entsetzliches fanden. Was, zur Hölle, könnte einen Mann dazu bringen, so etwas zu tun? Er war ein Arzt, verdammt… sollte Leben retten, nicht nehmen.
„Ich wollte nur wissen, wie es aussehen würde“, rief der Doktor, während er versuchte, noch einen letzten Blick zu erhaschen, bevor er abgeführt wurde. „Jetzt ist sie perfekt.“
Chad fühlte Übelkeit in ihm hochsteigen und musste wegsehen. Dort auf dem Operationstisch lag das Kunstwerk des Mannes. Er hatte eine ältere, bettlägerige Frau genommen, deren Körper langsam sein Ende fand, und ihr Inneres… inklusive dem Gehirn, mit Teilen einer jungen Frau ersetzt, die erst vor ein paar Stunden wegen einer Mittelohrentzündung in die Notaufnahme gekommen war.
Als er eine Frau hinter sich scharf einatmen hörte, drehte Chad seinen Kopf und erkannte Angelica, Zachary und Trevor, die gerade den Raum betraten. „Ich wollte euch gerade anrufen.“
Trevor schüttelte den Kopf. „Angelica hat unseren Dämon schon den ganzen Tag verfolgt und wir haben schon deine anderen Tatorte besucht.“
Angelica betrachtete die junge Frau, die auf den Fußboden geworfen worden war wie eine leere Puppe. Misery war ihnen immer einen Schritt voraus, und sie konnte fühlen, wie die Macht der Dämonin zunahm, aber das, was sie am meisten beunruhigte, war die Tatsache, dass, obwohl Misery sich von dem hier ernährte… sie es nicht verursachen konnte.
„Es ist schwer zu glauben, dass ein Dämon so ein Chaos anrichten kann.“ Trevor wandte dem Schlachtfeld den Rücken zu. Er hatte sich nie in Dämonenfälle eingemischt, und er wünschte sich, dass er es auch jetzt nicht tun müsste. Er hatte irgendwie Mitleid mit dem Arzt, der wahrscheinlich einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen war.
„Es ist nicht nur ein Dämon.“ Angelica versuchte, die kalten Schauer zu ignorieren, die über ihren Rücken liefen. „Ich fürchte, das ist erst der Anfang.“
Zachary zog sein Handy heraus und verließ das Zimmer. Er wählte Storms Nummer und wartete, bis der Anruf zu dem Nachrichtensystem des TEP weitergeleitet wurde. Dies war nicht das erste Mal heute, dass er eine Nachricht für Storm hinterließ. Was ihn am meisten störte, war, dass ihr furchtloser Anführer meistens schon wusste, was er wollte, bevor er überhaupt anrief, und oft auftauchte, bevor er die Nummer in seinem Namensverzeichnis gefunden hatte, um anzurufen.

*****

Micah hatte die vergangenen Stunden in Warrens Büro verbracht, wo er alles erfuhr, was er verpasst hatte. Es war viel, das es zu verdauen gab, aber die Tatsache, dass die Familien wieder vereint waren, stimmte ihn dankbar. Sein Blick wanderte hinüber zu Quinn und Kat, wusste, dass sie eine dauerhafte Verbindung darstellen würden.
„Es ist schön, dass alle wieder zusammen sind“, durchbrach Quinn Micahs Schweigen.
Micah rieb seine Schläfen und fragte sich, ob die anderen einfach vergessen hatten, dass Alicia überhaupt existierte. Zu seiner Überraschung war es das neueste Familienmitglied, das sie erwähnte.
„Wo ist Alicia?“, fragte Jewel Steven, denn sie wollte wissen, wieso sie nicht hier war.
„Sie ist bei einer Schulfreundin auf Besuch“, erklärte Quinn und fügte dann hinzu, „es wäre wohl das Beste, wenn wir eine Uni für sie finden, wo sie eine Weile bleiben kann.“
Michael bemerkte, dass Micahs Fingerknöchel sich weiß verfärbten, weil er die Armstütze seines Stuhls so fest umklammerte. Um ehrlich zu sein, stimmte er Micahs Wut zu. Wenn sie sich nicht die ganze Zeit so sehr bemüht hätten, Alicia von allem fernzuhalten, dann würde sie vielleicht nicht so häufig in Schwierigkeiten geraten, wenn sie versuchte, alleine etwas zu erreichen.
„Ich habe schon mit Alicia geredet.“ Micah hielt seinen Bruder in einem tödlichen Blick fest. „Sie hat die letzten Jahre nur darauf gewartet, wieder nach Hause zu kommen, und das Allerletzte, was sie will, ist, zu hören, dass sie hier nicht willkommen ist. Sie hat das schon oft genug gehört, während Nathaniel noch am Leben war.“
„Du weißt, dass ich das nicht so gemeint habe“, knurrte Quinn zu seiner Verteidigung. „Sie ist gerade mal achtzehn geworden. Meinst du wirklich, dass das Night Light im Moment ein sicherer Ort für sie ist, nachdem du gehört hast, in welchem Schlamassel wir stecken?“
„Nein, und darum habe ich sie schon zu Michael geschickt, damit sie vorerst bei ihm wohnt.“ Micah lächelte, denn er wusste, dass niemand seinen Überlegungen widersprechen konnte. „So ist sie immer noch hier, und Teil der Familie, aber sie ist hoffentlich aus der Schusslinie.“
Envys Handy wählte genau diesen Moment, um zu singen zu beginnen, und die meisten Leute in dem überfüllten Zimmer waren froh darüber. Sie zog es schnell heraus, um das Lied zu unterbrechen, das ihr mitteilte, dass Chad anrief. Sie stieß Devon ihren Ellbogen in die Rippen, als er zu singen begann: „I fought the law and the law won.“
„Chad“, sagte sie grinsend. „Perfektes Timing, wie immer.“
„Das sagst du vielleicht nicht mehr, wenn ich dir erzähle, weshalb ich anrufe.“ Chad fuhr mit seinen Fingern durch sein Haar. „Es war ein ziemlich beschissener Tag.“
Envy hob ihre Hand, um Devons schreckliche Karaoke-Vorstellung zum Verstummen zu bringen. „Was ist passiert?“
„Ich höre Devon im Hintergrund. Schalte mich auf Lautsprecher.“ Chad seufzte.
Envy schaltete den Lautsprecher an ihrem Handy ein. „Okay, aber es ist nicht nur Devon, die ganze Bande ist hier.“
„Gut“, sagte Chad, und begann dann, ihnen knapp von den Vorfällen des Tages zu erzählen. Als er fertig war, fügte er hinzu: „Trevor hat eine Dämonenexpertin eingeflogen und sie möchte mit Dean über die Dämonin reden, vielleicht könnt ihr ihm das sagen. Ich dachte, dass es vielleicht auch klug wäre, Kriss einzuschalten.“
„Ich bin dran“, erklärte Envy. „Und Chad… sei vorsichtig.“
Chads Tonfall sank um einige Grade, als er dadurch wieder an etwas erinnert wurde. „He, Devon.“
„Ja?“ Devon runzelte die Stirn.
„Wenn du noch einmal zulässt, dass jemand auf meine Schwester schießt, dann schwöre, ich, dass ich d…“ Envys Augen wurden groß und sie klappte schnell ihr Telefon zu, womit sie ihrem Bruder das Wort abschnitt.
„O…kay.“ Devon brachte ein schwaches Lächeln auf seine Lippen, als er ein paar Leute kichern hörte.
„Ich will nicht von dem Thema, wie Devon der Hintern heiß gemacht wird, ablenken, aber“, Warren schüttelte den Kopf, „ich werde mehr Formwandler hier im Moon Dance anstellen, und Quinn hat dasselbe fürs Night Light vor. Jetzt, wo wir den Kopf des Alpha-Werwolfs… und der Mafia entfernt haben…“
„Müssen wir darauf vorbereitet sein, dass dort zwei neue Köpfe nachwachsen“, beendete Nick die Feststellung für ihn.
Quinns Handy läutete, und er grinste Devon zu. „Nun, zumindest sind alle von Kats Verwandten in Sichtweite.“ Als er auf das Display sah, stellte er fest, dass der Puma, dem er die Verantwortung über den Club übergeben hatte, anrief. Harley konnte während seiner Abwesenheit so ziemlich alles alleine erledigen, also wusste er, dass es wichtig war.
Er hob eine Hand, um die Menge zum Schweigen zu bringen und nahm ab. „Harley, was gibt’s?“
„Quinn, wenn du nicht einen toten Puma statt der Getränke, die wir normal ausschenken, bestellt hast, haben wir ein Problem.“

*****

Boris hatte den ganzen Vormittag mit Anthonys Anwalt verbracht, um den Papierkrieg zu beenden, der ihn nun zum Manager eines der größten Lokale in der Stadt machte… Love Bites. Über die Frage, wer der neue Besitzer sein sollte… waren sich beide einig, dass Anthonys nächster Verwandter die klügste Lösung war, sowohl rechtlich, wie auch logisch. Titus Valachi war einer der stärksten Wölfe, die Boris je getroffen hatte, und hatte einen sehr ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit. Er hatte seinen Onkel gehasst und weigerte sich, sich mit der Mafia einzulassen.
Boris lächelte, wusste, dass er dem Anwalt soeben geholfen hatte, mehr als die Hälfte der Besitztümer des Wolfsrudels auf Titus' Namen zu überschreiben, ohne dass Titus auch nur davon wusste. Jetzt mussten sie Titus nur noch überzeugen, der neue Alpha zu werden, bevor Lucca die Chance bekam, den Titel für sich zu beanspruchen.
Was Love Bites betraf, so hatte sein früherer Besitzer den Club erst einige Wochen zuvor an Anthony verloren, und nachdem Anthonys Anwalt ein Mitglied des Rudels war, beeilte er sich, die Formalitäten so schnell wie möglich abzuwickeln, bevor die Polizei Anthonys Besitz in Beschlag nehmen konnte.
Der Großteil des Klans hatte auf irgendeine Art für Anthony gearbeitet, aber jetzt, wo der Alpha nicht mehr lebte, waren viele Wölfe arbeitslos. Wölfe, die zu viel Freizeit hatten, waren nie eine gute Idee und Boris hatte schon Unterhaltungen darüber gehört, wie man sich an den Pumas für Anthonys Tod rächen könnte.
Der Großteil dieser Wölfe hielt sich am liebsten in der Anwesenheit von Lucca Romano auf, der auf mehrere Arten Anthonys Schützling war. Das waren auch die Wölfe, die er nicht in seiner Nähe haben wollte.
Lucca war stark. Anthony hatte das gefühlt und Lucca benutzt, um den Großteil der Mafia-Geschäfte zu erledigen. Das einerseits, und andererseits hatte Anthony Lucca nicht wirklich vertraut, also wollte er ihn in seiner Nähe behalten, und überließ ihm die Kontrolle über einen Teil der Mafia, sodass er zu beschäftigt war, um eine Revolte zu planen. Das Problem war… wenn Titus nicht bald den Thron einnahm, würde Lucca es tun.
Vor diesem Hintergrund war Boris sehr wählerisch gewesen, als er Rudelmitglieder für den Betrieb des Love Bites angestellt hatte. Es war eindeutig ein besserer Job, als den Großteil seiner Zeit damit zu verbringen, Bestrafungen auszuteilen, an alle, auf die Anthony gerade zufällig wütend ist. Aber das war es, was er war… ein Bestrafer. Und man musste die rechte Hand des Alphas sein, um der Bestrafer zu werden, also würden ihm die meisten Wölfe gehorchen, ohne darüber nachzudenken. Jetzt war er Titus' rechte Hand, und er wollte, dass das auch so blieb.
Während er sich in der Bar umsah, hörte er zu, wie einige der Wölfe abfällige Kommentare über die gothic Dekorationen machten, aber Boris erklärte ihnen, dass viele der Goth-Leute in der Stadt Kinder von reichen Eltern waren, die einen Fetisch für Filmvampire hatten, und die Taschen voller Geld. Das schien sie zu überzeugen. Ja, es war immer dasselbe mit den Wölfen… im Endeffekt ging es immer ums Geld.
Als er die Macht eines wahren Alphas in den Club treten fühlte, sah Boris durch das Bürofenster zur Eingangstür. Er lächelte, als er sah, wie Titus gleich hinter der Tür stehenblieb, um sich umzusehen. Er musste zugeben, dass dieser Ort ein wenig erschreckend wirken konnte, wenn man noch nie hier gewesen war. Er war überrascht darüber, dass Titus so schnell angekommen war. Er war noch in Malta gewesen, als er ihn mitten in der Nacht angerufen hatte.
Boris streckte seine Hand aus und drückte auf den Knopf der Freisprechanlage. „Titus, links von dir ist eine Treppe. Komm ins Büro.“ Er schloss seine Augen, wusste, dass er wohl ungefähr zwei Minuten haben würde, um Titus zu erklären, dass er gerade die meisten von Anthonys Liegenschaften geerbt hatte.

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