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Die Unerwünschten
Owen Jones
Heng Lee fühlt sich auf einmal sehr sonderbar, daher geht er zu der örtlichen Schamanin, die zufällig auch seine Tante ist. Sie macht einige Tests und kommt zu dem Schluss, dass in Hengs Körper kein Blut zirkuliert, aber wie soll er das seiner Familie erklären und was kann man dagegen tun?
Heng Lee ist ein Ziegenhirte nordöstlich von Chiang Rai in den abgelegenen Bergen im Norden Thailands, sehr nahe an der Grenze zu Laos. Er lebt in einer eng verbundenen Gemeinschaft, in der sich alle kennen. Heng wird plötzlich krank, aber nicht so schwer, dass er seine Ziegen nicht mehr auf die Weide treiben kann, bis er eines Tages zur örtlichen Schamanin gehen muss, weil er Ohnmachtsanfälle bekommt. Es gibt keine Ärzte in der Umgebung und ein Schamane war seit Jahrhunderten gut genug für die meisten Einwohner. Die Schamanin nimmt ein paar Proben und kommt zu dem Schluss, dass Hengs Nieren nicht mehr funktionieren, daher hat er nur noch kurze Zeit zu leben. Der Kampf um Hengs Leben beginnt, aber es sind auch noch andere Kräfte am Werk. Was wird aus Heng, seiner Familie und der restlichen Dorfgemeinschaft, wenn er den Rat der Schamanin befolgt?



1 DIE UNERWÜNSCHTEN

Die heitere Geschichte einer Vampirfamilie von heute

von

1 Owen Jones

Übersetzung aus dem Englischen:

1 Ulrike Jenisch

Copyright Owen Jones 2021
Die Rechte von Owen Jones als Autor dieses Buchs wurden geltend gemacht gemäß der Paragraphen 77 und 78 des Copyright Designs and Patents Act 1988. Die moralischen Rechte des Autors wurden ebenfalls geltend gemacht.
Die Handlung in diesem Buch ist frei erfunden. Alle Personen und Ereignisse sind entweder Produkte der Fantasie des Autors oder sie werden lediglich fiktiv benutzt. Einige Orte existieren unter Umständen tatsächlich, aber die geschilderten Ereignisse sind erfunden.

Erschienen bei
Megan Publishing Services
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1 WIDMUNG
Dieses Buch ist meinen Freunden Lord David Prosser und Murray Bromley gewidmet, die mir und meiner Thai-Familie 2013 mehr geholfen haben, als sie sich jemals vorstellen können.
Das Karma wird alle entsprechend belohnen.
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1 1. DIE SCHLIMME LAGE DES HERRN LEE
Herr Lee, oder auch Alter Mann Lee, wie er im Ort genannt wurde, hatte seit Wochen ein eigenartiges Gefühl und, weil seine heimische Gemeinde so klein und abgelegen war, wussten auch alle in seinem Umfeld Bescheid. Er hatte den Rat einer ansässigen Heilkundigen einholen müssen, einer vom alten Schlag, keiner modernen Medizinerin, und sie hatte ihm gesagt, dass seine Körpertemperatur aus dem Gleichgewicht geraten war, weil irgendetwas mit seinem Blut nicht stimmte.
Die Frau, die örtliche Schamanin und zugleich auch Herrn Lees Tante, war sich über die Ursache immer noch nicht ganz im Klaren, aber sie hatte gemeint, dass sie es in etwa 24 Stunden herausfinden würde, er solle ihr ein paar Proben zur Untersuchung dalassen und wiederkommen, wenn sie ihn holen ließe. Die Schamanin reichte Herrn Lee einen Klumpen Moos und einen Stein.
Er wusste von früher noch, was er tun musste, daher urinierte er auf das Moos und nachdem er sich ausgiebig geräuspert hatte spuckte auf den Stein. Er gab ihr alles feierlich zurück und sie wickelte beide Proben getrennt in Stücke von Bananenblättern, um die Feuchtigkeit so lange wie möglich zu erhalten, wobei sie darauf achtete, nichts mit bloßen Händen zu berühren, um die Proben nicht zu verunreinigen.
„Ich warte einen Tag, damit sich alles zersetzen und trocknen kann, dann sehe ich es mir genau an und finde heraus, was mit dir nicht stimmt.“
„Danke, Tante Da, Schamanin Da, wollte ich sagen. Ich werde warten, bis du mich rufen lässt, dann komme ich sofort.“
„Warte, mein Junge, ich bin noch nicht fertig mit dir.“
Da griff hinter sich und nahm ein Tongefäß aus dem Regal. Sie entkorkte es, nahm daraus zwei Mundvoll Flüssigkeit und spuckte den letzten Mundvoll über Alten Mann Lee. Während Da eine Beschwörung für ihre Götter sang, dachte Herr Lee bei sich, dass sie die ‚Reinigung‘ vergessen hatte – er hasste es, von jemandem angespuckt zu werden, ganz besonders von alten Damen mit fauligen Zähnen.
„Dieses Alkoholspray und das Gebet werden dir über die Runden helfen, bis wir dich wieder in Ordnung gebracht haben“, versicherte sie ihm.
Schamanin Da erhob sich aus ihrem vollen Lotussitz vom Erdboden ihres medizinischen Kultraums, legte ihrem Neffen einen Arm um die Schultern und brachte ihn nach draußen, wobei sie sich im Gehen eine Zigarette rollte.
Im Freien zündete sie sie an, nahm einen tiefen Zug und spürte, wie der Rauch ihre Lungen füllte. „Wie geht es deiner Frau und den reizenden Kindern?“
„Ach, denen geht es gut, Tante Da, aber sie sind etwas besorgt um meine Gesundheit. Ich fühle mich jetzt schon eine Weile etwas kränklich und ich bin doch in meinem ganzen Leben noch nicht krank gewesen, wie du weißt.“
„Stimmt, wir Lees sind ein kräftiger Schlag. Dein Vater, mein lieber Bruder, wäre jetzt immer noch gesund, wenn er nicht an der Grippe gestorben wäre. Er war stark wie ein Stier. Du schlägst ihm nach, aber auf ihn ist ja auch nie geschossen worden. Ich glaube, das hat dich jetzt eingeholt, diese Yankee-Kugel.“
Herr Lee hatte diese Diskussion bereits viele hundert Male geführt, aber da er sie nicht gewinnen konnte, nickte er einfach, gab seiner Tante einen 5-Baht-Schein und machte sich auf den Rückweg zu seinem Hof, der nur ein paar hundert Meter außerhalb des Dorfes lag.
Er fühlte sich schon besser, also schritt er schwungvoll aus, weil er es allen beweisen wollte.
Alter Mann Lee hatte volles Vertrauen zu seiner steinalten Tante Da, so wie alle in der Gemeinde, die aus einem kleinen Dorf mit ungefähr 500 Häusern und ein paar Dutzend abseits gelegenen Bauerhöfen bestand. Seine Tante Da hatte die Position des Schamanen übernommen, als er noch ein Junge war und es gab nicht mehr als ein paar Dutzend Einwohner, die sich noch an den Schamanen vor ihr erinnern konnten. Sie hatten nie ihren eigenen ansässigen Arzt mit Universitätsabschluss gehabt.
Das hieß nicht, dass die Dorfbewohner keinen Zugang zu einem Mediziner hatten, aber die waren dünn gesät – der nächste niedergelassene Arzt befand sich ‚in der Stadt‘, 75 Kilometer entfernt. In den Bergen der äußersten nordöstlichen Ecke Thailands, wo sie lebten, gab es weder Busse, Taxis noch Zugverbindungen. Außerdem kosteten Ärzte viel Geld und verschrieben teure Medikamente, von denen alle annahmen, dass sie hohe Provisionen kassierten. Einige Dörfer weiter gab es auch ein Krankenhaus, aber dort arbeitete eine Vollzeit-Krankenschwester und alle zwei Wochen kam an einem Tag ein ambulanter Teilzeit-Doktor, der für die ganze Gegend zuständig war.
Dorfbewohner wie Herr Lee waren der Ansicht, dass Ärzte wahrscheinlich für reiche Stadtbewohner schön und gut waren, aber Leuten wie ihnen nicht viel nützten. Wie konnte denn ein Bauer einen ganzen Arbeitstag opfern, um zu einem Arzt in die Stadt zu fahren und dazu jemanden mit einem Fahrzeug anheuern, für den dasselbe galt? Wenn man überhaupt jemanden mit Fahrzeug auftrieb, obwohl es im Umkreis von zehn Kilometern ein paar alte Traktoren gab.
Nein, dachte er, seine alte Tante war gut genug für alle anderen, und sie war auch gut genug für ihn, außerdem hatte sie noch keinen sterben lassen, dessen Zeit nicht gekommen war und sie hatte auch bestimmt niemanden umgebracht. Das würden alle beschwören.
Wirklich alle.
Herr Lee war sehr stolz auf seine Tante und überhaupt gab es kilometerweit keine Alternative, ganz sicher niemanden mit all ihrer Erfahrung – all ihrer Erfahrung? Nun gut, niemand wusste, wie alt sie wirklich war, nicht mal sie selbst, aber wahrscheinlich mindestens neunzig.
Mit diesen Überlegungen erreichte Herr Lee den Vorgarten seines Zuhauses. Er wollte die Angelegenheit mit seiner Frau besprechen, denn obwohl er nach außen hin als Familienoberhaupt galt, so wie der Mann jeder Familie, war das nur der äußere Schein. In Wirklichkeit wurden alle Entscheidungen von der ganzen Familie getroffen, oder zumindest von den Erwachsenen.
Es würde ein bedeutsamer Tag werden, denn bei den Lees hatte es noch nie eine ‚Krise‘ gegeben und ihre beiden Kinder, den Kinderschuhen entwachsen, sollten dann auch zu Wort kommen dürfen. Das würde in die Annalen eingehen, Herr Lee war sich dessen wohl bewusst.
„Mud!“ rief er, eine liebevolle Bezeichnung für seine Frau, seit das erstgeborene Kind noch nicht ‚Mutter‘ hatte sagen können. „Mud, bist du da?“
„Ja, ich bin hinten draußen.“
Lee wartete kurz, bis sie aus der Toilette hereinkam, aber drinnen war es heiß und schwül, daher ging er in den Vorgarten und setzte sich auf den großen Familientisch unter dem Grasdach, wo die ganze Familie ihre Mahlzeiten einnahm und gewöhnlich saß, wenn freie Zeit war.
Frau Lees richtiger Name war Wan, obwohl ihr Mann sie liebevoll Mud nannte, seit ihr ältestes Kind sie so gerufen hatte. Herr Lee benutzte den Namen weiterhin, die Kinder jedoch nicht. Sie stammte aus dem Dorf Baan Noi, so wie Lee, aber ihre Familie hatte nie woanders gelebt, während Herrn Lees Familie zwei Generationen vorher aus China gekommen war, aber so weit weg war deren Heimatstadt auch wieder nicht.
Sie war eine recht typische Frau dieser Region. In ihrer Jugend war sie ein sehr hübsches Mädchen gewesen, aber Mädchen hatten zu dieser Zeit weder viele Möglichkeiten gehabt noch wurden sie ermutigt, Ehrgeiz zu entwickeln, wobei sich für ihre Tochter zwanzig Jahre später auch nicht viel geändert hatte. Frau Lee war zufrieden gewesen, sich nach Beendigung der Schulzeit nach einem Ehemann umzusehen. Als dann Heng Lee um ihre Hand anhielt und ihren Eltern das Abfindungsgeld zeigte, das er auf der Bank hatte, dachte sie, er wäre ein genauso guter Fang wie irgendein anderer einheimischer Junge, der für sie in Frage käme. Sie hatte auch nicht den Wunsch, ihre Freunde und Verwandten zu verlassen und in eine große Stadt zu ziehen, um dort ihre Optionen zu erweitern.
Mit der Zeit hatte sie auf ihre Art sogar Liebe für Heng Lee entwickelt, obwohl das Feuer in ihrem kurzen Liebesleben schon lange erloschen war und sie jetzt eher Geschäftspartnerin als Ehefrau in dem Familienbetrieb war, der ihr Überleben und das ihrer beiden Kinder sicherte.
Wan hatte nie einen Liebhaber gesucht, obwohl ihr sowohl vor als auch nach ihrer Heirat Anträge gemacht worden waren. Zu der Zeit war sie empört gewesen, aber jetzt dachte sie mit einer gewissen Zärtlichkeit an diese Augenblicke zurück. Lee war ihr Erster und Einziger und würde sicher auch ihr Letzter sein, aber sie verspürte kein Bedauern darüber.
Ihr einziger Traum war es, Enkel zu haben und sie zu versorgen; ihre Kinder würden sich mit der Zeit bestimmt selbst Kinder wünschen, obwohl sie nicht wollte, dass sie überstürzt heirateten so wie sie selbst, besonders ihre Tochter nicht. Sie wusste, ihre Kinder würden, wenn möglich, ebenfalls Kinder zeugen. Davon war sie felsenfest davon überzeugt, denn nur das bedeutete für sie finanzielle Sicherheit im Alter und die Möglichkeit, den Status der Familie zu heben.
Für Frau Lee waren Familie, Status und Ehre wichtig, aber mehr materielle Dinge, als sie bereits besaß, wollte sie nicht. Sie hatte so lange gelernt, zu verzichten, dass sie ihr nicht mehr wichtig waren.
Sie hatte bereits ein Handy und einen Fernseher, aber der Empfang war, milde ausgedrückt, schwach. Dagegen konnte sie nichts machen außer darauf zu warten, dass die Regierung Zeit fand, die örtlichen Sender aufzurüsten, was eines Tages bestimmt geschehen würde, wenn auch nicht in absehbarer Zeit. Sie wünschte sich kein Auto, weil sie nirgends hinfahren wollte und außerdem waren die Straßen sowieso schlecht.
Es war jedoch nicht nur deswegen. Für Leute ihres Alters und in ihrer Lage war ein Auto so lange unerschwinglich gewesen, dass sie schon vor Jahrzehnten aufgegeben hatten, sich eines zu wünschen. Mit anderen Worten: Sie war zufrieden mit dem Fahrrad und dem alten Motorrad, den Transportmitteln ihrer Familienflotte.
Frau Lee sehnte sich auch nicht mehr nach Gold und modischen Kleidern. Angesichts der Realität, zwei Kinder mit dem Einkommen eines Bauern großzuziehen hatte sie sich das schon vor vielen Jahren aus dem Kopf geschlagen. Trotzdem war Frau Lee eine zufriedene Frau, die ihre Familie liebte und sich damit abgefunden hatte, so zu bleiben, wie sie war und wo sie war, bis Buddha sie eines Tages zu sich heimrufen würde.
Herr Lee beobachtete, wie seine Frau auf ihn zukam, sie rückte etwas unter ihrem Sarong zurecht, aber von außen – irgendetwas saß nicht richtig, vermutete er, aber er würde nie fragen, was es war. Sie setzte sich auf den Tischrand, schwang ihre Beine hoch und saß da wie die kleine Meerjungfrau auf einem dänischen Felsen.
„Also, was hatte die alte Hexe zu sagen?“
„Ach komm, Mud, so schlimm ist sie auch nicht! Ja, gut, ihr seid nie miteinander ausgekommen, aber so ist das eben ab und zu, oder? Sie sagt nie ein schlechtes Wort über dich, sie hat mich sogar vor einer halben Stunde gefragt, wie es dir geht … und den Kindern.“
„Du kannst manchmal so ein Dummkopf sein, Heng. Sie redet freundlich mit mir oder über mich, wenn Leute sie hören können, aber sie behandelt mich wie Dreck und das hat sie immer getan. Sie hasst mich, aber sie ist zu hinterhältig, dir das zu zeigen, weil sie weiß, dass du meine Partei ergreifen wirst und nicht ihre. Ihr Männer denkt immer, ihr wärt so lebenserfahren, aber was vor eurer Nase passiert, das seht ihr nicht.“
Über die Jahre hat sie mir viele Sachen vorgeworfen, und zwar oft … wie zum Beispiel, dass ich mein Haus nicht sauber halte, die Kinder nicht wasche und einmal hat sie sogar gesagt, mein Essen würde riechen, als hätte ich es mit Ziegenmist gewürzt! Pah, du hast ja keine Ahnung, aber du glaubst mir auch nicht, nicht einmal der eigenen Frau! Ja, grins nur, aber für mich ist das die vergangenen dreißig Jahre nicht sehr witzig gewesen, lass dir das gesagt sein. Also, was hat sie gemeint?“
„Eigentlich nichts, es war nur eine Untersuchung, also dasselbe Programm wie immer. Du weißt schon: auf Moos pinkeln, auf einen Stein spucken und sie dann mit ihrem alten Pferdegebiss Alkohol über dich spucken lassen. Mir graust es, wenn ich nur daran denke. Sie hat gemeint, sie lässt mir morgen ausrichten, wann ich kommen soll, damit sie mir das Ergebnis mitteilt.
Wo sind die Kinder? Sollten sie bei diesem Familiengespräch nicht auch dabei sein?“
„Ich glaube nicht, nicht unbedingt. Immerhin wissen wir ja noch gar nichts, oder? Hast du vielleicht irgendeine Ahnung?“
„Nein, eigentlich nicht. Ich habe mir gedacht, ich lasse mir vielleicht von diesem chinesischen Mädchen eine Massage geben … das könnte helfen, wenn ich ihr sage, dass sie mich sanft behandeln soll. Sie hat ihr Handwerk in Nordthailand gelernt und kann etwas grob sein, oder … das sagen jedenfalls die Leute. Du weißt schon, besonders bei meinem inneren Zustand. Obwohl, vielleicht tut ja sanftes Reiben gut … was denkst du, meine Liebe?“
„Ja, ich weiß, was du mit sanftem Reiben meinst. Wenn das so ist, warum bittest du dann nicht deinen Onkel darum? Warum brauchst du dafür ein junges Mädchen?“
„Du weißt doch warum. Ich mag keine Männerhände auf meinem Körper, das habe ich doch schon mal erklärt, aber gut, wenn es dich ärgert, dann lasse ich mich nicht massieren.“
„Schau, ich sage ja nicht, du sollst nicht gehen! Du lieber Himmel, ich kann dich sowieso nicht aufhalten, wenn du es tun willst! Aber, wie du ja sagst, ist sie etwas grob, also könnte sie mehr schaden als nützen. Ich glaube, es wäre klüger zu warten, bis wir wissen, was deine Tante meint, das ist alles.“
„Ja, gut, wahrscheinlich hat du recht. Du hast noch gar nicht gesagt, wo die Kinder sind.“
„Ich weiß nicht genau, ich dachte, jetzt sollten sie eigentlich zurück sein … Sie sind zusammen weg, um am Wochenende eine Geburtstagsparty oder etwas Ähnliches zu organisieren.“
Die Lees hatten zwei Kinder, einen Jungen und ein Mädchen, und sie schätzten sich glücklich deswegen, weil sie zehn Jahre lang versucht hatten Kinder zu bekommen, bevor der Junge gezeugt wurde. Die Kinder waren jetzt zwanzig und sechzehn, daher hatten Herr und Frau Lee es seit langem aufgegeben, auf weiteren Nachwuchs zu hoffen.
Sie hatte auch vor langer Zeit aufgegeben, es zu versuchen.
Es waren jedoch brave, respektvolle und gehorsame Kinder und sie machten ihre Eltern stolz, zumindest das, was die Eltern über sie wussten, machte sie stolz. Sie waren eben genauso wie alle braven Kinder: zu neunzig Prozent in Ordnung, aber sie konnten durchaus auch Dummheiten anstellen und manche Gedanken behielten sie für sich, weil sie wussten, ihre Eltern würden sie nicht billigen.
Der Sohn Master Lee, auch Den oder Junger Lee genannt, war gerade zwanzig geworden und seit fast zwei Jahren mit der Schule fertig. Er und seine Schwester hatten eine glückliche Kindheit verbracht, aber langsam begann es ihm zu dämmern, dass sein Vater ein sehr hartes Leben für ihn geplant hatte, wobei er durchaus schon sein ganzes Leben gearbeitet hatte, jedenfalls vor und nach der Schule. Aber damals war trotzdem noch Zeit geblieben für Fußball, Tischtennis und die Mädchen auf den Tanzfesten der Schule.
Mit all dem war jetzt Schluss genauso wie mit seiner Aussicht auf ein Sexleben. Das war zwar noch nie besonders glänzend gewesen war – ab und zu ein Kuss und noch seltener ein dezentes Herumgefummel, aber jetzt hatte sich seit fast zwei Jahren gar nichts mehr getan. Den würde schlagartig in die Stadt ziehen, wenn er auch nur einen Schimmer gehabt hätte, was er dort machen sollte, aber er hatte auch keinerlei Ehrgeiz, außer möglichst oft eine Nummer zu schieben.
Seine Hormone spielten dermaßen verrückt, dass er schon ein paar Ziegen äußerst attraktiv fand, was ihn ungeheuer beunruhigte.
Er musste nicht sehr tief in sich gehen um zu begreifen, dass er heiraten sollte, wenn er eine feste Beziehung mit einer Frau haben wollte.
Eine Ehe, auch wenn sie mit der Zeugung von Kindern verbunden war, begann ausgesprochen verlockend auszusehen.
Fräulein Lee, besser bekannt als Din, war ein sehr hübsches 16-jähriges Mädchen, die im Sommer von der Schule abgegangen war, zwei Jahre früher als ihr Bruder, was für die Region, in der sie lebte, ganz normal war. Nicht weil sie weniger intelligent war, sondern weil beide Eltern und auch die Mädchen selbst annahmen, es wäre umso besser, je früher sie anfingen, eine Familie zu gründen. Ein Mädchen unter zwanzig hatte es auch leichter, einen Ehemann zu finden als eines, dass ein paar Jahre älter war. Din akzeptierte diese althergebrachte ‚Weisheit‘ ohne sie zu hinterfragen, trotz der Bedenken ihrer Mutter.
Sie hatte ebenfalls ihr ganzes Leben vor und nach der Schule gearbeitet, wahrscheinlich härter als ihr Bruder, obwohl der das niemals so sehen würde, denn Mädchen erledigten faktisch alle anfallenden Sklavenarbeiten egal welcher Art.
Din hatte jedoch durchaus Fantasien. Sie träumte von romantischen Techtelmechteln, in denen ihr Liebhaber sie nach Bangkok entführen und dort Arzt werden würde, während sie den ganzen Tag mit ihren Freundinnen auf Shoppingtour ging. Ihre Hormone machten ihr auch Probleme, aber die einheimische Kultur gestattete nicht, dass sie das zugab, nicht einmal vor sich selbst. Ihr Vater, ihr Bruder und wahrscheinlich sogar ihre Mutter würden sie verprügeln, wenn sie sie dabei erwischten, dass sie einem Jungen, der nicht zur Familie gehörte auch nur zulächelte.
Sie wusste es und akzeptierte das auch, ohne Fragen zu stellen.
Ihr Plan war, auf der Stelle nach einem Ehemann zu suchen, eine Aufgabe, bei der ihr ihre Mutter Hilfe angeboten hatte, denn beide Damen Lee wussten, dass man sie am besten so schnell wie möglich erledigen sollte um damit jedes Risiko auszuschließen, Schande über die Familie zu bringen.
Insgesamt gesehen war die Familie Lee ganz typisch für die Gegend und damit war sie auch sehr zufrieden. Sie führte ihr Leben innerhalb der Zwänge der heimischen Konventionen und fand das in Ordnung und richtig, auch wenn beide Kinder Träume von einer Flucht in die große Stadt hegten. Das Problem lag in einem Mangel an Ehrgeiz; es war in den Hügelbewohnern seit Jahrhunderten tief verwurzelt und hielt sie zurück. Für die Regierung erwies sich das als eine gute Sache, sonst wären schon alle jungen Leute aus den ländlichen Gebieten verschwunden und nach Bangkok und von dort aus in fremde Länder wie Taiwan und Oman abgewandert, wo die Gehälter höher waren. Die Befreiung von starrem Gruppenzwang war jedoch verlockend.
Viele junge Mädchen hatten allerdings die Reise nach Bangkok angetreten. Ein paar von ihnen hatten auch eine ordentliche Arbeit gefunden, aber viele endeten in der Sexindustrie der größeren Städte. Von dort aus reisten einige auch weiter ins Ausland, sogar in Länder außerhalb Asiens. Es kursierten zahlreiche Horrorgeschichten, um junge Mädchen von diesem Weg abzuhalten; bei Din und ihrer Mutter hatte das funktioniert.
Herrn Lee gefiel sein Leben und er liebte seine Familie, obwohl man das außerhalb der eigenen vier Wände nicht zugab. Er wollte sie nicht wegen irgendeiner Krankheit verlieren, die er vielleicht schon seit seiner Jugendzeit mit sich herumtrug.
Alter Herr Lee (obwohl er wusste, dass ihn einige der nicht so respektvollen Dorf-Jugendlichen Alter Ziegenbock Lee nannten) war in seiner Jugend Idealist gewesen und hatte sich gleich nach Beendigung der Schulzeit zum Kampfeinsatz in Nordvietnam gemeldet. Sie lebten nahe an der Grenze zu Laos, also war Nordvietnam nicht weit weg. Er wusste, dass die Amerikaner diese Region und Laos bombardiert hatten und wollte seinen Beitrag leisten, dass damit Schluss war.
Er hatte sich der kommunistischen Idee verschrieben und war, sobald man ihn brauchen konnte, zur Kampfausbildung nach Vietnam gegangen. Viele seiner Mitkämpfer hatten genauso wie er zum Teil Chinesen im Stammbaum, hatten aber die Einmischung ausländischer Mächte in die Zukunft ihrer Landsleute satt. Er konnte nicht verstehen, warum sich Amerikaner, die tausende Meilen weit weg lebten darum scherten, wer in diesem kleinen Teil der Welt an der Macht war. Er hatte sich nie darum gekümmert, welchen Präsidenten sie gewählt hatten.
Wie das Schicksal aber so spielte, bekam er nie die Chance, auch nur einen zornigen Schuss abzufeuern, weil er gleich am ersten Tag nach Ausbildungsende beim Transport vom Trainingscamp zum Schlachtfeld vom Schrapnell einer amerikanischen Bombe getroffen wurde. Seine Verletzungen waren sehr schmerzhaft, aber nicht lebensbedrohlich. Sie reichten jedoch zur Ausmusterung, als er soweit wiederhergestellt war, aus dem Krankenhaus entlassen zu werden. Der größte Schrapnellsplitter hatte ihn am linken Oberschenkel getroffen, aber ein paar kleinere Splitter hatten sich in seinen Magen gebohrt, von denen er jetzt glaubte, sie könnten die Quelle seiner Beschwerden sein. Daher stammte auch das Gerücht, dass auf ihn geschossen worden wäre.
Er war mit einem bösen Hinken heimgekommen sowie mit einer Abfindung, die hoch genug ausfiel, einen kleinen Bauernhof zu kaufen, aber aufgrund seines verwundeten Beins hatte er stattdessen einen Hof und eine Herde Ziegen gekauft, die er züchtete und verkaufte. Innerhalb eines Jahres nach seiner Heimkehr war sein Bein so gut es eben ging geheilt und er heiratete ein hübsches einheimisches Mädchen, das er sein ganzes Leben lang gekannt und gemocht hatte. Sie war auch bäuerlicher Herkunft, sie ließen sich häuslich nieder und führten ein zufriedenes, wenn auch ärmliches Leben.
An jedem Wochentag außer sonntags hatte Herr Lee seitdem seine Herde zum Grasen ins Hochland getrieben. Im Sommer übernachtete er oft in einem der Biwaks, die er an verschiedenen Stellen errichtet hatte, das hatte er bei der Armee gelernt. Jene Zeit betrachtete er im Rückblick nostalgisch als glückliche Tage, obwohl er das damals nicht so empfunden hatte.
In den Bergen gab es außer Menschen keine Raubtiere mehr, weil schon vor langer Zeit alle Tiger zum Zweck der Verwertung in der chinesischen Medizinbranche getötet worden waren. Herr Lee hatte dabei gemischte Gefühle. Einerseits wusste er, dass das eine Schande war, aber andererseits hatte er auch keine Lust, jede Nacht seine Ziegen gegen umherstreifende Tiger zu verteidigen. Bis zu Beginn seiner Krankheit vor etwa einer Woche hatte er fast dreißig Jahre lang Ziegen gehütet, daher kannte er die Berge so gut wie die meisten Leute ihre örtliche Parkanlage.
Er wusste, welche Gebiete man wegen Landminen und Strychnin-Päckchen meiden musste, die die Amerikaner in den 70er Jahren abgeworfen hatten, er kannte die Gebiete, die geräumt waren, wobei die Pioniere wohl ein paar übersehen hatten, wie eine seiner Ziegen vor nur einem Monat erfahren musste. Es war eine Schande, obwohl ihr Kadaver nicht verweste und sie auch ein schnelles Ende gefunden hatte. Ein losgetretener Stein hatte eine Mine zur Explosion gebracht, sie himmelwärts geschossen und dabei den Kopf sauber abgetrennt.
Der Weg war zu weit, den Kadaver nach Hause zu transportieren, also hatte Herr Lee einige Tage in den Bergen verbracht und sich vollgestopft, während sich seine Familie daheim auf dem Hof zu Tode ängstigte.
Herr Lee war ein zufriedener Mann. Er genoss seine Arbeit und das Leben im Freien und hatte sich seit langem mit der Tatsache abgefunden, dass er nie reich sein oder nochmals ins Ausland kommen würde. Deswegen waren er und seine Frau jetzt froh, dass sie nur zwei Kinder hatten. Er liebte sie beide gleichermaßen und wollte nur das Beste für sie, aber er freute sich auch, dass sie nicht mehr zur Schule gingen und deshalb den ganzen Tag auf dem Hof arbeiten konnten, wo seine Frau Kräuter und Gemüse anbaute und drei Schweine und einige Dutzend Hühner hielt.
Herr Lee überlegte, in welchem Maß er durch die zusätzliche Hilfe seinen Hof vergrößern könnte. Vielleicht ein weiteres Dutzend Hühner und ein paar Schweine mehr halten und ein Feld mit Zuckermais anlegen?
Er erwachte aus seinen Fantasien. „Was, wenn es etwas Ernstes ist, Mud? Ich habe bis jetzt nichts gesagt, aber diese Woche bin ich zweimal in Ohnmacht gefallen und zwei oder drei Mal war ich nahe dran.“
„Warum hast du mir das nicht schon vorher erzählt?“
„Naja, ich wollte dir eben keine Angst machen und du hättest sowieso nichts machen können, oder?“
„Nein, ich selber nicht, aber hätte dich schon früher zu deiner Tante geschickt und dich vielleicht überredet, dass du zu einem Arzt gehst.“
„Ach, du kennst mich doch, Mud. Ich hätte gesagt ‚Warten wir mal ab, was Tante dazu sagt, bevor wir das ganze Geld ausgeben.‘ Trotzdem gebe ich zu, dass ich mich ab und zu ganz schön komisch fühle und ich habe schon ein bisschen Angst davor, was Tante morgen sagen wird.“
„Ja, ich auch. Fühlst du dich wirklich so schlecht?“
„Manchmal schon, aber ich habe einfach überhaupt keine Kraft mehr. Ich konnte doch immer zusammen mit den Ziegen rennen und herumspringen, aber jetzt werde ich schon müde, wenn ich ihnen nur zusehe!“
„Irgendetwas stimmt nicht, da bin ich sicher.“
„Schau, Paw.“ Sie verwendete für ihn den fantasielosen Kosenamen, der auf Thailändisch ‚Papa‘ bedeutete. „Die Kinder sind am Tor. Willst du sie jetzt in die Sache einweihen?“
„Nein, du hast recht, warum sollen sie sich jetzt Sorgen machen, aber ich glaube, die Tante wird mich morgen am späten Nachmittag holen lassen. Erzähl ihnen, dass wir zum Abendessen eine Familienkonferenz abhalten und sie dabei sein sollen.
Ich glaube, ich gehe jetzt ins Bett. Ich bin schon wieder müde. Mit Tantes Spucke bin ich eine Weile in Schwung gekommen, aber die Wirkung ist wieder vorbei. Sag ihnen, dass ich in Ordnung bin, aber bitte Den, dass er morgen die Ziegen für mich hinaustreibt, ja? Er muss sie nicht weit weg führen, nur den Fluss hinunter, damit sie ein bisschen Flussgras fressen und Wasser trinken können … ein oder zwei Tage macht ihnen das nichts aus.
Wenn du zehn Minuten Zeit hast, koche mir doch bitte deinen Spezialtee. Den mit Ingwer, Anis und den anderen Zutaten … Das sollte mich etwas aufmöbeln … Oh, und ein paar Melonen- oder Sonnenblumenkerne … vielleicht kannst du Din sagen, dass sie sie für mich knackt?“
„Was ist mit einem Becher Suppe? Es ist deine Lieblingssuppe …“
„Ja, gut, aber wenn ich schlafe, stell sie einfach auf den Tisch und ich trinke sie später kalt.
Hallo, Kinder, ich gehe heute früh ins Bett, aber macht euch keine Sorgen, ich bin schon in Ordnung. Eure Mutter erzählt euch dann die Einzelheiten. Ich glaube, ich habe nur irgendeinen Infekt. Gute Nacht zusammen.“
„Gute Nacht, Papa“, erwiderten alle. Din sah besonders besorgt drein, als sie zuerst Herrn Lees Rückzug beobachteten und sich dann gegenseitig ansahen.
Als Herr Lee in der stillen Dunkelheit lag, fühlte er, wie seine Körperseiten noch stärker pochten, wie ein fauliger Zahn, der nachts im Bett immer schlimmer weh tat. Er war aber so erschöpft, dass er nach kurzer Zeit schon fest schlief, noch bevor man ihm seinen Tee, die Suppe und die Samen brachte.
Draußen in der Dämmerung diskutierten die übrigen Mitglieder der kleinen Familie auf dem großen Tisch Herrn Lees schlimme Lage in gedämpftem Ton, obwohl laute Gespräche auch niemand gehört hätte.
„Wird Papa sterben, Mama?“, fragte Din, den Tränen nahe.
„Nein, meine Liebe, natürlich nicht“, antwortete diese. „Wenigstens … glaube ich es nicht.“

1 2 DIE ZWICKMÜHLE DER FAMILIE LEE
Wie das auf dem Land so üblich war, schliefen alle zusammen im einzigen Raum des Hauses: Mama und Papa in einem Doppelbett, die Kinder jeweils in Einzelbetten, jedes Bett war mit einem Moskitonetz geschützt. Als dann alle bei Tagesanbruch aufwachten, schlichen sie auf Zehenspitzen herum, um Heng nicht zu wecken.
Sie wussten, dass etwas nicht stimmte, weil er normalerweise als Erster aufstand und sich auf den Weg machte, sogar wenn der Morgen sehr kalt war. Sie lugten durch das Moskitonetz in sein leichenblasses Gesicht und sahen besorgt aus, bis sie die Mutter hinausscheuchte.
„Din, tu uns einen Gefallen, Liebes. Mir gefällt nicht, wie dein Vater aussieht, dusch dich schnell, lauf zur Tante und finde heraus, ob sie uns schon etwas sagen kann, sei so gut. Wenn sie noch nicht fertig ist, weil es so früh ist, dann bitte sie, sich für ihren Lieblingsneffen besonders zu bemühen bevor es zu spät ist.“
Din fing an zu weinen und rannte zur Dusche. „Tut mir leid, Liebes, ich wollte dich nicht erschrecken!“, rief Wan hinter ihrer Tochter her.
Als Din eine Viertelstunde später bei ihrer Großtante eintraf, war die alte Schamanin bereits wach und angekleidet, saß auf dem großen Tisch vor dem Haus und aß Reissuppe.
„Guten Morgen, Din, schön dich zu sehen, magst du eine Schale Suppe? Sie schmeckt sehr fein.“ Da war in ihre Großnichten vernarrt, besonders in Din, aber als sie hörte, was diese zu sagen hatte, konnte sie nicht anders: Sie musste einfach loswerden, dass ihre Mutter eine Menge verlangte, wenn sie in so einem Fall innerhalb von 24 Stunden eine ordentliche Diagnose erwartete.
„Deine Mutter, also wirklich! Nun gut, sehen wir mal, was wir tun können … dein Paw sieht schlecht aus?“
„Ja, Tante Da, er ist leichenblass, aber wir glauben nicht, dass er schon gestorben ist … Als ich weg bin, wollte ihn Mama gerade mit einer Nadel piksen und schauen, ob er reagiert, aber ich habe nicht abgewartet was passiert. Ich will nicht, dass Paw stirbt, Tante Da, bitte rette ihn.“
„Ich werde alles tun, was ich kann, mein Kind, aber wenn Buddha ruft gibt es niemanden auf der ganzen Welt, der ‚nein‘ sagen kann. Trotzdem, schauen wir mal, was sich machen lässt. Komm mit.“
Da ging voraus zum Kultraum, zündete eine Kerze an und schloss die Tür hinter ihnen. Sie hoffte, dass Din Interesse für die ‚alten Gebräuche‘ zeigte, solange sie noch jung genug war, sie ihr beizubringen. Sie wusste, dass sie eines Tages eine Nachfolgerin brauchte, wenn der Job in der Lee-Familie bleiben sollte.
Sie deutete auf die Matte für Hilfesuchende auf dem Boden, Din setzte sich, dann wanderte Da durch die Hütte, murmelte Gebete und Beschwörungen und zündete noch mehr Kerzen an, bevor sie Din gegenüber Platz nahm, die ihre Hände auf dem Schoß mit den Handflächen nach oben anstarrte.
Da sah ihre Nichte an, fühlte wie ein leichtes Zittern ihren Körper durchlief, starrte sekundenlang auf die eigenen Handflächen und blickte wieder zu Din auf.
„Du bist gekommen, um für eine andere Person Rat einzuholen? Bitte stelle deine Frage“, sagte Dan, aber mit einer tiefen, grollenden Stimme, die außerhalb ihrer Hütte noch nie jemand vernommen hatte.
Die Verwandlung erschreckte Din. So war es jedes Mal, wenn ihre Tante in Trance versank und einem anderen Wesen erlaubte, von ihrem Körper Besitz zu ergreifen. Es war nicht so sehr die Verwandlung ihres Gesichtsausdrucks, obwohl das beängstigend genug war. Es war vielmehr die subtile Veränderung ihres ganzen Körpers, ähnlich wie ein Schauspieler oder Darsteller seine Haltung verändert, um sich der zu verkörpernden Persönlichkeit anzupassen. Es war jedoch noch mehr als das. Es war, als ob Das Inneres durch ein anderes Wesen ersetzt worden war, wodurch sie nicht nur anders aussah, sondern auch anders klang.
Din sah die alte Schamanin an, die nicht länger ihre Tante war.
„Schamanin, mein Vater ist sehr krank. Ich muss wissen, was mit ihm los ist und was wir tun können.“
„Ja, dein Vater, der auch ‚Paw‘ genannt wird.“
Die Tante klang jetzt wie ein Mann, der seine Hand auf die Bündel legte, die Heng gestern dagelassen hatte und die Augen der Tante schloss. Es entstand eine lange Pause, jedenfalls schien es Din so, und die Stille war so tief, dass sie hören konnte, wie Ameisen auf dem harten Lehmboden herumkrabbelten.
Din hatte bereits an einem Dutzend solcher Sitzungen teilgenommen, obwohl bei keiner ein so ernster Grund vorgelegen hatte. Einmal hatte sie bei einem Magenproblem und vor einigen Jahren wegen ihrer Regel um Rat gebeten und neulich hatte sie wissen wollen, ob sie bald heiraten würde. Sie hatte keine Angst vor der Sitzung selbst, sondern vor dem Ergebnis. Sie wusste aber auch, dass sie nur dasitzen, warten und beobachten konnte, denn sie fand den Vorgang zugleich faszinierend.
Die Schamanin wickelte langsam das erste Päckchen mit dem Stein aus, untersuchte es sorgfältig, roch daran und legte es in das Bananenblatt zurück, dann nahm sie das Blatt mit dem Moos und roch ebenfalls daran, bevor sie es vor sich auf die Matte legte.
Die Schamanin sah Din feierlich an und nach ein paar Minuten ergriff sie das Wort.
„Der, um den du dich sorgst, ist sehr krank. Eigentlich war er dem Tod schon sehr nahe, als er diese Proben ablieferte, aber noch ist er nicht gestorben … Einige seiner inneren Organe, insbesondere die zur Reinigung des Blutes, sind in sehr schlechtem Zustand … Das, was man die Nieren nennt, haben ihre Funktion eingestellt und ein Leberversagen ist nur noch eine Frage der Zeit. Das bedeutet, dass der Tod kurz bevorsteht. Es gibt dafür kein Heilmittel.“
Die Schamanin erschauerte aufs Neue und ihre Gestalt verwandelte sich wieder in die alte Tante Da, die jetzt ein paarmal blinzelte, sich die Augen rieb und herumrutschte, als ob sie wieder ein altes enges Kleid überstreifte.
„Das waren keine guten Neuigkeiten, mein Kind, oder? Weißt du, wenn ich besessen bin, kann ich nicht immer alles hören, aber ich habe einiges davon mitbekommen und sehe dir an, dass es um deinen Vater schlimm steht.“
„Der Geist sagte, dass Paw sicher bald sterben wird, weil es kein Heilmittel für Nieren- und Leberversagen gibt …“
„Es tut mir leid, Din, du weißt, dass ich deinen Vater sehr gern habe … Jetzt hör mir mal zu, ich habe mir über die Jahre außer der Besessenheit selber ein paar Tricks angeeignet. Sehen wir mal … ja, der Stein … siehst du, wo dein Vater draufgespuckt hat? Keine Flecken! Das bedeutet, in seinem Speichel sind weder Salz noch Mineralien, keine Vitamine, einfach nichts, nur Wasser. Jetzt zu dem Moos.“ Sie hielt es von sich weg, schnüffelte und brachte es näher an ihre Nase. „Dasselbe! Riech mal!“ Sie streckte es Din entgegen, aber Din widerstrebte es, am Urin ihres Vaters zu riechen. „Nun mach schon, es beißt nicht!“, sagte Da. Din tat, was ihr gesagt wurde.
„Nichts, nur ein moosiger Geruch.“
„Genau! Männerurin riecht wie Katzenpisse, wenn man ihn verpackt aufbewahrt, aber der von deinem Vater nicht. Das bedeutet, dass er keine Substanz enthält, die ihn schlecht werden lässt. Das heißt weiterhin, dass der Urin deines Vaters auch nur Wasser ist.
Man kann nicht lange leben, wenn das Blut aus Wasser besteht. Das leuchtet doch ein? Das Blut ist für alle wertvollen Inhaltsstoffe im Körper verantwortlich, aber dein Vater hat keines und deswegen ist er auch die ganze Zeit so schwach! Lauf jetzt nach Hause, sieh nach, ob es schon zu spät ist und wenn er immer noch am Leben ist, komm zurück und hole mich mit deinem Roller. Los, beeil dich!“
Din stürzte nach Hause davon.
Während Din nach ihrem Vater sah, machte sich Da zum Aufbruch fertig, denn in ihrem Inneren wusste sie, dass Heng noch nicht tot war, nicht ganz zumindest. Sie wählte einige Kräuter aus und legte sie in eine Tasche, spritzte sich Wasser ins Gesicht und band sich für die bevorstehende Rollerfahrt die Haare mit einem Kopftuch zusammen gegen die Zugluft. Dann ging sie nach draußen, um auf ihre Nichte zu warten.
Einige Minuten später kam Din in einer Staubwolke zurück.
„Beeil dich, Tante, Mama sagt, er liegt im Sterben, komm schnell.“
Da setzte sich im Damensitz auf den Roller, wie es sich gehörte, sie rasten los und Da versuchte, Dins langen Haaren auszuweichen, die ihr schmerzhaft in das runzlige alte Gesicht peitschten. Sobald sie angekommen waren, sprang Da herunter, denn sie war gelenkig für ihr Alter und wurde ins Haus geführt.
„Danke, dass du so schnell gekommen bist, Tante Da, er ist oben im Schlafzimmer.“
„Ja, das dachte ich mir schon, dass er im Bett liegt und nicht bei seinen geliebten Ziegen ist!“
Sie hob das Moskitonetz und setzte sich neben Hengs Kopf auf den Holzboden. Zuerst betrachtete sie seine Haut, dann seine Augen und Lippen, schließlich öffnete sie seine Augen und spähte hinein.
„Hm, aha … zeig mir seine Füße!“ Wan deckte eilig die Füße ihres Mannes auf, Da lehnte sich darüber, um sie zu drücken und genauer anzusehen.
„Hm, ich habe noch nie so einen schweren Fall von Substanzmangel im Blut gesehen wie bei ihm. Erlaubst du mir, deinen Kindern zu sagen, was sie ab jetzt tun sollen? Gut, ich komme bald wieder, bette inzwischen den Kopf deines Mannes mit ein paar Kissen etwa höher, ich schicke Din herein, damit sie dir hilft und Den soll mir draußen helfen.“
„Ja, Tante, natürlich. Alles, was du willst, um meinem lieben Heng zu helfen.“
„Gut, schauen wir, was wir tun können.“ Mit diesen Worten erhob sie sich und stieg ins Erdgeschoss hinunter.
„Din, geh und hilf deiner Mutter, Den, komm mit mir, wir müssen alle schnell und gezielt handeln.“
Din reagierte sofort und Den fragte, wie er helfen könnte.
„Geh und hole mir den kräftigsten jungen Hahn, den ihr habt. Beeil dich, Junge!“
Als er mit dem Vogel unter dem Arm zurückkam, nahm ihn Da entgegen.
„Jetzt binde den stärksten Ziegenbock so eng an einen Pfahl, dass er sich keinen Zentimeter rühren kann – er kann sitzen oder stehen, das ist mir egal.“
Während Den davonrannte, hockte sich Da auf die Tischkante, schlitzte dem Junghahn die Kehle auf, ließ das Blut in eine Schüssel fließen, warf seinen leblosen Körper in den Gemüsekorb auf dem Tisch und eilte nach oben.
„Din“, sagte sie, „hast du Ziegenmilch oder irgendeine andere Milchsorte im Kühlschrank? Wenn nicht, dann nimm einen Krug und hole bitte frische Milch, Mädchen.“
Man musste ihr nicht sagen, sie solle sich beeilen, so schnell war sie weg.
„Gut, Wan, ist er wach?“
„Nicht wirklich, Tante, halbwach.“
„Gut, jetzt halte ihm die Nase zu und ich werde ihm dieses Blut einflößen.“ Sie presste mit Daumen und Mittelfinger gegen seinen geschlossenen Kiefer um ihn zu öffnen, drückte seinen Kopf nach hinten und goss ihm einige Mundvoll Hühnerblut in den Hals. Hengs spuckenden Geräuschen nach, die wie ein Benzinauto klangen, in das man Diesel gefüllt hatte, schloss Dan, dass etwa die Hälfte davon den richtigen Weg durch den Hals fand.
Heng öffnete ein wenig seine Augen.
„Was macht ihr beiden alten Hexen mit mir?“, flüsterte er. „Das war ja furchtbar!“
„Ah, das habe ich mir gedacht“, sagte Da und goss noch etwas nach. „Es ist zu reichhaltig, man muss ihn daran gewöhnen.“
Din kam zurück und sagte: „Frische, noch warme Milch von Blume, unserer besten Ziege.“
Da nahm sie, mischte sie zur Hälfte mit dem restlichen Blut und goss sie Heng wie zuvor in den Hals mit demselben Ergebnis, nur war sein Widerstand etwas stärker.
„Seht ihr!“, rief sie, „Er wird schon kräftiger! Heng versucht, sich zu wehren, er leistet Widerstand. Vielleicht ist er noch nicht ganz am Ende!
Gut! Wan, du machst weiter mit der Milch, aber lass die Hälfte vom Rest übrig. Ich bin gleich wieder da.“
Sie ging hinunter und rief nach Den.
„Ist der Ziegenbock schon bereit?“
„Ja, Tante, da drüben steht er.“
„Gut. Komm mit.“
Da ritzte mit einem rasiermesserscharfen Taschenmesser die Halsschlagader der Ziege und zapfte ein paar Milliliter Blut ab.
„Siehst du, wie ich das gemacht habe, Junge? Versuche, es dir zu merken, weil ich glaube, dass du das ab heute jeden Tag tun musst.“
Sie gingen beide nach oben und waren überrascht, als sie sahen, wie Heng mit Frau und Tochter sprach, ganz so wie ein Patient im Krankenhaus nach einer Vollnarkose – benommen, schwach und zögernd, aber verständlich.
Da mischte das Ziegenblut halb und halb mit der übrigen Milch, aber zum Versuchen gab sie ihm das Zeug zuerst unverdünnt.
„Oh, Tante, das ist widerlich! Du lieber Himmel …“
„Dann versuch das“, sagte sie und reichte ihm ein Glas mit rosa Flüssigkeit.
„Ja … das ist ganz in Ordnung … was ist das? Ich spüre schon, wie gut es mir tut.“
Heng trank es gierig.
„Es ist, äh, ein Milchshake mit Kräutern … Gut, nicht wahr?“
„Ja. Tante, sehr gut … sehr erfrischend. Hast du noch mehr davon?“
Wan sah die alte Schamanin an und diese nickte. Wan goss ein weiteres Glas voll und half ihrem Mann beim Trinken.
„Oh, ich bin so froh, Heng“, sagte Da. „Ich glaube, dass wir mit diesem Milchshake die Lösung für deinen schlimmen Zustand gefunden haben, obwohl ich sicher bin, dass wir ihn noch ein bisschen verfeinern können. Vielleicht finden wir noch andere Zutaten, um ab und zu den Geschmack zu verändern, damit er nicht langweilig wird.“
„Ja, Tante, ich habe gewusst, dass du etwas für mich tun kannst.“
„Ich tue doch alles für meine Familie, ich bin froh, dass ich helfen konnte“, antwortete sie und schenkte ihm ein aufrichtiges warmes Lächeln, was selten vorkam.
Sie mischte das restliche Blut mit der Milch und ein paar Kräutern zu etwa einem halben Liter Milchshake und meinte dann:
„Heng, ich glaube, du musst jetzt ruhen. Schau, hier ist noch mehr Milchshake für später, ich zeige deiner Familie unten, wie man ihn zubereitet, ja? Du schonst dich jetzt. Ruf, wenn du mich brauchst. Bis demnächst und gute Besserung.”
Als alle bequem auf dem großen Tisch im Garten saßen und Wan Erfrischungen mit frischem Obst und kaltem Wasser serviert hatte, übernahm Da den Vorsitz der Familienversammlung.
„Wie ich vorher schon sagte habe ich noch nie einen so extremen Fall wie diesen hier erlebt, aber scheinbar haben meine Erfahrung und die Geisterführer dafür gesorgt, die richtige Lösung zu verschreiben.
Wir haben aber bis jetzt nur benutzt, was man ein ‚Mittel für Notfälle‘ nennen könnte. Sehen wir der Sache ins Auge: Wir haben Heng Blut von Tieren gegeben, die nicht dasselbe wie wir Menschen essen, also werden ihm immer noch bestimmte lebenswichtige Zutaten fehlen.
Was wir wirklich tun müssen ist, für eine regelmäßige und dauerhafte Versorgung mit Blut von Tieren zu sorgen, die das fressen, was auch wir Menschen essen. Je ähnlicher umso besser für Heng.
Nun wissen wir alle, dass nicht jeder genau das isst, was der Körper täglich braucht. Wir können daher annehmen, dass Heng das auch nicht nötig hat. Wenn wir ihm aber nur Hühnerblut geben, dann wird ihm eine Menge fehlen und nur der Teil von ihm, der sozusagen ‚huhnähnlich‘ ist, wird gedeihen und überleben.
Dasselbe gilt, wenn er nur Ziegenblut trinkt, weil Gras für Menschen auf Dauer gesehen nicht ausreicht.“
„Also, was bedeutet das, Tante Da?“, fragte Den. „Dass wir Affenblut für ihn beschaffen müssen?“
„Nun ja, das geht in die Richtung von dem, was ich sagen will, richtig, Den, aber Affen fressen auch nicht genau dasselbe wie wir, nicht wahr?“
Sie ließ die Bedeutung des Gesagten ins Bewusstsein dringen. Din verstand als erste.
„Tante, meinst du damit, dass Papa eine regelmäßige Zufuhr von Menschenblut braucht?“
„Ja, Din, das wäre die einfachste Lösung und auf lange Sicht gesehen vielleicht die einzige. Wenn ihr keine regelmäßige Versorgung mit Menschenblut sichern könnt, müsst ihr ihm große Mengen Blut von vielen verschiedenen Tierarten geben, um die menschliche Ernährung zu ersetzen. Schweine fressen zum Beispiel sehr viele Dinge, die wir auch essen, aber sie fressen nicht viel Obst und kein Schweinefleisch.
Ich nehme an, ihr könntet nur für Heng eine paar ‚Spender-Schweine‘ halten und ihnen besonderes Futter geben, um das richtige Blut zu bekommen und es dann mit dem Blut anderer Tiere ergänzen, aber das wäre eben wieder sehr aufwändig. Ihr könntet eine Mischung aus Hühner-, Ziegen-, Schweine-, Hunde- und Katzenblut herstellen und im Kühlschrank aufbewahren, aber soweit ich weiß, hat das noch nie jemand gemacht … Das Ergebnis wäre bestenfalls unvorhersehbar.
Die Lösung liegt wirklich auf der Hand und heißt menschliches Blut. Wir haben die Proben eures Vaters vor mindestens sieben Stunden getestet und es ist ganz offensichtlich: Euer Vater hat kein Blut! Gar keines! Nicht mal einen Tropfen! Ich zeige es euch.“
Da griff in ihre Umhängetasche und nahm das in ein Bananenblatt gewickelte Moos heraus. „Das ist die Urinprobe eures Vaters. Seht her.“ Sie zündete es an. „Die Flamme zischt ein bisschen wegen der Feuchtigkeit, aber schaut mal, die Flammen sind farblos, das heißt, da sind weder Vitamine noch Salz, also nichts in seinem Blut. Er hat nur Wasser in seinen Venen, auch wenn es noch etwas rötlich ist.
Wir können ihm etwas später noch Blut absaugen und es kontrollieren, wenn ihr wollt. Wenn er richtiges Blut hätte, dann wäre das Moos jetzt ausgetrocknet und würde aussehen, als wäre es verbrannt.
Dasselbe ist mit dem Stein passiert, schaut her! Heng hat hier draufgespuckt, aber man sieht keinen Salzring, nichts, das heißt: einfach wieder nur Wasser. Euer Vater hat kein Blut in sich. Keinen Tropfen.“
„Ist das schlecht, Tante Schamanin?“, fragte Den.
„Schlecht? Ob das schlecht ist? Junge, ein Mensch kann ohne Blut nicht überleben! Ich habe dich sehr gerne, Den, aber manchmal kannst du wirklich extrem dumm sein! Nichts als Sex im Kopf, denke ich mal, so wie alle Jungs in deinem Alter! Und außerhalb des Kultraums bin ich für euch einfach ‚Tante‘. Euer Vater hat sich in einen Vampir verwandelt … hat er in letzter Zeit jemanden in der Familie gebissen?“
„Nein, Tante, aber vielleicht beißt er die Ziegen, das können wir nicht wissen“, erwiderte Den.
„Oh, das ist Ernst, wirklich äußerst Ernst. Ich habe von solchen Fällen gehört, aber noch nie einen gesehen mit meiner … meiner … äh, großen Erfahrung.“
„Irre”, sagte Den, „Papa hat sich in Pee Pob, einen Vampir, verwandelt? Wartet, bis ich das meinen Freunden erzähle! Heng – Pee Pob! Das ist der Wahnsinn!“
„Wird er bald sterben?“, fragte Din.
„Wir versuchen, ihn zu retten, Din, wir tun alles, was wir können, aber das heißt, dass ihr es niemandem erzählen dürft. Den! Hast du mich verstanden? Niemandem, absolut niemandem. Du dummer Junge! Bist du sicher, dass der Bub ein Lee ist, Wan?“ Sie warf Wan einen anklagenden Blick zu, die finster und mit so viel Verachtung zurückstarrte, wie sie einer alten Frau gegenüber aufbringen konnte, die gerade das Leben ihres sterbenden Mannes gerettet hatte.
„Also, so sieht es aus. Das sind eure Möglichkeiten. Am Ende ist es eure Entscheidung – die von allen vier – weil ja ihr es seid, die die ‚Medizin‘ beschaffen müsst, die Heng für den Rest seines Lebens braucht, denn diese Krankheit kann man nicht heilen.“
Da ließ sich schwer gegen eine der Dachstützen sinken und schloss die Augen, als ob sie ein Buch schließen und damit die Sitzung beenden würde. Die Familienmitglieder sahen zuerst sie und dann sich gegenseitig an, sie grübelten, wie man das Problem lösen könnte.
Während Tante Da scheinbar in Trance verfiel oder vielleicht sogar eingeschlafen war, debattierten die Drei, was als Nächstes zu tun wäre.
„Also”, sagte Wan, „von den hiesigen Bewohnern bekommen wir wohl nicht viel Blut. Die meisten würden einem ja nicht mal die Haut auf einem kalten Reispudding geben, geschweige denn einen halben Liter Blut und kaufen können wir es auch nicht von ihnen, das können wir uns nicht leisten.“
„Wir könnten Touristen einfangen, das Blut von denen in Flaschen absaugen und es im Kühlschrank aufbewahren …“, sagte Den.
„Hier oben gibt es eigentlich nicht viele Touristen, oder, Den?“, meinte seine Mutter und schnalzte missbilligend mit der Zunge.
„Wir könnten eine Mischung aus dem Blut verschiedener Tiere machen und jeder von uns spendet pro Monat einen halben Liter Blut“, steuerte Din bei.
„Also, ich weiß ja nicht, wie viel Blut eine Person im Jahr spenden kann, aber zwölf Mal ein halber Liter klingt schon nach einer Menge Blut – aber eine nette Idee, Liebes. Vielleicht wären ein paar Mitglieder unserer gesamten Sippe bereit, ab und zu Blut zu spenden, euer Vater ist in der Gegend ja recht beliebt …“
„Wir könnten anbieten, all das Blut von Leuten zu kaufen, die sterben“, schlug Den vor.
„Ich glaube, mein Lieber, du musst das Blut aus dem Körper herausbekommen, bevor derjenige stirbt, ansonsten schlägt ja das Herz nicht mehr und kann es auch nicht mehr herauspumpen.“
„Könnten wir sie nicht an den Füßen aufhängen und ihnen einen Zapfhahn in den Hals stecken … oder in ihr Herz … oder beides?“
„Aber sicher, wenn also die alte Mama von jemandem im Sterben liegt und alle deswegen weinen, ist dein Vorschlag, dass wir dorthin rennen, noch bevor sie kalt ist und fragen, ob wir sie an den Füßen aufhängen und ihr Blut in einen Eimer fließen lassen dürfen, damit dein Vater es später trinken kann, richtig? Das kommt bestimmt sehr gut an, ja.“
„Wir könnten anbieten, schon vorher etwas abzusaugen …“
„Denk nicht mal an so etwas Widerliches und Dummes!“
„Was ist mit Babys … naja, eher nicht, oder?“, meinte Den und verfiel in Schweigen, da man bisher all seine Vorschläge abgewiesen hatte.
„Also, fassen wir mal zusammen: erstens, Blut von Familienmitgliedern sammeln und zweitens, eine Mischung aus Tierblut fabrizieren, wobei wir von keiner Idee wissen, ob sie funktioniert. Sonst noch was?“
„Wir könnten … nein, eher nicht”, sagte Den.
„Sag schon, spuck’s aus, dumm oder nicht“, sagte seine Mutter. „Wir sind verzweifelt und müssen jede Möglichkeit prüfen.“
„Naja, ich könnte Moslem werden … dann könnte ich vier Frauen nehmen und damit hätten wir vier Blutspender mehr … und wenn von denen, sagen wir mal, jede vier Kinder hat, dann sind das nochmal sechzehn Spender mehr und…“
„Fein, Den. Danke! Jetzt wünsche ich mir, ich hätte nicht gefragt … als nächstes schlägst du vielleicht vor, dass deine Schwester anschaffen geht und einen Liter pro Nummer verlangt!“
Din lief bei dem Gedanken puterrot an und war schockiert, dass ihre Mutter das sogar ausgesprochen hatte, aber Den nickte gedankenverloren, bis Wan ihm einen Tritt versetzte.
„Soweit ich das sehe gibt es noch zwei Probleme, die wir noch gar nicht bedacht haben“, sagte Din. „Tante Da hat gesagt, dass Papa mit unserem Plan einverstanden sein muss, weil er das Zeug trinken soll und außerdem brauchen wir etwas für morgen.“
„Vielleicht können wir morgen den Ziegenblut-Milchshake verwenden, weil dein Papa den scheinbar lieber mag als den mit Hühnergeschmack. Aber ja, du hast recht, wir müssen uns bald etwas Dauerhaftes einfallen lassen. Wir können später Tante fragen. Und was euren Vater angeht: Er wird eben das trinken, was wir ihm geben und dankbar dafür sein müssen, bis er kräftig genug ist, seine eigenen Nahrungsbedürfnisse auf die Reihe zu bekommen. Aber ich bin sicher, er wäre froh, dass ihr euch Gedanken um ihn gemacht habt.“
Während die Drei ein paar Minuten lang ihren eigenen Gedanken nachhingen, ‚erwachte‘ Da.
„Habt ihr es geschafft, neue Ideen zu entwickeln oder sollte ich besser Lösungen sagen?“
„Nein, Tante“, gab Wan zu. „Den hatte ein paar einfallsreiche Vorschläge, aber die waren nicht wirklich umsetzbar. Leider stecken wir immer noch bei denselben Ideen fest, die du vor ein paar Stunden gemacht hast.“
„Ja, ich dachte mir schon, dass du das sagst, aber mal ganz ehrlich, es gibt keine einfache Lösung für das Problem. Bei meinen Meditationen kam auch nichts heraus, aber es ist schon später Nachmittag und ich bin müde. Könnte eines von euch Kindern mich heimbringen und wir überschlafen das Ganze?“
Sie warteten mit dem Essen auf Dens Rückkehr, dann kümmerten sie sich um die Tiere, duschten einer nach dem anderen und verbrachten die letzten Augenblicke des Tages zusammen, bevor sie früh zu Bett gingen, denn sie waren alle emotional erschöpft. In Wahrheit wollte jedoch keiner von ihnen alleine zu dem Vampir nach oben gehen, also gingen sie lieber alle zusammen.
Wan wollte sich nicht einmal neben ihn legen, aber sie fühlte sich dazu verpflichtet. Also ging sie als Älteste mit einer Kerze in der Hand vorneweg und die Kinder versteckten sich zitternd hinter ihr.
Sie blieben am Ehebett stehen und starrten. Heng saß kerzengerade im Bett und seine blasse Hautfarbe zusammen mit den korallenroten Augen leuchteten in der Dunkelheit.
„Guten Abend, Familie!”, sprach er mit tiefer rauer Stimme.
Alle drei legten sich jeweils in ihr Bett, aber sie konnten die Augen nicht von Heng abwenden, der einfach nur reglos vor sich hinstarrte.

1 3 PEE POB HENG
Nachdem sie endlich vor Erschöpfung eingeschlafen waren und in der Früh aufwachten, war Heng komplett von Decken verhüllt und hatte ein Kissen über dem Kopf.
Sie standen auf, liefen rasch an seinem Bett vorbei und so schnell wie möglich nach unten.
„Mensch, Mama, hast du gestern Papa gesehen?“, fragte Den. „Seine Augen und die blasse Haut haben im Zimmer geleuchtet, aber eigentlich waren es seine Augen, oder? Die Pupillen waren doch immer schwarz mit weißer Bindehaut wie bei uns, aber jetzt sind sie rot mit rosa Bindehaut … Das ist doch bestimmt wegen dem ganzen Blut.“
„Ich weiß es nicht, mein Lieber, aber ich nehme an, du hast recht. Hole lieber noch mehr davon und nimm deine Schwester mit, sie soll noch Milch bringen. Hast du dir gemerkt, wie die Tante das Blut abgenommen hat?“
„Ja, Mama, aber ich nehme es von einem anderen Ziegenbock, damit die Wunde von dem Bock gestern heilen kann.“
„Ja, gute Idee, Den. Nimm jeden Tag einen anderen Bock für das Blut und Din kann wie immer das normale Melken übernehmen. Aber vorläufig ist die ganze Ziegenmilch für deinen Vater, ja? Er braucht sie viel nötiger als wir und wir wollen ja nicht, dass er mitten in der Nacht Hunger bekommt.“
„Nein, Mama, wirklich nicht! Ich habe gestern Nacht ewig nicht einschlafen können. Ich war starr vor Angst, dass Papa anfangen könnte herumzuwandern um vielleicht nach etwas zu suchen, was er essen könnte – oder nach jemandem.“
„Jetzt zerbrich dir mal im Moment nicht den Kopf wegen solcher Sachen, Den. Ich bin näher bei ihm, also wird er sich zuerst mich vornehmen, aber wenn du eine verschrumpelte, blutlose Hauthülle in seinem Bett entdeckst, dann zieh aus. Das Gleiche gilt, wenn du eines Morgens siehst, dass dich vier rote Augen unter unserem Moskitonetz anstarren.“
„Da kannst du drauf wetten, Mama! Ich geh jetzt und hole sofort das Blut. Wo ist Din?“
„Ich weiß nicht, vielleicht hat sie schon mit der Milch angefangen. Mach deine Arbeit und ich fahre mit dem Roller zu Tante Da – ich glaube, dass wir immer noch etwas Hilfe mit deinem Vater brauchen. Du und deine Schwester wartet, bis ich zurück bin, bevor ihr zu ihm hinaufgeht, ja?“
„Ja, Mama, das brauchst du mir nicht zweimal zu sagen, aber was machen wir, wenn er herunterkommt?“
„Ich glaube nicht, dass er das tut … er hat fest geschlafen, als wir aufgestanden sind, aber es dauert ja nicht lange, bis wir wieder da sind. Falls er doch aufsteht, dann lasst euch von ihm keinen Guten-Morgen-Kuss geben.“
Zehn Minuten später kam Wan mit Da zurück, die auf ihrem Tisch gesessen und auf den unausweichlichen Besuch eines Mitglieds des Heng-Haushalts gewartet hatte. Bei ihrer Rückkehr war Heng noch nicht heruntergekommen, Din hatte die Milch beschafft und Den war fast fertig.
„Gut“, meinte Da, „erstmal empfehle ich halb und halb Ziegenmilch und Blut mit einem Teelöffel Basilikum, einem halben Teelöffel Koriander und einer Prise von diesem hier. Rührt alles gut um und fertig ist der Shake. Gebt ihm in der Früh einen halben Liter und dasselbe vor dem Schlafengehen. Das sollte vorläufig reichen. Oh ja, gebt ihm niemals Knoblauch, das ist ganz schlecht für Vampire! Jetzt gehen wir mal nach oben und sehen nach ihm.“
„Bevor wir hinaufgehen, Tante, muss ich dir noch erzählen, dass er in der gestrigen Nacht die meiste Zeit kerzengerade im Bett saß. Er sah aus wie ein Leuchtturm mit leichenblasser Haut und rosa Augen mit roten Pupillen. Oh je, und wie er mit uns geredet hat! Oh, Buddha! So etwas habe ich noch nie gehört. Er hat gesagt ‚Guten Abend, Familie‘ mit einer ganz seltsamen, tiefen Stimme … es war wirklich gruselig.“
„Nimm das jetzt nicht so wichtig … Gehen wir und sehen wir mal nach ihm.“
Sie gingen mit der Milchshake-Flasche nach oben und betraten das Zimmer. Alle Fensterläden waren geschlossen und es herrschte tiefe Dunkelheit. Wan ging nochmal hinaus und nahm eine Kerze aus dem Kerzenhalter, zündete sie mit einem Feuerzeug an, das daneben an einer Schnur hing und ging wieder hinein zu Da, die näher ans Bett getreten war, in dem Heng schlief.
Das Kerzenlicht enthüllte nichts Neues, daher banden die Frauen das Moskitonetz nach oben und setzten sich jeweils an eine Bettseite. Wan zog die Decken zurück und da war er: Er lag er auf dem Rücken, die Arme weit ausgebreitet wie Jesus am Kreuz, die offenen Augen wie zwei tiefrote Kreise in rosa Mandeln in einer geisterhaften ausdruckslosen Maske mit Lippen, die zwei dünne Striche um seinen Mund bildeten.
Wan sah Da fragend an, die ihren Patienten studierte. Sie legte ihm den Handrücken auf die Stirn und war nicht überrascht, dass sie Zimmertemperatur hatte.
„Wie geht es dir heute, Heng?“, fragte seine Frau.
„Hungrig … nicht durstig“, sagte er und die Worte fielen ihm aus dem Mund wie Geröll, das bei einem Felsrutsch den Berg herunterpoltert.
„Gut, mein Lieber, setz dich auf jetzt. Wir haben einen feinen Milchshake für dich.“
Die Frauen rückten ihm die Kissen zurecht, halfen ihm sich aufzusetzen und legten ihm dann eine Decke um.
„Trink das“, sagte Wan. „Es ist der Geschmack, den du gestern am liebsten gemocht hast.“
Da goss etwas in einen Becher und steckte einen Strohhalm hinein. Heng trank zwei Gläser der rosafarbenen Flüssigkeit mit dem grünen Kräuterschaum und schien aufzuleben. Er setzte sich gerade hin und blickte um sich, als ob er alles zum ersten Mal sähe.
„Das schmeckt dir, Heng, ja?“, fragte Da. „Wie ich sehe, bist du jetzt viel munterer als bei unserer Ankunft. Meinst du, du kannst heute nach unten kommen? Die Sonne tut dir vielleicht gut … Du siehst etwas blass aus … Du bist es nicht gewöhnt, drinnen zu sein.“
Heng sah sie an, als ob er eine Fremdsprache hörte, dann blickte er auf seine Frau.
„Musst du auf die Toilette, Heng? Du warst schon ziemlich lange nicht mehr, ist unten herum alles in Ordnung? Willst du jetzt auf die Toilette oder soll ich dir einen Eimer hochbringen?“
„Ja, gute Idee, ich will unten auf die Toilette, aber erst noch mehr Milchshake.“
Da keine der Frauen wusste, wie viel er trinken sollte, gaben sie ihm so viel er wollte und Heng trank einen ganzen Liter.
Da setzte sich zurück und sah zu, wie Wan ihm half, sich anzuziehen. Als der Milchshake seine Wirkung entfaltete, wurde Heng lebhafter.
„Komm, mein Lieber, jetzt helfe dir, dich fertig anzuziehen, dann gehen wir hinunter.“
Jede Frau nahm einen Arm und sie halfen dem zitternden Mann auf die Beine. Er ähnelte einem Fahrrad mit eiernden Reifen. Als sie mit ihm draußen auf dem Treppenabsatz standen, zuckte er im hellem Tageslicht etwas zusammen, aber das hätte wohl jeder getan, der eineinhalb Tage in einem dunklen Zimmer gelegen war. Den und Din sahen zu, als ihr Vater, unterstützt von der Tante und seiner Frau, wie ein Alkoholiker die Treppe hinunterschwankte.
Sie waren entsetzt, wie gebrechlich und verändert er aussah. Heng war immer schon dünn gewesen, aber jetzt war er hager, schneeweiß und seine Augen ähnelten zwei rote Mandeln. Sie machten Platz, als er sich zu einer Atempause auf den Tisch kauerte.
„Den, hast du noch die alte Sonnenbrille? Ich glaube, dein Vater braucht sie heute, seine Augen sind ein bisschen empfindlich.“
Da sagte: „Wan, schaffst du es alleine, Heng auf die Toilette zu bringen oder soll dir Den helfen?“
„Nein, ich glaube es geht schon.“
Sie führte ihn weg, dabei benutzte Heng seine freie Hand, um die Augen abzuschirmen. Als sie ihm eine Viertelstunde später wieder auf den Tisch halfen, schien er von der Anstrengung erschöpft zu sein.
„Din, lauf doch bitte nach oben und hole ein Betttuch und ein paar Kissen. Dein Vater wird sich heute hier unten ausruhen, damit er ein bisschen an der frischen Luft und in der Sonne ist. Er war noch nie in seinem Leben so lange drinnen, das ist sein Körper nicht gewöhnt. Schau nur, in welchem Zustand er ist …“
Während der ganzen Zeit sah Heng von einer Sprecherin zur anderen, aber er schien die Unterhaltung nicht zu verstehen. Sie machten es ihm mit dem Bettzeug bequem und Den fand die pechschwarze Sonnenbrille mit den verspiegelten Gläsern, auf die er vor zehn Jahren, als sie in Mode war, so stolz gewesen war.
Das Ergebnis war, dass Heng mit Sonnenbrille und eingehüllt in ein weißes Betttuch einem schrägen Vogel ähnelte, den man an eine Dachstütze gelehnt hatte.
„Gut, Kinder, ich glaube ihr geht besser und bereitet mehr Milchshake für euren Vater zu. Heute hat er scheinbar großen Hunger und das ist ein gutes Zeichen. Das heißt, dass wir etwas richtigmachen! Du fühlst dich heute viel besser, nicht wahr, Paw?“
Sie warteten alle auf seine Reaktion und dann nickte er, wobei er auf eindrucksvolle Weise einer Eule ähnelte. Den und Din liefen kichernd davon, sie fanden es schwierig, in dem Wesen, das da auf dem Tisch saß, ihren Vater vor 24 Stunden zu erkennen.
„Meinst du, dass ich Heng heute Abend etwas zu essen kochen soll, Tante Da?“
„Es wird ihm nichts schaden, wenn er etwas isst, aber es ist kein Ersatz für die Milchmischung.“
„Heng, willst du später mit uns essen?“
Heng legte seinen Kopf von einer Seite auf die andere und starrte seine Frau an.
„Was kochst du heute Abend, Wan?“, fragte Da.
„Huhn oder Schwein … was er möchte.“
Heng blickte weiterhin von einer Sprecherin zur anderen wie jemand in einem Land, dessen Sprache er nicht verstand.
„Warum fragst du ihn nicht? Er ist ja nicht dumm geworden, wenigstens glaube ich es nicht.“
„Was möchtest du heute Abend essen, Heng? Schwein oder Huhn?“
Er sah sie ein paar Sekunden an und dann sagte er:
„Kind …“
„Aha, und welches? Ach Heng, du kannst doch nicht die Kinder essen … das wäre völlig daneben.“
„Nicht unsere Kinder … Ziegenkinder … Wir haben ein paar, oder?“, meinte Heng.
„Ja, wir haben noch ein paar, aber ich dachte, dass wir die behalten und die Herde vergrößern.“
„Nur ein Kind.“
„Na ja, also gut, Heng, weil du krank bist, mache ich dir heute Abend Zicklein-Kotelett und der Rest von uns bekommt Schwein.“
„Ich will meines blutig vom Grill, nicht als Curry, Wan. Ich habe so einen Appetit auf Fleisch, richtig rotes Fleisch.“
Die Kinder waren äußerst erleichtert, dass ihr Vater bis jetzt noch keine Absicht zeigte, sie zu essen.
Als es so aussah, als sei Heng in Erwartung des Abendessens eingeschlafen, fragte Den seine Mutter, ob sie glaubte, dass er sie eines Tages aufessen wollte.
„Oh, ich glaube nicht, Den. Nicht, wenn wir geben, worauf er Appetit hat, obwohl wir noch nicht wissen, was das ist. Tante Da, was hältst du von Hengs Zustand?“
„Ich denke, das Ganze ist sehr interessant … in der Tat äußerst interessant. Wie ihr ja gesehen habt, war Heng gestern praktisch an der Schwelle des Todes, aber jetzt wird er stündlich aktiver, obwohl er scheinbar nicht mehr der Heng ist, den wir alle kennen und so gernhaben.
Wir müssen sehen, was aus diesem neuen Heng wird, vielleicht bekommen wir den alten Heng zurück, wenn er sich an seine neue Diät gewöhnt und sich davon erholt hat, dass kein richtiges Blut mehr in seinem Körper war.
Ich habe vielleicht etwas mehr Ahnung als du, aber ich gebe zu, das hier ist Neuland für mich. Ich muss zusätzlich zu einigen Vorschlägen meiner Geisterfreunde improvisieren, obwohl einer meinte, es wäre gnädiger ihn einfach umzubringen, damit er ein neues Leben anfangen kann. Was hältst du von diesem Vorschlag, Wan?“
„Äh, um ehrlich zu sein, ich glaube, das wäre doch eine etwas drastische Maßnahme, meinst du nicht auch, Tante Da?“
„Doch, das finde ich auch, deswegen habe ich es auch nicht vorgeschlagen, aber es ist immerhin eine Option, wenn alles außer Kontrolle gerät.“
Heng schien während des Gesprächs zwar zu schlafen, aber vergewissert hatten sich die Frauen nicht.
„Glaubst du, dass er leidet, Tante Da?“
„Er scheint doch ganz friedlich zu sein, oder? Er spricht jetzt wieder und hat nicht über Unwohlsein geklagt. Ich würde mir an deiner Stelle nicht so viele Sorgen um seine körperliche Verfassung machen, aber du kennst ihn besser als alle anderen. Achte also auf irgendwelche Anzeichen geistiger Veränderung und gib mir Bescheid, damit wir das bereden können.“
„Gut, Tante Da, mache ich. Hör zu, wenn du andere Dinge zu tun hast, dann lass dich von uns nicht aufhalten. Die Kinder sind großartig – sie haben alle Hausarbeiten übernommen, damit ich bei Heng sitzen kann, aber wenn du willst, dass man dich heimbringt, lässt sich das machen. Wir sind dir alle sehr dankbar für deine Hilfe. Ohne dich wäre Heng gestorben, das wissen wir genau. Wenn es jemals etwas gibt, was wir für dich tun können, dann brauchst du es nur zu sagen.“
„Ja, danke, Wan, vielleicht gehe ich jetzt ein paar Stunden nach Hause, aber ich möchte sehen, wie Heng sein Zicklein isst. Es wäre also sehr gut, wenn ich heute Abend mit euch Schwein essen könnte. Mach dir wegen der Bezahlung vorläufig keine Gedanken. Heng ist mein Lieblingsneffe und ich möchte nicht, dass ihm etwas zustößt, wenn es in meiner Macht steht, es zu verhindern. Ich kann zu Fuß heimgehen und auch wieder herkommen … Um wie viel Uhr gibt es Essen, was meinst du?“
„Zwischen sieben und halb acht, wie immer. Du bist herzlich eingeladen.“
„Gut, ich bin dann mal weg, wir sehen uns gegen sieben. Bis dann.“
„Wiedersehen, Tante Da und nochmal danke für all deine Hilfe.“
Als Da weg war, überfiel Wan ein seltsames Gefühl, mit ihrem Mann allein zu sein. Es war das erste Mal, seit Heng ‚krank‘ geworden war, Den hatte die Ziegen an den Fluss geführt und Din kümmerte sich um das Gemüsebeet der Familie. Wan musste Den noch sagen, dass er eines der Zicklein schlachten sollte, die mit ihren Müttern in der Herde mitliefen, aber sie wagte es nicht, Heng alleine zu lassen. Din war die einzige, die gehen konnte, daher hoffte sie, dass sie bald zum Mittagessen zurückkäme. Normalerweise tat sie das, Wan war also ganz zuversichtlich, dass Heng sein Zicklein-Kotelett bekommen würde.
Sie versuchte, mit ihm zu reden und da sonst niemand da war um mitzuhören, benutzte sie Kosenamen.
„Heng, Schatz, bist du wach, mein Lieber? Wir alle … haben uns solche Sorgen gemacht … bitte antworte mir, wenn du mich hören kannst.“
„Natürlich kann ich dich hören, wenn ich wach bin, aber ab und zu döse ich ein, Mud“, sagte er mit seiner neuen, leisen und grollenden Stimme. „Ich vermute, dass ich ein paar Sachen verpasst habe. Insgesamt fühle ich mich viel besser, wenn auch ein bisschen komisch. Ich freue mich aber auf das Abendessen. Wie viel Uhr ist es jetzt?“
„Viertel vor zwölf und bald gibt es ein kleines Mittagessen, magst du auch was?“
„Was gibt es denn?“
„Ach, einen Salat …“
„Bäh, Kaninchenfutter!“
„Aber grüner Salat hat dir immer so geschmeckt, Heng …“
„Wirklich? Kann ich mir nicht vorstellen. Ich erinnere mich auch nicht, dass mir das jemals geschmeckt hat.“
„Wie steht’s mit einem Omelett?“
„Ja, das klingt besser. Kannst du etwas Milchshake dazugeben?“
„Natürlich, mein Lieber, warum nicht, ich nehme etwas von dem, den ich später für das Abendessen vorbereitet habe. Geben wir Din noch eine halbe Stunde und schauen, ob sie zurückkommt. Sie muss Den Bescheid sagen, dass er eines der Zicklein für dich schlachtet.“
Nach dem Mittagessen brachte Din ihrem Bruder ein paar Messer, einen Beutel für das Fleisch und einen Behälter für das Blut, damit er seine grausige Tat vollbringen konnte, dann ging sie zurück zum Gemüsebeet.
„Das Omelett hat dir scheinbar geschmeckt, Heng, oder?“
„Ja, es war sehr gesund, sehr gehaltvoll, viel Protein.“
Wan wich Heng den ganzen Nachmittag nicht von der Seite, sie schnitt Gemüse klein und bereitete Naam Prik Chili-Sauce zu. Heng sprach jedoch kein einziges Wort mehr. Er hielt offenbar einen Mittagsschlaf oder vielleicht auch ein nachmittägliches Genesungs-Nickerchen nach der ersten festen Nahrung seit zwei Tagen.
Din kam am späten Nachmittag als Erste zurück mit einem Korb voll Gemüse und Kräutern für die nächsten 24 Stunden. Nur wenig später traf Den ein und gab seiner Mutter einen Beutel mit sauber geschlachtetem Fleisch und einen Behälter voll Blut von der toten Ziege.
„Ich gehe nur schnell und reibe Salz auf die Haut, Mama. Ich habe sie schon abgeschabt, so wie Papa es mir gezeigt hat. In zwanzig Minuten bin ich wieder da.“
„Kein Grund zur Eile, wir haben viel Zeit. Vergiss nicht, dich nach der ganzen Ziegenschlachterei zu duschen, bevor du dich auf den Tisch setzt.“
„Ja, Mama …“
„Hmm, Milchshake, ich rieche feinen Milchshake …“ Heng regte sich und murmelte vor sich hin.
„Ja, Heng, Milchshake … Mud macht dir später Milchshake, aber zuerst essen wir zu Abend, sobald deine Tante kommt.“
Wan wisperte Din zu: „Ich glaube, er kann das Ziegenblut oder das Fleisch riechen. Schau mal, wie seine Nase zuckt, wie bei einer Hexe. Wer hätte vor einer Woche geglaubt, dass wir mal so leben würden?“
Wan gab das überschüssige Fleisch in die Gefriertruhe, dann legte sie Hengs Fleischportion in ausreichende Entfernung, damit ihn der Blutgeruch nicht reizte und ging weiter ihren Hausarbeiten nach. Heng schlief wieder ein wie ein Aufziehspielzeug, das abgelaufen war.
Um Viertel vor sieben holte Wan das gehackte Gemüse zum Abtropfen aus dem Wasser, machte ein offenes Feuer in einem Behälter, den man auf einem alten Betonblock auf dem Tisch zum Kochen benutzte und gab noch ein paar Kohlestücke dazu. Heute Abend gab es das Lieblingsessen der Kinder – gegrilltes Schwein.
Die Vorrichtung zum Grillen war einfach, aber effektiv. Man nahm eine Metall-‚Schüssel‘, die an eine altmodische Orangenpresse erinnerte. In der Mulde befand sich Wasser, um das Gemüse und Reisnudeln zu kochen, der obere Teil war dazu gedacht, Fleisch zu grillen. Faktisch bereitete jeder sein eigenes Essen zu und füllte die Mulde für alle anderen wieder auf, damit es trotzdem eine gemeinsame Mahlzeit blieb.
Als Da, wie es sich gehörte, nicht zu früh kam, sondern um zehn nach sieben, schickte Wan Din zum Kühlschrank, der unter dem Haus stand, um das Fleisch zu holen. Als sie noch etwa zehn Meter vom Tisch entfernt war, wurde Heng wieder ‚lebendig‘, seine Nase zuckte.
„Hmm, Milchshake!“
„Nein Heng, Milchshake später, jetzt gibt’s Ziegenkotelett.“
„Mmm, Kotelett vom Zicklein, herrlich, blutig…“
Da war fasziniert und merkte sich alles.
Als Wan das Fleisch auf den Grill legte, nahm Heng die Sonnenbrille ab, um im schnell abnehmenden Tageslicht besser sehen zu können. Seine Augen glühten wie leuchtend rotes Signalfeuer und die Kinder schauderten vor Angst und Unverständnis.
Alle waren der Meinung, dass das köchelnde Gemüse und das bratende Fleisch herrlich rochen, aber Heng ergriff das Wort zuerst.
„Zicklein riecht jetzt köstlich! Nicht das Blut verbrennen. Heng will sein Fleisch blutig … kein Gemüse, riecht furchtbar.“
„Ja, Heng, ich weiß, blutig, aber nicht roh. Es ist noch roh, es braucht noch ein paar Minuten.“
„Nein, Mud, ich will so essen. Es riecht jetzt so gut, aber jede Minute wird der Geruch weniger. Ich will meines jetzt.“
„Also gut, Heng, wie du willst. Magst du etwas Gemüse zu deinen Koteletts oder ein paar Nudeln?“
„Nein, nur Fleisch, will Ziege, kein Kaninchenfutter.“
Wan nahm die beiden Koteletts vom Feuer, gab eines auf den Teller reichte ihn Heng.
„Hier, Paw, aber ich finde es immer noch schrecklich blutig. Du wolltest dein Fleisch immer gut durchgegart, so wie wir.“
Heng nahm den Teller und hielt ihn unter seine Nase, die wie bei einem Kaninchen zuckte und schnüffelte. Dann stellte er den Teller auf seinen Schoß, nahm das kleine Kotelett in beide Hände und hielt es sich wieder unter die Nase.
„Wunderbar”, sagte er. „Etwas zu viel gegrillt, aber sehr fein.“
Heng bemerkte nicht, dass seine Bewegungen von allen genau beobachtet wurden. Er biss ein winziges Stück Fleisch ab und kaute es mit den Schneidezähnen. Wan zumindest hatte erwartet, dass er das ganze Fleisch auf einmal abbeißen würde. Dann nahm er das Kotelett in eine Hand und zupfte mit der anderen Hand winzige Fleischstückchen ab. Als er ein wenig von dem blutigen Inneren freigelegt hatte, hielt er es an die Lippen und saugte.
Seine Familie sah sich völlig verblüfft an, als er mit seinen roten und rosa Augen wie ein Habicht das Fleisch beäugte.
„Stimmt etwas nicht?“, fragte er seine Frau, wobei er seinen Kopf in einer schnellen Bewegung zur Seite neigte.
„Nein, Heng, alles klar. Es ist schön zu sehen, dass du feste Nahrung zu dir nimmst, das ist alles. Wir freuen uns einfach für dich, nicht wahr?“
„Ja“, stimmten alle sofort zu, aber Da hatte Vorbehalte, obwohl sie momentan nicht vorhatte, sie mit jemandem zu teilen.
„Gut! Dann ist alles in Ordnung“, sagte Heng und zupfte mit offensichtlichem Vergnügen weiter an seinem Fleisch.
Heng brauchte eine ganze halbe Stunde, um das etwa 36 Quadratzentimeter große Fleischstückchen zu essen, dann nahm er sich den Knochen vor, den er säuberlich abzupfte und trockensaugte. Für alle anderen war es fast unmöglich, sich auf das eigene Essen zu konzentrieren. Das führte dazu, dass in der Mulde des ‚Grill‘-Behälters das Wasser verdampfte und das Fleisch ein paar Mal anbrannte. Ihre Mahlzeit war also beinahe ruiniert, obwohl sie sie trotzdem aßen, weil man Essen nicht verschwendete.
Als er sein erstes Kotelett verzehrt hatte, wischte sich Heng mit dem Handrücken den Mund ab, dann leckte und saugte er ihn trocken. Ein Außenstehender hätte meinen können, dass Heng gerade aus jahrelanger Einzelhaft in einem Konzentrationslager entlassen worden war, wo er nur Wasser und Brot bekommen hatte. Niemand aus der Familie hatte jemals einen Menschen gesehen, dem ganz offensichtlich das Essen so gut schmeckte.
„Magst du jetzt das andere Stück, Paw?“, fragte Din.
Heng ergriff das Laken um seine Schultern, schüttelte es zurecht und versuchte, es sich bequemer zu machen. Den rettete den Teller von seinem Schoß, bevor er herunterfiel.
„Warten wir, bis das verdaut ist“, sagte Heng, „und dann mehr essen. Sehr gutes Essen. Heng sehr gut schmeckt.“
Den sah seine Mutter an und sie wusste, was er meinte. Heng benutzte eine Art Kauderwelsch-Thai, niemand hatte ihn je zuvor so falsch reden hören, obwohl sein Thai noch nie perfekt gewesen war, weil er chinesische Eltern hatte.
Gerade als alle anfingen, sich wieder ihrem eigenen Essen zu widmen und Heng still dasaß, ertönte eine Art dumpfes Rumpeln aus seiner Richtung. Alle wussten, was passiert war, aber aus Höflichkeit taten sie so, als hätten sie es nicht gehört. Dann hörte man das nächste Gegurgel zusammen mit einem grauenhaften Gestank.
Nur Wan und Da wagten es, Heng anzusehen, der unter seinen dunklen Brillengläsern breit grinste.
Den begann zu kichern. Zuerst leise, aber dann konnte er sich nicht mehr zurückhalten und gleich darauf hatte er Din mit seinem Gelächter angesteckt.
„Ruhe, Kinder! Euer Vater kann nichts dafür. Er ist krank“, sagte Wan „Die feste Nahrung muss einfach durch ihn hindurch gerutscht sein.“
Trotzdem konnten sich Den und Din nicht beherrschen. Heng saß einfach da und hatte ein zufriedenes Grinsen auf dem Gesicht. Als der Gestank nach ein paar Minuten immer noch nicht nachgelassen hatte, sagte Wan zu Den:
„Hilf deinem Vater auf die Toilette, Den, damit er sich saubermachen kann. Wenn es ein Problem gibt, ruf einfach, dann komme ich und helfe ihm. Heng, gib deine Unterhose in den Wäschekorb, ich kümmere mich morgen darum.“
Als sie weg waren, sagte Wan:
„Oh je! Du lieber Himmel, was hältst du davon, Tante Da?“
„Seltsam, nicht wahr? Aber das Verhalten von Heng erinnert mich an einen Vogel. Ich kann es noch nicht genau erklären, aber denke an die Art, wie er gekrümmt dagehockt ist, wie er gegessen und gleich danach gekackt hat … das machen Vögel – ich glaube, viele andere Tiere auch, aber schau dir mal deine Hühner im Hof an. Ich kann mir nicht helfen, es sah aus als ob er mit seinem Tuch und der Brille auf einer Stange hockte, nachdem er das Kotelett gegessen hat.“
„Denkst du etwa, dass er jetzt inkontinent ist? Ich mache mir ein bisschen Sorgen um unser Bett … wir haben erst vor einigen Wochen eine neue Matratze gekauft … Es wäre wirklich schade darum. Meinst du es ist in Ordnung, wenn wir ihn in der Scheune schlafen lassen, bis wir sicher sind?“
„Nein, mach dir keine Sorgen! Nicht mal Vögel kacken in ihr eigenes Nest, obwohl du ihm vielleicht eine Windel anziehen solltest, bis wir besser verstehen, was eigentlich Sache ist … Oder Inkontinenzhosen, wenn er so weitermacht, aber um die zu kaufen, musst du in die Stadt fahren.“
Als Heng mit Den zurückkam, sah er etwas niedergeschlagen, sogar ein wenig verlegen aus.
„Bist du in Ordnung, Heng?“, fragte seine Frau.
„Ja, Unfall. Nicht Sorgen machen, kein Problem. Heute nicht mehr. Ich jetzt Bett gehen.“
„Ja, gute Idee. Tante Da, was ist mit seinem Milchshake?“
„Ich glaube, er sollte etwas trinken, bevor er ins Bett geht. Zerbrich dir nicht den Kopf über das neue Bett, er hat es ja vorher auch nicht vollgemacht, also glaube ich nicht, dass er es heute Nacht tut. Aber wenn ich mit ihm zusammenleben würde, würde ich nicht wollen, dass er mitten in der Nacht aufsteht und nach etwas Essbarem sucht.“
„Nein, da hast du wahrscheinlich recht. Den, setz deinen Vater kurz auf den Tischrand. Din, hol bitte ein Glas Milchshake, ja?“
Als er es hinuntergestürzt hatte und keine verdächtigen Geräusche oder Gerüche folgten, sagte Wan den Kindern, sie sollten ihren Vater ins Bett bringen.
„Ich komme bald nach oben und sehe nach, ob alles in Ordnung ist, aber ich glaube, er wird jetzt schlafen. Ja sowas, Tante Da, was für ein Theater! Jetzt haben wir einen Vogelmann im Haus! Was meinst du dazu?“
„Ich weiß noch nicht genau, Wan, aber dein Scherz könnte der Wahrheit näherkommen als du denkst. Wir müssen abwarten und sehen, was passiert. Schauen wir mal, ob er im Winter als erstes in den Süden ziehen will.“
Wan war sich nicht sicher, ob Da Witze machte oder nicht, also schenkte sie ihr ein halbherziges Lächeln, von dem sie hoffte, es wäre undurchschaubar. Sie wusste aber, dass das bei Tante Da, der Schamanin, nicht funktionierte.
Sie war besorgt, aber wer wäre das unter solchen Umständen nicht gewesen?

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