Читать онлайн книгу «Der Rancher Und Die Zweckdienliche Braut» автора Shanae Johnson

Der Rancher Und Die Zweckdienliche Braut
Shanae Johnson
Liebe auf den ersten Blick ändert die Pläne eines Army Rangers, der eine kalkulierte Zweckehe mit einer Rancherin eingeht.
Der Army Ranger Tony Keaton arbeitet nach einem strengen Zeitplan. Er hat neunzig Tage vom ersten Spatenstich bis zur Eröffnung eines Trainingscamps für Elitesoldaten. Seit Keaton und seine Männer den Militärdienst beendet haben, planen sie dieses Unternehmen. Ihr Problem: Das Camp, das auf dem Land der Purple Heart Ranch errichtet werden soll, benötigt für die Übungen Zugang zu einem angrenzenden Fluss. Glücklicherweise ist die atemberaubende Rancherin, der das betreffende Land gehört, bereit zu einem Deal.

Rinderzüchterin Brenda Vance feuert ihre Rancharbeiter, da diese nicht bereit sind, für eine Frau zu arbeiten. Sie hat viel Geld in die technologische Modernisierung ihrer Ranch investiert. Um die Schulden dafür zu begleichen, stimmt sie dem Verkauf des Flussabschnittes an Army Ranger Tony Keaton zu. Eine Scheinehe ist jedoch der einzige Weg, Keatons Deadline einzuhalten und die Eigentumsrechte zügig genug an ihn zu übertragen, um den Fertigstellungstermin des Trainingscamps einzuhalten. Ein hieb- und stichfester Ehevertrag bewahrt Brendas Vermögenswerte vor Schaden, doch was beschützt ihr Herz?

Brenda träumt gefährliche Träume von einer Ehe, die länger hält, als die geschäftliche Vereinbarung vorsieht, als Keaton und seine Einheit von Army Rangern das Land ganz in Brendas Sinne bewirtschaften und anstandslos die Anweisungen einer Frau befolgen.

Verabredungen gehören zwar nicht auf Keatons To-do-Liste, aber eine Frau wie Brenda entfacht in ihm den Wunsch, Liebe ganz oben auf seine Prioritätenliste zu setzen.

Werden der Ranger und die Rancherin ihre geschäftliche Vereinbarung einhalten und danach ihrer Wege gehen? Oder ändern sie ihre Pläne und verwandeln die Zweckehe in eine Liebesheirat?


Der Rancher und die zweckdienliche Braut

Inhalt
Kapitel 1 (#u8912e4fa-a861-587a-aa30-49310dd62683)
Kapitel 2 (#u78ddf659-1905-53ea-a0b2-014b429af07c)
Kapitel 3 (#ufc5d0732-2005-5d5f-85cc-d4f45711ed91)
Kapitel 4 (#ua3a7cae8-0638-5e49-9089-f1904f70f788)
Kapitel 5 (#ufbb99fad-e730-5b0f-a3a8-8435dd13e726)
Kapitel 6 (#u49659b1f-0228-5f99-acd2-0c748cc9f0ac)
Kapitel 7 (#u4f9b87a9-57d8-5d77-979b-90eaf240ad1c)
Kapitel 8 (#uf1cef5c8-fdf7-5e12-b303-a1a8ebb98135)
Kapitel 9 (#ube8ec86c-bc29-54f0-b1b1-ba5f6bd77851)
Kapitel 10 (#ud6843535-8b3b-5112-aa2a-64a40f025b6c)
Kapitel 11 (#u04273e30-02d8-5596-864a-0b2d787d560d)
Kapitel 12 (#u45bc349b-e51b-5b93-874b-b6498d57cff3)
Kapitel 13 (#ucdaed288-915e-581f-9858-1aeaa70b6369)
Kapitel 14 (#u8c3e0bd1-ee92-500d-a26d-fe5333bc07bc)
Kapitel 15 (#u7ff1b00a-c5c1-5a86-bff5-ef1cd4d11a2a)
Kapitel 16 (#u22c6fd4d-a261-5cf8-aecd-aa3c7b6e1f5c)
Kapitel 17 (#ubd5b9978-4d3d-51b7-ad09-f625f5f471e3)
Kapitel 18 (#ub99706b2-8fa7-5070-ab57-a4ca372aef67)
Kapitel 19 (#u8dc05cfa-a344-56f3-af1d-107ecfd795c8)
Kapitel 20 (#ue242293b-65f6-5154-b196-8153c9efd5dc)
Kapitel 21 (#u35dd4ac2-b6f5-5c36-9753-f4389f103136)
Kapitel 22 (#u4bb724f7-8f74-5641-b1cf-2e129f154907)
Kapitel 23 (#u4b3c0d8b-d96a-5187-9872-62a56c869b18)
Epilog (#uc823baa1-a2a5-5d15-8b29-2c7665415ded)

Kapitel Eins
Keatons Herzschlag pochte laut in seinen Ohren. Jeder Schlag synchron mit dem Sekundenzeiger einer Uhr. Wie immer auf dem Schlachtfeld. Angesichts der vor ihm liegenden Gefahr überkam Keaton völlige Ruhe. Kontrolliert atmete er ein und aus. Der Sauerstoff befeuerte die ihm angeborene Tapferkeit. Er war ein gut ausgebildeter Soldat, ein überaus fähiger Krieger. Einer der Besten des 75
United States Ranger Regiment.
Nach den ersten Schüssen hatte Keaton sich ein Versteck gesucht, aus dem er jetzt vorsichtig wieder hervorkroch. Er blickte sich um. Niemand war zu sehen. Kein gutes Omen. In der Stille kribbelte sein Spinnensinn. Krieg war eine laute und hitzige Angelegenheit.
Etwas stimmte hier nicht.
Langsam und tief geduckt streckte er den Kopf aus der Deckung, um mehr Informationen zu sammeln. Die Tarnkleidung ließ ihn mit der Umgebung verschmelzen. Selbst sein Gewehr war grün und braun bemalt, mischte sich so mit den Elementen um ihn herum.
Dann hörte er es. Einen Schrei. Einen Schuss. Ein Geräusch nach dem anderen.
Keatons Ohren spitzten sich wie bei einem Hund, der aufmerkte. Bevor er jedoch losstürmte, analysierte er, was er soeben erfahren hatte.
Der Schrei war von links gekommen, der Schuss war hinter ihm abgefeuert worden und über seinen Kopf hinweggegangen. Der Schrei – aus einer menschlichen Kehle – war vor dem Schuss ausgestoßen worden. Und Keaton hatte keinen Körper dumpf auf dem Boden aufschlagen hören.
Das Kribbeln des Spinnensinns kroch Keatons Wirbelsäule hinauf. Er rollte sich gerade noch rechtzeitig auf den Rücken. Ein Bär von einem Mann erhob sich über ihm und richtete die Waffe auf ihn. Und genau das war sein Fehler. Eine Waffe, die man erst auf jemanden richten musste, war ineffektiv. Keatons Finger war jedoch bereits am Abzug.
Er drückte ab.
Der Körper des Riesen zuckte unter den direkten Treffern. Rosafarbene Flecken breiteten sich über der Stelle aus, unter der das Herz lag. Wenn der Verräter überhaupt eines hatte. Keaton feuerte erneut und dann noch einmal.
»Hey«, grollte der Riese. »Ich bin doch schon erledigt.«
»Du erinnerst dich daran, dass du zu meinem Team gehörst?«
Griffin ›Grizz‹ Hayes grinste. Seine Eckzähne glitzerten in der Mittagssonne wie bei einem Raubtier, das genau wusste, dass es die Beute in die Enge getrieben hatte. Keaton kannte diesen Gesichtsausdruck. Diesen Blick hatte Grizz ihm schon in der Grundausbildung zugeworfen, als er sich dazu entschieden hatte, dem Feldwebel einen Streich zu spielen.
Sergeant Cook hatte es nicht kommen sehen. Der sadistische Feldwebel hatte nie herausgefunden, wer Gorilla-Kleber in seiner Kopfbedeckung verteilt hatte. Der ganze Zug hatte für den Streich bezahlt und monatelang mitternächtliche Sonderübungen absolvieren müssen. Aber das war es wert gewesen, um dem dämonischen Feldwebel eins auszuwischen. Die roten Male, die der Klebstoff verursacht hatte, brauchten lange, bis sie abgeheilt waren, und erinnerten die Soldaten an jedem Tag, an dem sie Dreck fressen und auf Schlaf verzichten mussten, an ihre Rache.
Also, warum hatte sich Grizz gegen seinen besten Freund gewandt? Und warum grinste er, obwohl er geschlagen war? Erneut kroch das Kribbeln von Keatons Spinnensinn über seine Haut.
Er blieb nicht an der Stelle stehen. Er warf sich in dem Moment zu Boden, als mehrere Schüsse ertönten. Grizz lachte laut auf. Also war es Meuterei. Sein ganzes Team hatte sich gegen Keaton verschworen.
Aber warum?
Doch nicht etwa wegen des späten Planungstreffens, das Keaton einberufen hatte und das letzten Samstag bis weit nach Mitternacht gedauert hatte? Oder, weil Keaton seine Meinung darüber zweimal geändert hatte, welchen Lieferanten sie benutzen sollten? Was zugegebenermaßen zu einer kompletten Überarbeitung der Bücher geführt hatte. Und dann noch einer. Oder war es wegen des Versprechens gegenüber General Strauss, dass das Team das Ranger Training Camp in nur neunzig Tagen bereit für den Einsatz machen würde, obwohl das Team zuvor ein halbes Jahr dafür veranschlagt hatte? Ohne Zeit für Entspannung nach dem Verlassen des Militärdienstes einzuplanen?
Schüsse aus allen vier Himmelsrichtungen zeigten Keaton, dass er wohl falsch lag. Die Männer hatten ursprünglich zwei Dreier-Teams gebildet. Keaton hatte Grizz erwischt. Nun zielten die restlichen Vier mit ihren Waffen auf ihn.
Das beeindruckte Keaton allerdings keineswegs. Als Anführer erkannte er, wie er die Meuterei dafür nutzen konnte, dem Team eine Lektion zu erteilen. Ein Plan kristallisierte sich heraus. Er hatte lediglich Zeit, zwei und nicht wie sonst drei Alternativen zu formulieren, sollte der Hauptplan nicht aufgehen. Mit diesem und zwei Alternativen zur Absicherung trat Keaton in Aktion.
Mac Kenzies Blick traf seinen. Erkenntnis dämmerte in Macs Augen. Keaton und er hatten viele schwierige Missionen gemeinsam überstanden. Genügend, um ohne Worte kommunizieren zu können.
Mac oder Mackenzie – jeder fügte seinen Vor- und Nachnamen unwillkürlich zu einem zusammen – erkannte Keatons Plan auf einen Schlag. Doch wieder war Keaton die entscheidende Sekunde eher schussbereit.
Keaton ergriff Mac an den Schultern, rollte ihn herum, sprang auf die Füße und hievte Macs einen Meter neunzig und einhundertfünfzehn Kilogramm reine Muskelmasse dabei mit sich.
»Du verd…« Macs Worte erstarben, als sein Körper zuckte und von den Salven, die Keaton gegolten hatten, rosa und lila eingefärbt wurde.
Keaton schwang seine Waffe nach oben, unter Macs Achsel, zielte, feuerte und setzte Jordan Spinelli und David Porco außer Gefecht.
Zwei weg, einer übrig.
Keaton duckte sich an Grizz vorbei und pflasterte dessen Front mit Farbkugeln, sodass sie zur Rückseite passte. Nicht ein Spritzer landete dabei auf Keaton.
Geschützt von Grizz’ großem Körper, eröffnete er das Feuer auf seinen letzten Gegner in der Runde. Russel ›Rusty‹ Hook, eigentlich ein perfekter Schütze, ging zu Boden. Keaton senkte die Waffe jedoch nicht.
»Ergebt euch!«
»Niemals!«, riefen die fünf Männer im Chor. »Aufgeben gehört nicht zum Wortschatz der Ranger.« Sie alle lachten, als sie gemeinsam das Ranger Credo aufsagten.
Keaton senkte die Waffe. Er ging zu Mac und half ihm hoch. Ein weiterer Teil des Glaubensbekenntnisses. Niemals einen gestürzten Kameraden zurücklassen. Unter keinen Umständen.
Keaton schlug Spinelli auf den Rücken und erntete dafür rosa und lila Farbe.
»Ich sagte dir doch, dass er Augen im Hinterkopf hat«, sagte Porco.
»Mach dich nicht lächerlich«, erwiderte Keaton. »Ich habe den Dreihundertsechzig-Grad-Blick. Wie ein Habicht.«
»Du meinst eine Eule«, korrigierte Grizz. Der Mann war der starke, stille Typ Mann, dessentwegen Frauen in Ohnmacht fielen. Man traf ihn häufig mit einem alten Gedichtband in der Hand an. Das Verrückteste war allerdings, dass er Worträtsel liebte.
»Dann bin ich eine Supereule«, konterte Keaton. »Wie auch immer. Ich denke, wir konnten heute alle etwas lernen.«
Fünfstimmiges Stöhnen vereinigte sich mit dem Zirpen der Grillen und dem Vogelsang des Waldes. Keaton glaubte zu hören, wie der Sicherheitshebel an einem Gewehr umgelegt wurde.
»Das hier sollte ein Ausflug zur Entspannung sein, inmitten deines wahnsinnigen Arbeitsplans.«
»Schieb es nicht auf den Plan«, sagte Keaton. »Der Plan ist unser Ticket weg von Bürojobs.«
Viele Ranger arbeiteten nach ihrem Militärdienst bei Geheimdiensten oder Top-level Sicherheitsfirmen. Keiner seiner Leute wollte jedoch in den Innendienst. Sie sehnten sich alle danach, draußen in der Natur zu sein und sich die Zeit frei einteilen zu können. Sie konnten noch einiges an Action bieten. Sie hatten bloß nicht mehr den Wunsch, durch die Welt zu reisen und echten Kugeln ausweichen zu müssen.
»Während wir das weltbeste Trainingscamp errichten, werden wir uns mit unerwarteten Hindernissen rumschlagen«, sagte Keaton. »Aber wir werden für alles bereit sein, denn wir haben einen Plan.«
»Ist das so?«, fragte Rusty scheinheilig. »Dann sei bereit für das hier.«
Keaton wich der Farbkugel aus. Sie erwischte ihn am Unterarm, doch das zählte nicht als direkter Treffer.
Rusty verdrehte die Augen.
»Wie ein Habicht«, grinste Keaton.
»Eine Eule«, korrigierte Grizz geduldig.
Keaton zuckte mit den Schultern.
»Bist du dir bezüglich des Ortes sicher?«, fragte Grizz. »Die Purple Heart Ranch in Montana?«
»Ich habe von dort ein paar verrückte Dinge gehört«, warf Spinelli ein.
Keaton kannte diese Gerüchte ebenfalls. Soldaten gingen dorthin, um ihre in Kampfeinsätzen erlittenen Wunden auszukurieren. Doch alle waren innerhalb von weniger als drei Monaten vor dem Traualtar gelandet und hatten den Wunsch, jemals wieder diesen Ort zu verlassen, verloren. Es war wie eine Art Kult. Doch Keaton kannte den Leiter der Ranch und wusste, dass er ein erstklassiger Soldat und ein grundanständiger Kerl war.
Der Weg zum Traualtar war kein Pfad, den Keaton zu beschreiten gedachte. Erst einmal würde er seinem Fünfjahresplan folgen, bevor er auch nur einen Gedanken ans Heiraten verschwenden würde.
»Wir leben nicht auf diesem Land, also betreffen uns diese Regeln oder der Aberglaube nicht«, versicherte er seinen Männern. »Unsere Kunden werden höchstens sechs Wochen im Camp bleiben, viel kürzer als deren Dreimonatsregel.«
Offenbar existierte eine merkwürdige Bebauungs- und Nutzungsordnung. Laut dieser Vorschrift durfte ein Soldat nur dann auf dem Land der Purple Heart Ranch leben, wenn er innerhalb von drei Monaten heiratete, ansonsten musste er schleunigst von dort verschwinden. Das war mit Sicherheit hinterwäldlerisch. Doch Keaton und seine Männer brauchten Land in einer so abgelegenen Gegend, um ihren State of the Art Parcours und die entsprechenden Anlagen zu errichten.
»Gut«, sagte Grizz. »Mythos oder Nutzungsverordnung hin oder her, ich habe nicht die Absicht, zu heiraten.«
Zustimmendes Gemurmel erklang. Außer von Mac und Rusty. Mac hatte einer Frau einen Ring angeboten, den sie mehr als einmal zurückgewiesen hatte, und Rustys Scheidungspapiere lagen bereits in dessen Seesack, mit nur einer Unterschrift darauf. Es war jedoch nicht Rustys.
»Wir sollten uns umziehen und uns auf den Weg machen«, sagte Keaton. »Wir haben eine Menge Arbeit vor uns und wenig Zeit dafür. Am Rande einer Reh-Ranch zu leben und uns auf unsere ersten Kunden vorzubereiten, wird uns alle auf Trab halten. Da bleibt keine Zeit für Beziehungen.«
»Mach mal langsam«, sagte Porco und hob die Hände, als wollte er sich ergeben. »Schreib Verabredungen wieder in den Plan rein. Die Frauen auf der Ranch brauchen in ihrem Leben eine ganze Ladung von mir.«
Schüsse fielen als Antwort. Porco erntete einen ganzen Hagel Farbkugeln für den Kommentar.
Keaton nutzte den seltenen Moment, in dem die Aufmerksamkeit von ihm abgelenkt war, um sich zu entspannen. Er lachte mit seinen Waffenbrüdern und über ihre Eskapaden.
Sein Entschluss stand fest. Mit der Menge an Arbeit, die in den nächsten drei Monaten auf sie zukam, hatte keiner von ihnen, am wenigsten er selbst, Zeit für Verabredungen. Für die nächsten fünf Jahre würde die Trainingseinrichtung sein Schatz sein, lange bevor er überhaupt nach einer Frau suchen würde.
Das war der Plan.

Kapitel Zwei
Angebratenes Rindfleisch roch anders, wenn besagtes Tier noch am Leben war und nicht in kleine Stücke zerhackt in der Pfanne brutzelte. Brenda Vance trat ein paar Schritte zurück. Sie vermied die Hinterläufe des Bullen, war aber nicht schnell genug, um dem berstenden Holz auszuweichen. Die Planke des Zauns zersplitterte. Bruchstücke erwischten sie seitlich an der Stirn. Blut mischte sich mit Schweiß und lief ihr ins Auge. Ihr gemurmelter Fluch ließ die drei Rancharbeiter zusammenzucken. Es sollten allerdings alle vier zusammenzucken. Es war deren Schuld, dass das Tier nicht richtig gesichert gewesen war.
»Alles okay, Missy?«, ertönte die kiesige, vom Tabakkonsum verätzte Stimme des vierten und ältesten Rancharbeiters. Manuel Bautista war etwa zu der Zeit auf die Ranch gekommen, als Brenda ihre ersten Schritte gemacht hatte, noch bevor sie ein Jahr alt gewesen war. Genauso wie sie, kannte Manuel Bautista diesen Ort in- und auswendig. Doch im Gegensatz zu ihr hatte er hier nicht das Sagen.
Brenda biss sich auf die Zunge, bevor ihr ein weiterer Fluch entwischte. Ihr Bruder war Pastor, gab ihr aber deswegen keinen Freifahrtschein fürs nächste Leben.
»Nenn’ mich nicht Missy«, fuhr sie ihn an und wischte sich das Blut und den Schweiß mit dem Ärmel des abgetragenen Flanellhemdes ab. Eine nicht sonderlich dezente Duftwolke wehte ihr unangenehm entgegen und zeugte von der harten körperlichen Arbeit des heutigen Tages. Sie blickte auf. Die Hände von Zweien ihrer Rancharbeiter glänzten nicht einmal in der heißen Nachmittagssonne. Ihre brandneuen Cowboyhüte waren perfekt gestärkt. Und ihre Hemden zeigten keinen Tropfen Schweiß unter den Armen.
»Es heißt Miss Vance.« Sie starrte auf das Blut auf ihrem Hemd. »Oder Boss.«
Als der ältere Rancharbeiter sich wegdrehte, um den Bullen zu beruhigen, hörte Brenda etwas, das nach einem spanischen Fluch klang. Zwei der anderen Männer kicherten. Dem dünnen Blonden in den engen Jeans – mit Sicherheit von Old Navy oder Urban Outfitters – hatte Brenda den Spitznamen Yankee verpasst. Der zweite Kichernde – Brenda nannte ihn Frat Boy – trug ein T-Shirt mit griechischen Buchstaben, das sich über seine braunen Bizepse spannte. Frat Boy behauptete, sein Urgroßvater wäre einer der berühmten Buffalo Soldiers gewesen, Mitglied einer Einheit, die die Unionsarmee der Nordstaaten zum Ende des Sezessionskrieges aufgestellt hatte. Doch Brenda bezweifelte, dass der Junge einen so guten Stammbaum besaß. Sobald ihm ein Insekt auch nur zu nahe kam, schlug er wie wild danach und kreischte. Das Gleiche geschah, wenn er einen Fleck auf seiner Kleidung bemerkte.
Der Dritte im Bunde lachte nicht. Er gab vor, woanders hinzuschauen, und versuchte krampfhaft, keine Partei zu ergreifen. Seinen Namen kannte sie. Angel Bautista war der Neffe ihres älteren, störrischen Rancharbeiters.
Angel war jung, frisch von der High-School. Geboren in einer Zeit, in der Mädchen gesagt worden war, dass sie alles tun und werden konnten sowie allen Vorbildern und Berufswegen folgen konnten. Angels Onkel stammte jedoch aus einer Ära, in der der Platz einer Frau hinter dem Herd gewesen war. Und wenn sie mal nach draußen gewollt hatte, hatte das nur geheißen, in den Garten.
Yankee und Frat Boy waren Außenseiter. Für sie war die Arbeit auf der Ranch lediglich ein Studienpraktikum. Sie würden in ein paar Wochen an ihr College in der Stadt zurückkehren. Angel hingegen lebte hier. Er würde einen Job auf einer Ranch finden und halten müssen. Er steckte zwischen den Welten der beiden Älteren fest. Brenda würde allerdings nicht lange darauf warten herauszufinden, wem der Junge letztendlich folgen würde.
Für Brenda war die Ranch ihr Leben, ihr Einkommen, und sie brauchte gute Arbeiter, um sie weiter bewirtschaften zu können. Sie trieb Rinderherden, seit sie reiten konnte. Sie hatte sich blaue Flecken beim Viehfüttern eingefangen, sich den Zeh beim Wechseln von Hufeisen gebrochen und das Handgelenk bei einem Viehtrieb, den sie selbst angeführt hatte. Egal welches Körperteil, sie verstauchte, zerrte und brach es im Laufe ihres Lebens als Boss dieser Ranch. Und in der ganzen Zeit hatte sie keinen Arbeitstag freigenommen.
Seit Brendas Eltern sich vor drei Jahren in den Ruhestand zurückgezogen hatten, bewältigte sie alles allein. Die Ranch hatte sie in dieser Zeit so profitabel gemacht, dass sie die Herde hatte vergrößern können, was den Arbeitsaufwand in die Höhe getrieben und ihr die Notwendigkeit beschert hatte, Arbeiter einzustellen.
Mit diesen Witzfiguren konnte sie die Arbeit allerdings auch gleich ganz allein machen. Manuel weigerte sich, die zugewiesenen Aufgaben auf Brendas Weise zu erledigen, sondern bestand auf althergebrachten Methoden. Und die anderen Männer hörten auf ihn, auch wenn sie diejenige war, die deren Gehaltsschecks ausstellte.
»Du solltest lieber zurück ins Haus gehen«, sagte Manuel. »Um deine Verletzung zu behandeln. Hier draußen ist eine gefährliche Welt.«
Den Rest des Satzes verkniff er sich. ›Für eine Frau‹, hatte er sagen wollen. Offenbar hatte er heute wenigstens eine Lektion gelernt.
Die ganze Misere heute hatte mit ihrem Vorschlag begonnen, den neu gekauften Bullen mit Zucker und Getreide zu locken, um ihn mit ihrem Brandzeichen zu versehen. Für Manuel war das neumodischer Firlefanz, und er war davor zurückgeschreckt. Dann hatte der Bulle ausgetreten.
Brenda war zu müde für einen Streit. Blut lief ihr in die Augen und machte es zu schwer, ihre Leute zu beaufsichtigen. Aber der Bulle hatte sein Brandzeichen, was Brenda nun als Eigentümerin auswies. Das war der wichtigste Punkt auf der heutigen To-do-Liste gewesen. Also konnte sie Schluss machen.
Sie rauschte lärmend durch die Hintertür des Haupthauses, direkt in die Küche. Abendessen brutzelte in der Pfanne. Ein perfekt gebratenes Steak. Mit geröstetem Kartoffelbrei frisch aus dem Ofen. Und dazu gebutterte grüne Bohnen.
Der Kühlschrank stand offen. Ein Körper bückte sich hinein. Die Tür wurde geschlossen und ein Mann mit Schürze richtete sich auf.
»Du bist ein wahres Gottesgeschenk«, entfuhr es Brenda.
»Und du blutest am Kopf. Aber ich sehe keine Dornen.«
Brenda berührte ihre Stirn mit der Hand. Warmes Blut färbte ihre Fingerspitzen rot. Glücklicherweise spürte sie keinen Schmerz.
»Wenn ich jetzt rausgehe, stolpere ich dann über einen toten Rancharbeiter, Bren?«
Seufzend machte sie ihrer Enttäuschung Luft. »Nein, Walter. Du musst heute keine letzte Ölung spenden.«
Ihr Bruder, Pastor Walter Vance, schnappte sich ein paar Papiertücher und drückte sie gegen die Wunde an Brendas Stirn.
»Autsch!«
Walter ignorierte sie. Das war nicht das erste Mal, dass er eine ihrer Verletzungen behandelte. Ein regelmäßiges Vorkommnis im Vance-Haushalt, seit sie Kinder gewesen waren. Dies mochte einer der Gründe gewesen sein, warum er zur Kirche gegangen war. »Erzähl. Was ist passiert?«
»Inkompetenz. Chauvinismus. Faulheit. Sonst nichts.«
»Ich dachte, Bautista wäre einer der Besten?«
»Vielleicht mal vor zwanzig Jahren. Die Zeiten haben sich geändert.«
»Gott sei Dank haben sie das. Durch die Maschinen, die du auf die Ranch gebracht hast, braucht es hier wesentlich weniger Arbeiter als in unserer Kindheit.«
Ihr Vater hatte ihnen beiden die Ranch zu gleichen Teilen vermacht. Doch Walter hatte seinen Anteil an Brenda abgegeben und war der Kirche beigetreten. Sie war ihm dafür dankbar. Insbesondere weil er kein Partner geblieben war. So musste sie ihm nicht sagen, wie teuer die neuen Gerätschaften und der neue Bulle gewesen waren. Sie hatte alles finanziert, und die erste Rate war bald fällig. Jetzt hatte sie nicht mehr genug Bares, um Rechnungen zu begleichen und die laufenden Kosten zu bezahlen.
»Bren, wenn etwas nicht stimmen würde, würdest du mir das sagen, oder?«
Nein, würde sie nicht. »Aber natürlich würde ich das.«
Brenda hatte früh gelernt, dass eine Lüge gegenüber einem Pastor nicht sofort einen Blitz vom Himmel fahren ließ. »Solange du zu mir rüberkommst und für mich kochst, ist alles gut.«
»Vielleicht solltest du heiraten.«
Brendas Besteck fiel klappernd auf den Teller. Das war das einzige Thema, bei dem ihr Bruder sich noch nicht weiterentwickelt hatte. Brenda hatte keinerlei Wunsch, zu heiraten. Männer bremsten sie nur aus. Bestes Beispiel: ihre Rancharbeiter.
»Du hast eine Ranch voller Soldaten als Nachbarn«, sagte Walter. »Ein paar davon sind auf der Suche und würden gerne in den nächsten neunzig Tagen heiraten. So wie es die Vorschrift dort verlangt.«
Genau deswegen blieb Brenda ihren Nachbarn auf der Purple Heart Ranch auch fern. Sie war sicher, dass diese merkwürdige Vorschrift illegal war. Doch bisher hatte sich niemand offiziell beschwert.
»Ist nicht einer der Soldaten mit deiner Verlobten durchgebrannt?«, fragte sie.
Beth Cartwright, eine Pastorentochter, war für kurze Zeit mit Walter verlobt gewesen. Doch dann war der Schwarm aus ihrer Kindheit, der im Dienst verschollen gewesen war, plötzlich zurückgekehrt, hatte sie im Sturm erobert und mit einem Heiratsantrag samt Verlobungsring überrascht.
»Reese ist ein guter Mann.« Trotz der bitteren Trennung schwang Ehrlichkeit in Walters Stimme. »Alle diese Soldaten sind gute Kerle.«
Walter war viel zu gutmütig und vergab schnell. Das gehörte wohl zu seiner Jobbeschreibung. Sie war Rancherin. Sie hatte keine Zeit dafür, für jemanden die Ehefrau zu spielen. Sie war viel zu beschäftigt mit ihren Rindern, mit mehr Reparaturarbeiten, als auf ein DIN-A4-Blatt passten – wohlgemerkt, mit einzeiligem Abstand – und mit nichtsnutzigen Rancharbeitern, die Brenda gerade zu ihren Trucks schlendern sah, obwohl die Sonne nicht einmal untergegangen war und noch bevor sie ihre Aufgaben erledigt hatten.
Nein. Sie war allein viel besser dran. Sie bezweifelte, dass sie jemals einem Mann erlauben würde, ihre Hand zu nehmen.

Kapitel Drei
Keaton betrachtete die Landschaft des amerikanischen Kernlandes, die gemächlich an ihm vorbeizog. Die braunen, majestätischen Berge mit ihren verschiedenfarbigen Gipfeln. Das ausgedehnte Weideland, das sich bis in die Unendlichkeit zu erstrecken schien. Es überraschte ihn, wie sehr diese wunderschöne Gegend der Landschaft Afghanistans, Iraks und Syriens glich. Der einzige Unterschied zwischen den Regionen hier und auf der anderen Seite der Welt lag darin, dass hier Hoffnung und Chancen in der frischen Bergluft lagen. In Kriegsgebieten herrschten dagegen naturgemäß Konflikt, Aufruhr und Hoffnungslosigkeit.
Bei jedem Einsatz in diesen Ländern hatte Keaton Männer jung sterben sehen. Er hatte erlebt, wie Frauen und Kinder jeden Tag litten. Er hatte gesehen, wie das Land von Politik und Projektilen verwüstet und zerrissen wurde.
Die Fahrt mit dem roten Jeep durch die Hauptstraße der kleinen Stadt in Montana war der krasse Gegensatz, wie Tag und Nacht. Durch die Fenster des Leihwagens sah Keaton Kinder die Straße entlang hüpfen. Mütter folgten ihren Sprösslingen in Yogahosen und Cowboystiefeln. Eine Gruppe alter Männer saß auf benachbarten Veranden, rauchte Pfeife und spuckte Tabak. Statt des metallischen Nachgeschmacks von Sprengstoffen und Munition lag der erdige Geruch von gebackenem Brot wunderbar schwer in der Luft.
Keaton konnte verstehen, warum die Soldaten der Purple Heart Ranch hierherkamen und nach dem Abschluss ihrer Reha blieben. Diese Gegend vermittelte Vertrautheit mit den Orten, an denen sie gedient hatten. Doch im Gegensatz dazu repräsentierten die Leute hier die Zukunft, für die sie in der Ferne gekämpft hatten, und sie boten ihnen eine Gemeinschaft an, zu der sie gehören durften.
In den vergangen sechs Jahren war Keaton nach jeder Mission an seinen Heimatort zurückgekehrt. Doch die Hektik der überfüllten Stadt hatte ihn unruhig gemacht. Die hohen, grauen Gebäude und der kalte Beton verunsicherten und beunruhigten ihn ebenso wie die leeren, mürrischen Blicke, mit denen ihn die Leute auf der Straße bedachten, und wie sie Fremden auf den Bürgersteigen auswichen. Soldaten dagegen sahen sich direkt in die Augen. Sie sprachen klar, und sie sprachen deutlich.
Also, nein. Keaton vertrug sich mit dem Zivilleben nicht besonders. Gleiches galt für die anderen Männer, wenn sie nach Hause fuhren. Keiner von ihnen wollte mehr in aktive Kampfhandlungen verwickelt werden. Aber sie wollten immer noch Action. Hier, wo es aussah wie in einem Kriegsgebiet, das in Frieden gehüllt war, sah Keaton die Chance, ein neues Leben aufzubauen. Nicht nur für sich, sondern auch für seine Männer.
Dreißig Minuten später erreichte er die Tore zur Ranch. Das Zeichen der purpurnen Glockenblume an den Eisengittern zeigte ihm, dass er am richtigen Ort war. Die lilienartige Blume war das Symbol der verwundeten Krieger. Im Gras an der Seite des befestigten Weges wuchsen ein paar der purpurnen Gewächse. Sie kamen in dieser Gegend häufig vor und schienen hier wild zu wachsen. Kein Wunder, dass sich die verwundeten Veteranen auf der Ranch willkommen fühlten.
Keaton fuhr durch das Tor und folgte dem Schotterweg weiter. Die Ranch beherbergte Soldaten in verschiedenen Stadien der Genesung. Männer mit Beinprothesen ritten hart auf Pferden an ihm vorüber. Ein paar Wegbiegungen weiter entdeckte Keaton einen Gemüsegarten, in dem Männer ohne Finger oder Arme den Boden umgruben. Aus einer Scheune traten Soldaten mit Brandverletzungen im Gesicht, an den Armen und Beinen. Die Männer versorgten eine ganze Menagerie von Farmtieren. Schafe und Ziegen rieben sich an ihren vernarbten Gliedmaßen, als würden sie die Verletzungen gar nicht bemerken.
Keaton und seine Crew hatten das Glück gehabt, mit gesunden Gliedmaßen und intaktem Verstand zurückgekehrt zu sein. Hätte einer von ihnen Verletzungen erlitten, wäre dieser Ort für die Genesung der Beste gewesen. Außerdem hoffte Keaton, dass jeder neue Soldat, der seine Fähigkeiten erweitern wollte, ans andere Ende der Ranch kommen würde, wo das Trainingscamp geplant war.
Keaton parkte den Jeep vor dem großen Haus am Ende der Sackgasse. An keinem der Häuser waren Nummern angebracht. Die Anweisungen, die man ihm gegeben hatte, lauteten lapidar, er solle bis ans Ende der Straße fahren.
Keaton sprang aus dem Jeep und sah den Mann, den er hier treffen wollte. Dylan Banks kam aus einem der Häuser heraus. Er trug ein Jeanshemd und Khakishorts. Das eine Bein war sonnengebräunt, das andere aus Stahl.
»Keaton, du hast’s geschafft.«
»Schön, dich wiederzusehen, Banks.«
Die beiden Männer schüttelten die Hände. Eine von Kämpfen gezeichnete Hand fand die andere. Raue Finger griffen zu und zogen. Die alten Freunde umarmten sich mit viel Rückenklopfen. Keaton hatte mit Sergeant Dylan Banks in mehr als einer Mission gedient. Der Mann war scharfsinnig und konnte in den schwierigsten Situationen improvisieren.
»Eine großartige Einrichtung habt ihr hier«, sagte Keaton. »Ich habe nichts als Gutes über diese Ranch gehört.«
»Wir nehmen sie alle auf. Die Müden, die Armen, die geknechteten Massen.«
»Steht das nicht auf der Freiheitsstatue?« Keaton lachte.
»Tja, jetzt nehmen wir auch so erbärmlichen Unrat wie Army Ranger.«
Banks holte mit dem Arm aus und ballte die Faust. Keaton ließ den Schlag kommen und hielt gutmütig still.
»Ist Banksy-wanksy immer noch sauer, weil er den Fitnesstest nicht bestanden hat?«, neckte er.
»Ach, halt die Klappe«, erwiderte Banks ohne Feuer dahinter. »Es haben nur ein paar Punkte gefehlt. Ich bin beim Überlebenstraining im Wasser beinahe abgesoffen.«
»Du kommst von einer Insel«, erinnerte Keaton ihn.
»Ich bin aus New York City.«
Keaton zuckte mit den Achseln. Army Ranger zu werden war nun mal kein Witz oder eine Spielerei. Jeden Monat kamen mehr als vierhundert willige Seelen nach Fort Benning, Georgia, in der Hoffnung, es draufzuhaben und die Herausforderungen zu meistern. Einundfünfzig Prozent mussten wieder nach Hause gehen und ihre Hoffnungen im Schlamm begraben. Der einzige Grund, warum Keaton das Training überstanden hatte, war der, dass er sich wie ein Wahnsinniger auf die körperlichen Prüfungen vorbereitet hatte.
Genau das war der Plan für das Trainingscamp. Andere wie damals sich selbst so zu trainieren, dass sie die Prüfungen würden meistern können. Boots on the Ground Elite Training war sein Traum. Ein Traum, von dem Keaton nichts gewusst hatte, bevor er den Albtraum der United States Army Ranger Schule durchlaufen hatte. Ihm war klar, dass er keinen Soldaten vollständig für diese Erfahrung würde vorbereiten können. Jeder, der sein Training absolvierte, würde allerdings eine höhere Chance haben durchzukommen.
»In einem Jahr wird dein Camp laufen«, sagte Banks.
»In einem Jahr? Ich plane, die Türen binnen neunzig Tagen zu öffnen.«
Banks rieb sich die Stoppeln am Kinn und betrachtete Keaton. Der ungläubige Ausdruck in seinen Augen sagte alles.
Keaton hob abwehrend die Hände. »Ich weiß. Das ist ambitioniert. Aber ich habe einen soliden Plan aufgestellt. Das klappt, solange der Plan sorgfältig ausgeführt wird.«
»Aber natürlich hast du einen Plan.« Banks lachte und klopfte Keaton erneut auf den Rücken. »Ich bin mir sicher, dass du das schaffst. Erstaunliche Dinge können in neunzig Tagen geschehen, insbesondere auf dieser Ranch.«
Jetzt kratzte sich Keaton am Kinn. Er wusste, worauf Banks hinauswollte. Viele Männer, die hierherkamen, um ihre Wunden zu heilen, heirateten innerhalb dieser Zeitspanne. Legenden zufolge lag das aber nicht an dieser Vorschrift. Viele glaubten eher, dass das Land selbst dafür verantwortlich war.
Keaton war kein abergläubischer Mensch. Es war auch egal, denn er hatte nicht vor, auf diesem Land zu leben. Er würde dort nur arbeiten. Vorschrift hin, Legenden her. Es konnte somit keine Auswirkungen auf ihn oder das Projekt haben.
»Lass uns das Grundstück anschauen, das du geleast hast«, schlug Banks vor.
Sie sprangen in einen Golfkarren und brausten los. Keaton hatte die Landschaft schon von weitem als schön empfunden. Aus der Nähe betrachtet war sie allerdings noch atemberaubender. Die Farben wechselten vom Grün der Weiden über das Braun des fruchtbaren Bodens zu einer Regenbogenorgie von Blüten. Dazwischen verteilt grasten braune, weiße und schwarze Pferde. Schafe mit flauschigem Pelz … und eine Ansammlung der unterschiedlichsten Köter, die Keaton je untergekommen war.
Fünf Hund bellten, als sie vorbeifuhren. Ein paar trugen Prothesen. Einer sogar einen Rollstuhl an den Hinterbeinen.
»Das sind meine«, erklärte Banks. »Naja, eigentlich gehören sie meiner Frau. Aber sie brachte sie mit in die Ehe. Also …«
Keaton machte sich gar nicht erst die Mühe, die Merkwürdigkeit dieses Ortes zu hinterfragen. Er hielt den Blick auf die Landschaft gerichtet und machte sich mental Notizen, wie seine Kunden zur Trainingseinrichtung gelangen sollten. Hier, am Rande der Ranch, sah Keaton seine Vision zum Leben erwachen. Dort, auf dem unberührten Land, würde er eine Schlammgrube trockenlegen und seinen Schülern die Freuden des Krabbenlaufens, der Liegestütze und der Sit-ups nahebringen.
Anstatt Bauholz zu kaufen, würden sie ein paar Bäume auf der einen Seite fällen und mit dem Holz eine ordentliche Kletterwand errichten. Die größten Baumaßnahmen waren jedoch die Errichtung der Trainingshalle und der Unterkünfte. Diese und der Bereich für das Spezialtraining würden den vorhandenen Mix aus trockener Erde, grüner Weide, bergigen Hügeln und dem breiten Fluss gut nutzen. Insbesondere am Fluss würden Keaton und die Männer besondere Installationen zum Training verdeckter Operationen errichten.
»Kannst du näher an den Fluss fahren?«, fragte Keaton.
Anstatt ihn dorthin zu bringen, bremste Banks das Gefährt jedoch ab. »Der Fluss liegt nicht innerhalb der Grenzen der Purple Heart Ranch.«
Es dauerte einen Moment, bis die Worte in Keatons Bewusstsein drangen und Sinn ergaben. Als sie es schließlich taten, rutschte ihm das Herz in die Hose. Er brauchte den Fluss für das Training der Spezialeinheiten. Zum Teufel, er brauchte ihn für das Training der Ranger für den Fitnesstest. Banks musste das doch wissen.
»Der Fluss gehört zur Nachbarranch.«
»Meinst du, der Besitzer ist gewillt, uns den entsprechenden Abschnitt für unsere Zwecke zu überlassen?«
Banks schürzte die Lippen. »Bin mir nicht sicher, ob sie's würde. Geh rüber und frag sie. Ist eine vernünftige Frau. Meistens.«

Kapitel Vier
Brenda hatte im Schlafzimmer keinen Wecker. Der Geruch nach frischem Kaffee weckte sie. Sie hatte sich eine dieser schicken Kaffeemaschinen mit Timer gekauft, die einem auf magische Weise morgens eine Tasse brühten, noch bevor die Sonne aufging. Der beste Kauf ihres Lebens.
Sie ließ sich vom herrlichen Aroma die Treppe hinunterführen. Als hätte jemand einen Finger in ihre Nase gesteckt und würde sanft daran zupfen. Sie war überrascht, dass ihre Füße auf dem Weg in die Küche und zur Kaffeemaschine nicht die Bodenhaftung verloren. Sie nahm zwei Tassen aus dem Schrank und goss beide voll. Wie jeden Tag in ihrem Erwachsenenleben würde sie die erste Tasse trinken und das heiße Wasser die Zunge verbrennen lassen, um ihre Gehirnzellen aufzuwecken. Wenn sie die erste dann beendet hatte, war die Zweite auf Zimmertemperatur heruntergekühlt und fertig, genossen zu werden.
Sie griff nach der Kühlschranktür, um Milch herauszuholen. Doch sie stellte den Krug gleich wieder zurück. Sie hatte nach der frischen Kuhmilch gegriffen anstatt zur Magermilch.
Mit der Doppeldosis Koffein im Blut bürstete Brenda sich schließlich die Haare. Sie verlor den Kampf mit ihrer wilden Mähne und band ihre Locken zu einem Pferdeschwanz zusammen. Sie zog sich ein frisches Hemd über den Kopf, schlüpfte in ein Paar Jeans und stieg in ihre Stiefel. Bevor die ersten Strahlen des neuen Tages über den Horizont lugten, war sie aus der Tür.
Sie zog ihren Notizblock aus der Gesäßtasche und klappte ihn auf. Dann studierte sie ihre Liste. Die meisten der Aufgaben waren täglich dieselben. Heuballen mussten gestapelt oder umgesetzt werden, Futter musste gemahlen, Mist weggeschafft, Rechnungen bezahlt und Zäune repariert werden.
Der einzige Zaun, um den sie sich heute Sorgen machen musste, war der, der den Preisbullen einschloss. Ihr war bewusst, dass das Biest darauf brannte, seinen Job zu tun. Aber das würde warten müssen. Erst mussten die Kälber von ihren Müttern entwöhnt und auf ihre eigene Weide gebracht werden.
Der Gockel plusterte die Federn auf, als Brenda am Stall vorbeiging. Er war genauso ein Faulpelz wie der Rest ihrer Crew, von der noch niemand aufgetaucht war.
Anstatt aber deswegen zu grollen, begann Brenda mit voller Kraft loszulegen. Sie hatte die Hälfte der Punkte auf ihrer Liste bereits abgehakt, noch bevor es hell wurde.
Brenda stieg auf den Traktor, ein älteres Modell, älter als sie. Aber der Traktor lief gut. Sie klemmte den Spezialschlüssel, besser bekannt als Schraubenzieher, ins Zündschloss. Den eigentlichen Schlüssel hatte sie vor Monaten verloren, irgendwo draußen im weitläufigen Gelände. Der Motor sprang sofort an. Sie begann mit der Arbeit.
Als sie den Acker bearbeitet hatte, tauchten schließlich ihre Arbeiter auf. Wieder zu spät.
Nur weil sie eine Frau war, glaubten sie, sie könnten sie ausnutzen. Aber auch, weil es schon mitten in der Saison war und die meisten Rancharbeiter bereits eine Anstellung hatten, hatte Brenda nur den Bodensatz erhalten. Manuel war ein Überbleibsel aus der Zeit ihres Großvaters. Sein Neffe war ein guter Arbeiter, solange er weit weg von Manuels Führung blieb. Die anderen beiden waren praktisch zu nichts zu gebrauchen, außer zum Lasten heben. Brenda hatte an diesem Morgen mehr erledigt als alle vier zusammen in einer Woche.
Brenda stellte den Traktor ab. Sie nahm den Spezialschlüssel aus der Zündung und nutzte ihn zum dritten Mal an diesem Tag. Sie wickelte ihren Pferdeschwanz zu einem Knoten und steckte den Schraubenzieher durch die Locken, um ihre Haare aus dem Gesicht und von den Schultern fernzuhalten. Und, ja, auch um eine Waffe parat zu haben, bei dem, was sie vorhatte.
»Ihr seid spät dran. Schon wieder.«
Manuel grinste. »Sorry, Süße. Aber den Rindern ist das egal.«
Brenda ballte die Fäuste, griff aber nicht nach dem Schraubenzieher. Noch nicht. Obwohl sie sich Manuels Kopf als Anlasser vorstellte, der ein wenig Zündhilfe benötigte. Und irgendwie lag der Gedanke gar nicht so fern. Der Mann steckte im finsteren Mittelalter der Viehzucht fest. Er brauchte wirklich dringend Starthilfe. Doch Brendas Meinung nach war es dafür zu spät.
»Ich bin nicht deine Süße«, sagte sie ruhig. »Ich bin dein Boss. Aber es sieht so aus, als wäre ich das nicht mehr viel länger.«
»Sag bloß.« Manuels buschige Augenbraue hoben sich. Sein schiefes Grinsen veränderte sein zerknittertes Gesicht in etwas Widerwärtiges. »Du hast dir einen Ehemann geangelt?«
Die drei jüngeren Männer zuckten zusammen. Das überraschte Brenda nicht. Die jungen Männer entstammten einer Genration, in der Frauen Macht ausübten und ihnen Respekt gezollt wurde. Manuel würde einen Zeit- und Kulturschock erleben.
»Lass mich das anders formulieren«, sagte Brenda. »Deine Dienste werden auf dieser Ranch nicht länger benötigt.«
Manuels Gesicht verzerrte sich zu etwas Hässlichem. Es erinnerte Brenda an einen Bullen, der gebrandmarkt wurde. Das Zischen von Schmerz. Der Schock des Verrats. Das Erschaudern der Resignation.
Brenda bereitete sich darauf vor, dass Manuel austrat. Aber er hielt still. Es waren die drei Männer hinter ihm, die wie nervöse, neugeborene Füllen zappelten.
»Du schmeißt mich raus, Missy?«
»Sehr schön.« Brenda passte ihr Grinsen an, damit es zu seinem grausamen passte. »Ich muss keine einfacheren Worte wählen.«
Er streckte die Schultern. Seine Fäuste ballten sich. Sein Schnurrbart zuckte. Dunkle Schatten huschten über sein Gesicht, als er den Kopf so weit senkte, dass sein Hut den Blick verbarg.
Brenda gab nicht nach. Das hier war ihre Ranch. Ihr Lebensunterhalt stand auf dem Spiel. Sie konnten alle gehen und woanders Arbeit finden, bei einem Mann, den sie möglicherweise respektierten.
Oder auch nicht. Es war ihr egal. Alles was ihr wichtig war, war der Betrieb ihrer Ranch und Respekt dafür.
»Passen Sie mal auf, Miss Vance.«
Auf einmal. Er hatte das Wort Miss schlussendlich richtig benutzt. Hätte sie ein Goldsternchen bei sich, würde sie es ihm jedoch immer noch nicht geben. Zu wenig. Zu spät. Er hatte versagt. Und flog dafür raus.
»Ohne uns haben Sie keine Chance, die Ranch zu halten. Es ist Kalbungszeit. Das ist kein Ein-Mann-Job. Und bestimmt keiner für eine Frau.«
Die abgehakten Punkte auf der To-do-Liste in ihrer Hosentasche sprachen da eine andere Sprache. Aber er hatte recht. Sie konnte nicht alles allein erledigen. Sie würde einen Arbeiter brauchen. Nur nicht ihn.
Sie könnte die drei Jüngeren anlernen. Aber so wie Manuel ihre Gehirne gewaschen hatte, waren sie für sie so nutzlos wie ein kastrierter Bulle.
»Das ist nicht länger deine Sorge«, sagte sie.
Manuel verzog die Lippen. Sein Schnurrbart zuckte und ließ ihn damit wie den Schurken aus einem Cartoon aussehen. Ein Teil von Brenda wollte lachen. Stattdessen blickte sie hinter ihn, um zu sehen, ob etwas zu retten war.
»Wenn einer von euch hierbleiben will, bin ich bereit, ihn neu anzulernen.«
Da war ein Funkeln in ihren Augen. Zumindest in den Augen der Stadtjungs. Angel blickte zur Seite, verbarg seine Gefühle vor seinem Onkel und vor ihr. Für Brenda war das Antwort genug.
»Die werden sich von deiner Kittelschürze nicht länger herumführen lassen«, höhnte Manuel. »Sie werden keine Woche ohne uns überstehen.« Er wandte sich ab. »Lasst uns verschwinden, Jungs. Wir haben eine Woche frei, bis sie zu uns zurückgekrochen kommt.«
Die beiden Stadtjungen sahen sich an. Dann trotteten sie zu Manuels Truck. Aus dem Augenwinkel sah sie Angel zusammenzucken. Aber er schloss sich den beiden an und stapfte ebenfalls zum Truck.
»Zu dieser Zeit in der Saison sind keine Rancharbeiter zu finden«, sagte Manuel zu ihr. »Ich kann es kaum abwarten, bis Sie vor uns auf den Knien rutschen und uns um Hilfe anflehen.«
»Warum hältst du nicht die Luft an, während du wartest«, schlug Brenda vor.
Mit jugendlichem Elan, der gar nicht zu den vielen Falten passte, sprang Manuel in den Fahrersitz und rauschte davon. Brenda war kurz davor, einen Seufzer der Erleichterung auszustoßen. Sie wollte auch die Sorgen und Ängste loslassen. Er hatte recht. Hilfe zu finden, würde zu diesem Zeitpunkt schwer werden.
Der Truck hielt unvermittelt an. Brenda hielt die Hand über ihre Augen, als sie auf das hintere Ende des Trucks starrte, der auf halbem Weg zum Tor angehalten hatte.
Waren sie etwa zur Besinnung gekommen? Wollten sie zurückkehren und nach ihren Regeln spielen? Würde sie dem zustimmen?
Bevor sie eine der Fragen beantworten konnte, sprang Manuel aus dem Führerhaus. Er hob den Fuß und trat mit dem Stiefel nach einem schwachen Punkt in der Umzäunung. Es war das Stiergehege. Das Gehege mit dem neuen, teuren Bullen.
Manuel zog grüßend den Hut, sprang zurück in den Wagen und raste davon.
Der Bulle stand in der Mitte des Geheges, mit dem Rücken zu ihr. Brenda wusste, dass sie es nicht bis dorthin schaffen würde, bevor er ausbrach. Aber sie musste es versuchen. Sie war für jeden Schaden verantwortlich, den er anrichtete. Und das konnte sie sich nicht leisten.
Sie bewegte sich schnell, ergriff einen Sack mit Getreide mit der einen Hand und einen Sack Zucker mit der anderen. Sie sprang auf den Traktor, zog den Schlüssel aus ihren Haaren und rammte ihn in die Zündung.
Der Traktor sprang nicht an. Sie versuchte es erneut. Der Bulle hatte sich jetzt umgedreht und trottete zögerlich auf die Lücke im Zaun zu.
Endlich sprang der Traktor an. Brenda fuhr los, doch mit nur dreißig Stundenkilometern würde sie zu spät kommen. Ihre einzige Hoffnung bestand darin, den Bullen zurück in den Pferch zu treiben, bevor er sich oder andere verletzte.
In der Ferne sah sie einen Jeep durch ihr Tor fahren. Einen roten Jeep. Ein roter Jeep fuhr direkt auf den Bullen zu.
Wer fuhr bloß einen roten Jeep auf eine Rinderfarm? Natürlich wusste Brenda, dass Bullen farbenblind waren. Allerdings überwog der Aberglaube.
Brenda trat das Gaspedal ganz durch und beschleunigte auf vierzig Stundenkilometer Höchstgeschwindigkeit. Sie war jedoch zu spät. Der Bulle hatte den roten Jeep entdeckt und rammte ihn.

Kapitel Fünf
Keaton hatte so einige Schläge im Leben eingesteckt. Er hatte brasilianisches Jiu-Jitsu studiert, war hochgehoben und durch den Ring geschleudert worden. Beim Nahkampftraining hatten Gegner ihn gegen die Brust getreten. Und einmal hatte eine Kugel seine Körperpanzerung getroffen. Jeder dieser Treffer hatte ihn erschüttert. Jeder Treffer hatte sein Sehvermögen beeinträchtigt und seine Gedanken durcheinandergeschüttelt. Aber nie allzu heftig. Jedes Mal hatte er sein Gleichgewicht schnell wiedergefunden und war innerhalb weniger Sekunden kampfbereit gewesen.
Das riesige Biest aber, das jetzt auf ihn zuraste, war größer als die Profi-Wrestler und Kampfsportler im Ring. Seine Hufe rissen den Boden auf, wo sie auf die Erde trafen und den massigen Körper nach vorne warfen. Direkt auf Keaton zu. Der Jeep und der Bulle hatten etwa das gleiche Tempo drauf. Vielleicht war der Bulle sogar etwas schneller.
So oder so, Keaton konnte seinem Schicksal nicht entrinnen. Er tat das Einzige, das ihm übrigblieb. Er bereitete sich auf den Aufprall vor.
Was ein Fehler war. Angespannte Muskeln und Sehnen verletzten sich leichter. Doch Keaton sah keine Möglichkeit, sie zu entspannen. Da jagte ein achthundert Pfund schwerer Bulle direkt auf die Fahrerseite zu.
Die metallene Tür war nicht mit der Panzerplatte in einer kugelsicheren Weste vergleichbar. Autobauer mussten Fahrzeuge erst noch bullensicher machen. Das Metall knirschte, als das Tier gegen die Seite des Jeeps krachte. Keaton spürte den Aufprall in der Schulter und der ganzen linken Seite. Doch es war der dröhnende Aufschlag, der ihn erschütterte. Das Geräusch raubte ihm den Gleichgewichtssinn. Es fühlte sich an, als wäre der Teppich, der unter ihm weggezogen wurde, die ganze Welt.
Der Bulle fühlte die Wirkung des Aufpralls offenbar ebenso. Er stand neben dem Jeep. Betäubt. Seine Augen zwinkerten nicht. Er atmete langsam und abgehackt. So, wie er den Jeep zugerichtet hatte, musste der Bulle innere Blutungen davongetragen haben.
Eine Staubfahne erregte Keatons Aufmerksamkeit. Ein Traktor fuhr auf ihn zu. Hinter dem Steuer saß jemand, den er nur als Amazone beschreiben konnte.
Lange, braune Haare flatterten hinter ihr. Die durchtrainierten Arme zeigten die Muskeln einer Frau, die durch harte Arbeit und nicht durch choreographierte Bewegungen im Fitnessstudio erworben worden waren. Sie presste die Lippen konzentriert zusammen. Ihr Blick war fokussiert.
Keaton verspürte auf einmal das dringende Bedürfnis, die Farbe ihrer Augen zu kennen. Instinktiv fuhr seine Hand zum Türgriff, um aus dem Jeep auszusteigen. Er drückte gegen die Tür, doch sie bewegte sich nur wenige Zentimeter. Nicht weit genug, um hinausschlüpfen zu können.
»Bleiben Sie im Wagen«, rief die Kriegerin.
In ihrer Stimme lag ein derartiger Befehlston, dass Keaton ihr Folge leistete. Der Racheengel stellte den Motor des Traktors ab. Sie sprang von ihm herunter, bevor die Räder ganz zum Stillstand gekommen waren. Ihre Bewegungen verlangsamten sich, und Keaton kam es so vor, als sähe er einen Actionfilm, in dem die schnellen Bewegungen durch Slow Motion hervorgehoben wurden.
Nein. Ihre Bewegungen waren nicht langsam. Es musste an seinem Gehirn liegen.
Er wusste, dass sie sich schnell bewegte. Effektiv. Doch seine Augen schienen an ihren Bewegungen festhalten zu wollen. Jede ihrer Aktionen wurde in seinem Gehirn wiederholt, wie beim Football, wenn ein Spielzug analysiert wurde.
Sie hob langsam eine Hand. Ihre Stimme war besänftigend. Beruhigend. Er konnte die Worte nicht verstehen. Ihre Wirkung war allerdings klar.
Beruhige dich.
Alles ist okay.
Komm mit mir.
Ich kümmere mich um dich.
Keatons Körper entspannte sich. Der Schmerz vom Aufprall schwand. Er würde dieser Frau, die versprach, sich um ihn zu kümmern, überall hin folgen. Er fühlte sich allein durch ihre Anwesenheit besser.
Er versuchte erneut, die Tür des Jeeps zu öffnen. Und wieder bewegte sie sich kaum. Die Zeit kehrte zu ihrer normalen Geschwindigkeit zurück, und er sah einen Blitz. Es war der Kriegerengel. Ihre Augen blitzten ihn an.
Sie waren grün. Grün wie Grashalme. Sehr scharfe Grashalme, die einen hässlichen Schnitt verursachen konnten. Warum verspürte er dann den Drang, auf der Weide ihres Blickes herumzurollen?
»Schon in Ordnung, mein Großer«, sagte sie.
Ihre Stimme klang lieblich. Aber sie war auch so kraftvoll, als wären die Federn aus Stahl gemacht. Sie ließ Keatons Spinnensinn auf der Haut kribbeln. Jedoch nicht wie bei einer Vorahnung von Gefahr. Dieses Gefühl ging direkt ins Blut wie ein Schuss Adrenalin. Und wieder versuchte er, aus dem Jeep zu klettern.
»Ich hab das im Griff, Soldat.«
»Lassen Sie mich helfen«, erwiderte er.
»Sie gehören nicht zu meinem Plan.«
Keaton runzelte die Stirn. Ein Plan, zu dem er nicht gehörte? Das ergab keinen Sinn. Er fügte einen neuen Punkt zu seiner To-do-Liste hinzu: Teil des Plans des Kriegerengels werden. Wie auch immer dessen Plan aussah.
Der Plan schien darin zu bestehen, den betäubten Bullen durch die Lücke zurück hinter den Zaun zu locken und wieder einzusperren. Mit einem Sack Getreide und weißen Körnern, die wie Salz aussahen.
Der Bulle schüttelte den Kopf, als wachte er aus einem Traum auf. Er zwinkerte ein paar Mal und fokussierte sich auf sie. Seine Nüstern bliesen heiße Luft aus.
Würde das Biest sie auf die Hörner nehmen? Wie es das bei Keaton getan hatte? In diesem Augenblick erkannte er, dass er eher sterben würde, als dass er zuließe, dass diese Frau verletzt wurde. Wie auch immer ihr Plan aussah, Keaton setzte Plan B in Kraft.
Er drängte sich aus seinem Fahrzeug heraus, wich aber zurück, als sie ihn genervt anfuhr, zu bleiben, wo er war. Diesmal ignorierte er ihre Aufforderung. Seine Stiefel berührten den Boden.
Gefolgt von seinen Knien.
Seiner Schulter.
Und schließlich seinem Kopf.
Das Letzte, was Keaton erkannte, bevor er das Bewusstsein verlor, war, dass die weißen Körner, die sie dem Bullen zuwarf, kein Salz waren. Es war Zucker. Ob ihre schmollenden, missbilligenden Lippen wohl süß schmeckten, wenn er sie küsste?

Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию (https://www.litres.ru/pages/biblio_book/?art=66501046) на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.