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Vom Grafen Verzaubert
Amanda Mariel
Kann das Paar Wolfes schändlichen Taten ein Ende setzen, bevor Rose alles, was ihr lieb und teuer ist, ihre Freiheit eingeschlossen, verliert?
Werden Rose und Hunter ihre Unterschiede überwinden und wahre Liebe annehmen?
Rose Woodcourt, eine arme Schneiderin, ist zu stolz, um Hilfe zu akzeptieren, sogar als ihr Heim und ihre Freiheit vom schändlichen Mr. Wolfe bedroht werden. Besonders nicht von Hunter Thorne, einem Gentleman mit Titel weit über ihrem Stand. Grafen umwerben gewöhnliche Fräulein nur aus einem Grund und Rose hat kein Interesse daran die Mätresse eines wohlhabenden Mannes zu sein, wie gutaussehend und charmant er auch sein mag.
Hunter ist ein ehrenhafter Mann; er weigert sich der beherzten Schönheit seinen Rücken zuzukehren, ungeachtet dessen, wie stark sie ihn fortstößt. Als Mr. Wolfes Drohungen sich zu Handlungen entwickeln, hat Rose keine große Wahl, außer sich an Hunter zu wenden. Kann das Paar Wolfes schändlichen Taten ein Ende setzen, bevor Rose alles, was ihr lieb und teuer ist, ihre Freiheit eingeschlossen, verliert?

Amanda Mariel
Vom Grafen Verzaubert

VOM GRAFEN VERZAUBERT

AMANDA MARIEL

Übersetzt von CAROLIN KERN
Bei diesem Werk handelt es sich um Fiktion. Namen, Charaktere, Einrichtungen, Orte, Ereignisse und Vorkommnisse sind entweder Produkte der Fantasie der Autorin oder werden fiktiv genutzt.

Copyright © 2016 by Amanda Mariel
Titel der englischen Originalausgabe: »Enchanted by the Earl«
Herausgegeben von Amanda Mariel
Einbanddesign von Melody Mulvey

Für die deutschsprachige Ausgabe:
Copyright Übersetzung © 2020 Carolin Kern

Kein Teil dieses Buches darf vervielfältigt, oder in einem Datenabfragesystem gelagert, oder in irgendeiner Form oder auf irgendeine Weise übertragen werden, weder elektronisch, mechanisch, fotokopiert, aufgezeichnet noch anderweitig, ohne die ausdrückliche schriftliche Erlaubnis des Verlegers.

Herausgegeben von TekTime
Alle Rechte vorbehalten
Für alle von uns, die noch immer an Märchen glauben. Mögen wir alle unser Glücklich-bis-ans-Lebensende finden.


KAPITEL 1

London, 1813
Das Knarren von Kutschenrädern zog Roses Aufmerksamkeit weg vom Garten, wo sie in den Beeten kniend die strahlenden Blüten inspizierte, um die sie sich den ganzen Frühling gekümmert hatte. Lady Julia Thornes eleganter Landauer kam vor dem Cottage, das Rose sich mit ihrer betagten Großmutter teilte, zum Stehen. Ihr Herzschlag beschleunigte sich und Rose stand auf und wischte sich ihre Hände an ihrer Schürze ab, hinterließ dabei schmutzige Streifen.
Ein großer Gentleman mit rabenschwarzem Haar und Augen im Farbton des Himmels im Hochsommer stand neben der offenen Kutschentür. Rose erwischte sich dabei, wie sie auf die kräftigen Linien seines Kiefers starrte, während er ihre Kundin, Lady Julia, aus der Kutsche reichte.
Ihr Puls wurde schneller, als ihre Besucher sich näherten. Sie behielt ihren Blick auf dem Gentleman. Er war der Gutaussehendste, den sie jemals erblickt hatte. Als er in ihre Richtung blickte, brannten Roses Wangen, da sie erwischt worden war, wie sie ihn so unverfroren beäugt hatte. Lady Julia lächelte, als Rose näherkam. »Miss Woodcourt, ich bin wegen dem Stoff für meine neuen Kleider gekommen. Haben Sie es geschafft die Muster zu bekommen, die ich erbeten habe?«
Lady Julia bewegte sich in einem Rauschen aus grünem Organdy an ihr vorbei. Ihr Begleiter hielt auf der Veranda aus alten Dielenbrettern an. »Ich werde hier warten, wenn es Ihnen nichts ausmacht, Miss.« Sein atemberaubendes Grinsen enthüllte gerade weiße Zähne.
Rose starrte, ehrfürchtig vor seinem guten Aussehen. Der Türgriff glitt aus ihrer Hand, was die Tür zuschlagen ließ. Sie zuckte wegen diesem Geräusch zusammen, ihre Nervenenden knisterten.
Er zog die Holzplatte wieder auf, wobei seine blauen Augen funkelten. »Erlauben Sie, Miss.«
Wärme überspülte Roses Wangen, als sie einen Schritt auf die Öffnung zu machte. Eine Schamesröte breitete sich zu ihrem Hals aus. Als sie einen Atemzug nahm, atmete sie seinen berauschenden Duft von Klee und Salbei ein.
»Wie ist Ihr Name, Miss?«
»Rose Woodcourt.« Sie blickte auf seine Hand und bemerkte einen Siegelring, der auf seinem Finger glänzte. Sie fügte schnell hinzu: »my Lord.«
Selbstverständlich, er war ein Lord und sie eine Närrin mit Spatzenhirn, dass sie so stark auf ihn reagierte. Es würde ihr am besten dienen, wenn sie sich an ihren Platz in der Gesellschaft erinnerte. Lords machten sich nicht daran gewöhnliche Fräulein zu umwerben. Sie tändelten mit ihnen, bis sie sich langweilten, warfen sie dann zur Seite, wenn die Affäre nicht länger ihr Interesse hielt. Roses Entrüstung rüttelte an Erinnerungen an die arme Annie. Ein verwegener Graft hatte ihre alte Freundin weggeworfen, nachdem er sie geschwängert hatte. Verlassen und verängstigt war Annie für Hilfe zu Rose gekommen. Aber Gott sei’s geklagt, es konnte nichts getan werden. Annie starb bei der Geburt des Sohnes dieses abscheulichen Mannes
»Ich freue mich Ihre Bekanntschaft zu machen, Miss Woodcourt.« Er zeigte ein Lächeln. »Ich bin Hunter Thorne, Earl of Aubry.”
Rose sank in einen tiefen Knicks, hielt seinen Blick. So sehr sie sich auch bemühte, sie konnte nicht aufhören ihn anzuschauen.
Ein Nervenbündel entfaltete sich in ihrem Magen, als sie seine angebotene Hand annahm. Einen Moment später zog sie ihre Hand heraus. »Entschuldigt mich, Lord Aubry, aber Lady Julia wartet.«
Beim Betreten ihres Arbeitszimmers fand sie Lady Julia auf einem ausgebleichten Stuhl mit hoher Rückenlehne sitzend vor. Das süße Aroma frischen Brotes, das durch das Cottage waberte, gepaart mit der Teetasse in Lady Julias Hand, sagte Rose, dass ihre Großmutter sich um Lady Julias Wohlergehen gekümmert hat, bevor sie zur Küche zurückgekehrt war. »Bitte verzeiht meinen ungepflegten Zustand. Ich befürchte, ich habe die Zeit vergessen.«
»Es gibt nichts, für das sie sich entschuldigen müssen. Sollen wir?« Lady Julia lächelte.
Rose eilte zu ihren Regalen und nahm schwungvoll einige Bündel Stoff. »Ja, selbstverständlich. Hier sind Proben zu Eurer Betrachtung.« Sie legte den Haufen auf ihren Nähtisch. »Der Leinenhändler versicherte mir, dass diese die neuesten Verfügbaren sind. Manche kamen direkt aus dem Orient.«
Rose beobachtete, wie Lady Julia ein Stoffmuster von blauem Organdy anhob. Genau der Farbton von Lord Aubrys Augen. Das Paar teilte dieselbe Augenfarbe und denselben Farbton der Haare, das gleiche Lächeln. Waren sie verwandt? Als Hoffnung ihre Haken in Roses Herz setzte, warf sie ihre Schwärmereien fort. Sie sollte ihn aus ihrem Verstand verbannen, damit sie nicht wie die arme Annie endet. »Welch wundervoller Farbton, my Lady.«
Grans Stimme erschallte vom Eingang. »Ich sagte, Sie sollen Rose nicht stören, Mr. Wolfe, Sie dürfen dort nicht hineingehen.«
Um Himmels willen! Dieser Schurke, Dewitt Wolfe, hatte ihren Treppenaufgang wieder verdunkelt. Würde er sie nie in Frieden lassen?
»Bitte entschuldigt mich einen Moment, Lady Julia.« Mit hämmerndem Herzen bewegte sich Rose zur Tür. Warum wollte er sie nicht in Ruhe lassen? Sie hatte ihre Verlobung gebrochen und ihren Standpunkt klargemacht. Dennoch weigerte er sich ihre Entscheidung zu akzeptieren.
Mr. Wolfe hielt mitten im Schritt an. Gran kollidierte beinahe mit seiner Kehrseite. »Ah, das bist du ja, meine Liebe.« Sein Mund verzog sich zu einem Grinsen. »Ich bin gekommen, um –«
Frustriert jenseits der Vernunft vergaß Rose, dass sie Gesellschaft hatte. Sie schnitt ihm das Wort ab, sprach schärfer als beabsichtigt. »Ich weiß, warum Sie gekommen sind. Sie müssen nicht fortfahren. Ich habe Ihnen meine Antwort gegeben.« Als sie in seine braunen Knopfaugen starrte, wurde ihr Magen in Aufruhr versetzt. »Ich werde Sie nicht heiraten, Mr. Wolfe.«
Wolfe ließ ein knappes Lächeln aufblitzen und marschierte auf sie zu, sein stumpfes braunes Haar war unordentlich und ragte aus seinem hohen Kastorhut hervor. »Du wirst mich heiraten.« Er griff in seine Tasche und zückte ein gefaltetes Dokument. »Ich hatte gehofft, dass du mich nicht zu derartigem Handeln zwingst.« Er streckte ihr das gefaltete Pergament hin, wobei sich sein verdunkelter Blick in ihren bohrte. »Die unbezahlte Grundschuld für diese bescheidene Behausung, meine Liebe. Solltest du dich weigern mich zu heiraten, werde ich dein Zuhause unter euch weg verkaufen.«
Rose schnappte sich das Dokument, schälte es auf und überflog den Druck. Ihr Magen wälzte sich um und ein Knoten formte sich in ihrer Kehle. Sie zerknüllte das Pergament in ihrer Faust, bevor sie ihn wütend anstarrte. »Das können Sie nicht. Das ist nichts anderes als ein Trick. Papa hat die Grundschuld vor Jahren abbezahlt.«
»Ich kann und ich werde.«
Etwas Unheilvolles flackerte in seinen Augen. Sein gefühlloser Blick schickte einen Schauer durch ihre Blutbahn.
»Erlaube es diesem Unmensch nicht deine Hand zu erzwingen, Rose«, sagte Gran, während sie ihre Augen betupfte. »Alles wird in Ordnung sein. Sogar wenn wir das Cottage verlieren, werden wir einen Weg finden.« Gran schüttelte ihren Kopf, wobei sich ein paar Strähnen ergrauenden kastanienbraunen Haars aus ihrem Dutt befreiten.
Oh, wie Rose sich wünschte, dass dem so wäre. Aber das Cottage war alles, was sie von ihrer Kindheit und ihren Eltern noch hatte, nach dem Kutschenunfall, der ihre Leben gefordert hatte. Wie konnte Mr. Wolfe einen Nachweis einer unbezahlten Schuld erlangen, die vor Jahren bereinigt worden war? Sie sog einen Atemzug ein und straffte ihre Schultern.
»Ich werde beweisen, dass dies eine Farce ist. Meine Antwort ist noch immer nein. Ich werde Sie nicht heiraten. Bitte lassen Sie uns in Frieden.«
Als sie sich drehte, um davonzugehen, erfasste er ihren Arm und wirbelte sie zurück, um ihm gegenüberzustehen.
»Das Dokument ist rechtmäßig”, höhnte er. »Dein lieber Vater hat niemals seine Schulden zu Ende bezahlt. Ich besitze dieses Cottage aufgrund des Bruchs dieses Vertrags.« Er trat näher. »Du solltest mir danken, dass ich dich vor dem Schuldgefängnis rette.«
Sie riss ihren Arm los und machte einen Schritt von ihm weg. Sie schaute in seine kalten dunklen Augen und brachte ihren ganzen Mut auf. »Mr. Wolfe, lassen Sie mich deutlich sein. Ich werde Sie niemals heiraten.« Sie wich vor seinem stechenden Blick nicht zurück, richtete sich auf und hob ihr Kinn. »Verlassen Sie unverzüglich mein Zuhause, Mr. Wolfe.« Rose blieb standhaft und kämpfte gegen ihre Tränen. Sie weigerte sich es Mr. Wolfe zu erlauben zu sehen, wie sehr er sie bestürzte.
»Das werde ich gerne tun … sobald du zustimmst meine Ehefrau zu werden.«
Lord Aubry trat hinter ihm auf ihn zu. »Ich bin sicher, dass Miss Woodcourt Sie gebeten hat das Grundstück zu verlassen, Sir.«
Seine volle Stimme legte sich wie ein warmer Schal in einer eisigen Nacht um Rose. Ihre Glieder prickelten als Erwiderung, während sie den Klumpen, der sich ihn ihrer Kehle bildete, herunterschluckte. Sie konnte nicht vor ihnen weinen. Sie würde vor Verlegenheit umkommen, wenn sie das täte.
Ohne den Hohn in seinem Gesicht zu verändern, sprach er zwischen zusammengebissenen Zähnen seine scharfe Erwiderung aus. »Wer sind Sie, um mir Befehle zu geben?« Mr. Wolfe wirbelte herum, um Lord Aubry entgegenzusehen. Seine Schultern sackten zusammen, als er in eine Verbeugung sank. »Vergebt mir, my Lord. Ich fürchte Ihr seid auf eine private Angelegenheit gestoßen und die Gemüter sind erhitzt.« Er richtete sich auf, bevor er Rose über seiner Schulter einen Blick zuwarf, wobei seine Lippen in eine knappe Linie gepresst waren.
Rose schaute Lord Aubry an, der dort mit einem knappen Lächeln stand, dann zurück zu Wolfe. Kalte Furcht rann durch ihre Adern. Wolfe würde Lord Aubrys Einmischung nicht freundlich aufnehmen.
Der Graf trat nach vorne, direkt vor Wolfe, mit gestrafften Schultern und einem gefährlichen finsteren Blick. »Sie werden schauen, dass Sie fortkommen, aber schleunigst.«
Rose starrte die Männer an, ihre Wangen brannten. So sehr sie seine Hilfe auch schätzte, sie würde ihre Kämpfe mit diesem widerwärtigen Charakter lieber privat halten.
»Ja, my Lord. Sogleich.« Wolfe trat um Lord Aubry herum, aber nicht bevor er sie finster ansah. Einen Moment später schlug die Tür zu, was den Boden unter Roses Füßen zum Erzittern brachte. Sie entließ den Atem, den sie angehalten hatte.
»Ich danke Euch, Lord Aubry.« Sie tauchte in einen tiefen Knicks. Dankbarkeit erfüllte sie, aber ihr Magen verknotete sich. Sie wusste, dass Mr. Wolfe nicht einfach aufgeben würde. Und Lord Aubry wäre das nächste Mal wahrscheinlich nicht in der Nähe, wenn sie Rettung nötig hatte.


Rose umklammerte den Beweis in ihrem Pompadour, als sie auf das Büro des Konstablers zu marschierte. Sie hatte letzte Nacht eine verzweifelte Suche durch Papas alte Aufzeichnungen gestartet. Stunden waren damit zugebracht worden staubige Bestandsbücher zu dursuchen, bis sie schließlich das Blatt Pergament fand, das sie benötigte. Rose zog den Beleg heraus und starrte ihn an. Wie es Mr. Wolfe denn geschafft hatte Grundschuldpapiere zu fälschen, ging über ihr Verständnis heraus. Nun ja, bald genug würde sie beweisen, dass Mr. Wolfe der Schwindler war, von dem sie wusste, dass er es war.
Ein Gentleman in einem hohen Hut rauschte an ihr vorbei, als sie nach der Bürotür griff. Ein Windstoß, der durch diese Bewegung geschaffen wurde, haschte den kostbaren Beleg aus ihrer Hand. Das Dokument tanzte auf der Brise, hielt kurz inne, hüpfte dann über den Fußweg. Ihr Puls beschleunigte sich und Rose eilte hinter dem Beleg her. Als sie sich bückte, um ihren Beweis zu ergreifen, haschte ein weiterer Windstoß das Pergament von ihren Fingerspitzen und trug es davon. Es landete auf dem Rand einer Schlammpfütze in der Mitte der geschäftigen Straße. Roses Brust schnürte sich vor Grauen zu. Wenn der Beleg ruiniert wurde, hätte sie nichts, um Mr. Wolfes Lügen zu widerlegen.
Sie kämpfte sich hinter dem kleinen Stück Pergament her, schaffte es danach zu greifen, aber der Wind gab ihm wieder Flügel. Sie schenkte den Menschen, die sich um sie herum bewegten, keine Aufmerksamkeit, als sie sich um diese herumdrückte und verzweifelt versuchte ihren Beweis wiederzuerlangen.
Der Beleg flatterte nochmals herunter und landete in ebendieser Pfütze, vor welcher Rose ihn gerade zu retten versucht hatte. Ihr Herz sank. Sie streckte sich danach aus, ihre Finger strichen über den Beleg, aber zogen sich zurück, als eine Kutsche vorbeiratterte. Nein, nein, nein. Das kann doch nicht geschehen. Wenn sie ihren Beweis verlor, wusste Rose, dass sie auch ihr Cottage verlieren würde. Sie rückte näher an den Bordstein. Während sie das tat, kam ein Pferd mit schnellem Schritt näher. Rose sprang zurück und beobachtete, wie seine Hufe ihre Hoffnung in die schlammige Pfütze trampelte.
Sie ließ sich auf die Knie fallen und griff nach dem verschmutzten Beleg, achtete nicht auf ihre Robe. Bitte lass die Schrift noch immer lesbar sein. Sie beugte sich so weit sie konnte herüber und fischte das Pergament aus dem schlammigen Wasser. Ihr Herz purzelte zu ihren Zehen. Die Tinte war jenseits der Erkennbarkeit verschmiert. Nicht mehr als schwarze Schlieren verblieben. Was sollte sie denn jetzt tun?
»Miss Woodcourt?« Eine tiefe Baritonstimme drang in ihre Gedanken ein.
Sie drehte ihren Kopf und ihr Blick kollidierte mit Lord Aubrys.
Rose nahm die Hand, die er bot, an und erlaubte es ihm sie hochzuziehen. Sie blickte auf das triefende Pergament. »Weg, es ist alles weg.« Ihre Stimme zitterte, als sie seinem fragenden Blick begegnete.
»Was ist weg?«
»Dies! Mein Beweis.« Frustriert ließ sie den nassen, verschmierten Beleg vor ihm baumeln. Ihre weißen Handschuhe waren, davon den Beleg aus der Rinne zu fischen, mit dem schlammigen Straßenwasser verschmiert. Rose kämpfte darum ihre Fassung zu wahren.
»Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht folgen, Miss Woodcourt.” Sorge blitzte in seinen blauen Augen auf.
Sie nahm einen tiefen Atemzug und straffte ihre Schultern, entschlossen ruhig zu bleiben. »Es war der Beleg, der beweist, dass Papa die Grundschuld, die er Mr. Wolfes Vater schuldete, tatsächlich abbezahlt hatte. Ich beabsichtigte den Beweis zum Konstabler zu bringen. Nun habe ich nichts.« Rose kämpfte gegen die aufsteigende Panik an, ihre freie Hand ballte sich zur Faust und stieß in ihren Rock.
»Sie könnten noch immer die Bow Street Runners[1 - Erste professionelle Polizei Londons] anheuern, um zu ermitteln.« Er studierte sie, sein Blick wurde weicher.
Etwas an der Art, wie er ihr Gesicht absuchte, wärmte sie tief im Inneren. »Das ist keine Option. Ich muss gehen, my Lord.« Sie sank in einen Knicks.
Er erfasste ihren Ellbogen und zog sie auf die Füße. »Bitte sagen Sie, warum ist es keine Option einen Bow Street Runner anzuheuern?« Rose konnte die kleinen Schmetterlinge, die bei seiner Berührung in ihrem Bauch abhoben, nicht ignorieren.
Sie spähte hoch in seinen himmelblauen Blick und nagte an ihrer Lippe. Wie sollte sie gegenüber ihm zugeben, dass sie anzuheuern über ihren finanziellen Mitteln lag? Ohne einen Beweis konnten sie nicht einfach das Fehlverhalten wiedergutmachen. Vielleicht könnte Wolfe verhaftet werden. Nein. Für eine Untersuchung würde sie Münzen herüberreichen müssen, und eine Menge davon. Sie hatte kein zusätzliches Geld. Ganz gleich wie sie versuchte darüber nachzudenken, wie sie ihm antworten sollte, sie konnte einfach nichts erwidern. Sie stand verstummt da, blickte ihn an.
»Beabsichtigen Sie mich zu ignorieren?« Frustration überzog Lord Aubrys Worte. Er löste seinen Griff um sie.
Rose blickte zu ihm hoch. Könnte er helfen? Sie wollte fragen, aber unternahm keinen Versuch zu sprechen.
»Wenn Sie mir sagen, was das Thema ist, wäre ich möglicherweise in der Lage auszuhelfen.« Seine Augen waren mit ihren verschränkt. Seine Stimme war sanft. Eine merkwürdige Empfindung entfaltete sich in ihrer Bauchgegend.
Rose wandte ihren Blick ab, nicht völlig sicher, ob sie wünschte ihre Kämpfe mit ihm zu teilen.
»Wie Sie wünschen”, sagte er. »Behalten Sie für jetzt ihre Geheimnisse für sich, wenn Sie es müssen.«
»Ich kann mir zu dieser Zeit keine Untersuchung leisten und ich wünsche Eure Hilfe nicht.« Ihre Wangen flammten bei dem Zugeständnis auf. »Ich könnte Euch das unmöglich aufbürden.« Ihr Inneres fühlte sich so seltsam an. Warum beeinflusste er sie so?
»Es gibt keine Zumutung. Tatsächlich bestehe ich darauf.« Er streckte grinsend seinen Arm aus. Sein Tagesmantel schmiegte sich an seine Brust, entblößte einen muskulösen Körperbau.
»Das ist äußerst großzügig, aber ich kann es nicht erlauben.« Rose erzwang ein Lächeln.
Mitleid flackerte in seinen Augen, während er ihren Blick hielt,
Wie erniedrigend. Eine Schamesröte breitete sich von ihrer Brust zu ihrem Hals aus. Das Letzte, was sie wollte, war seine Almosenempfängerin zu sein.
»Erlauben Sie mir zumindest Sie nach Hause zu bringen«, bot er an.
Sie ließ ein Lächeln aufblitzen und drehte sich in der Absicht zu gehen um. »Ich kann mich selbst nach Hause bringen. Ich danke Euch.«
Er nahm ihren Ellbogen und drehte sie, so dass sie ihn anblickte. »Unsinn. Es gibt keinen Grund, dass Sie eine Droschke mieten, wenn ich genau hier eine völlig ausreichende Kutsche habe.« Er gestikulierte in Richtung derselben eindrucksvollen Kutsche, die Lady Julia am vorigen Tag an ihre Tür gebracht hatte.
Rose nagte in Gedanken an ihrer Unterlippe. Das Paar teilte sich denselben Nachnamen, aber wie waren sie verwandt? Könnten sie möglicherweise Geschwister oder Cousins sein? Wie dem auch sei, Lady Julia hatte ihn gern. Vielleicht waren nicht alle Lords so abscheulich, wie es Annies Graf gewesen war. Sicherlich würde es keinen Schaden anrichten ihm einfach zu erlauben sie nach Hause zu fahren. »Sehr wohl«, seufzte sie.
Ein Kitzel des Sehnens ging durch sie, als sie ihre Hand unter seinen Oberarm schlang. Sie war sich sicher, dass die Reaktion nichts mit ihrer momentanen Zwangslage zu tun hatte. Hör auf du Einfaltspinsel, er ist ein Lord. Lords umwerben Fräulein ohne Titel nicht. Vielleicht würde sie ihn aus ihrem Kopf bekommen, wenn sie sich das oft genug sagte.
Lord Aubry winkte seinem Fahrer ab. Stattdessen öffnete er die Tür zu seiner Kutsche und zog eine winzige Stufe herunter, damit sie diese benutzen konnte. Er hielt sie fest und half ihr hoch in den schwarz lackierten Landauer, dessen Tür sein Wappen schmückte. Ihr Rock raschelte, als sie sich auf den dick gepolsterten Ledersitz setzte. Sie war noch nie in einem solch feinen Gefährt gewesen.
Das schiefe Grinsen, das er ihr zeigte, brachte ihr Herz zum Flattern. Sie lächelte zurück, bevor sie ihren Blick abwandte. Es ginge nicht an, dass er sah, wie tief er sie traf. Außerdem wurde ihr Denken benebelt, während sie ihn anschaute. Sie musste sich auf das Problem mit Mr. Wolfe konzentrieren. Es musste einen Weg geben ihn aufzuhalten, ohne sie ins Armenhaus zu schicken. Das musste es einfach.

KAPITEL 2
Dewitt Wolfe schritt in seinem Büro auf und ab, hielt noch immer die Einladung des schicken Lords in seiner Hand. Woher war dieser verfluchte Mann gekommen? Noch wichtiger, warum bestand er darauf einzugreifen? Er hatte die Anwesenheit des Grafen als bloßen Kniff angesehen, als dieser bei Rose eingeschritten war. Jetzt erkannte Dewitt, dass der Lord ein größeres Problem darstellen könnte. Er hatte ihn überrumpelt, als er ihn aus dem Zuhause seiner Verlobten befohlen hatte. Jetzt winkte er ihn herbei, um ein Treffen in Anspruch zu nehmen. Warum?
Verdammter Mist. Was konnte ein schicker Lord mit seiner titellosen, mittellosen Blume wollen? Der Graf würde Dewitt nicht noch einmal einschüchtern. Er schwor sich selbst einen Eid und er hatte vor diesen Schwur zu ehren. Status machte für ihn wenig Unterschied. Rose wurde mit ihm verlobt, als sie Kinder waren. Sein Puls beschleunigte sich bei dem Gedanken.
Der Verlöbnisvertrag war zusammen mit seinem Elternhaus verbrannt. Alles ist in Flammen aufgegangen, seine Eltern miteingeschlossen. Dem Feuer nachfolgend sind die Gläubiger gekommen, haben alles Übrige von Wert mitgenommen, sogar die Pferde der Familie wurden konfisziert. Über die Jahre arbeitete Dewitt hart, hielt sein Geld zusammen, log, betrog und tötete sogar, wenn es notwendig war, um sein Leben wiederaufzubauen und sicherzustellen, dass ihm nichts mehr jemals wieder weggenommen wurde.
Als Roses Eltern starben, hat sie praktischerweise ihre Abmachung vergessen – eine Tatsache, mit der er nicht gerechnet hatte. Ihre Kopie des Verlöbnisses war ebenfalls verschwunden. Dewitt hatte vor ein paar Monaten ihr Cottage durchsuchen lassen, als sie mit ihrer unerträglichen Großmutter weg war, Verwandte auf dem Land besucht hatte. Es konnte keine Spur des Dokuments gefunden werden. Er hatte gehofft es als ein Mittel zu benutzen, um sie daran zu erinnern, was ihre Eltern gewollt hatten.
Wusste dieser Lord Aubry von ihrem Verlöbnis und ihrem Wunsch dem zu entfliehen? Möglicherweise hatte Rose bei ihm Hilfe ersucht. Er schüttelte seinen Kopf. Ein Lord würde keinem titellosen Fräulein helfen, besonders einer ohne Wohlstand. Außer sie zierte sein Bett.
Dewitts Blut kochte, als ein Bild von Rose, wie sie sich nackt und vor Leidenschaft unter Lord Aubry wand, in seinen Geist sprang. Er schüttelte es ab. Nein, sie war absolut zu anständig, um dazu überlistet zu werden die Mätresse irgendeines Mannes zu werden. Etwas anderes musste vor sich gehen. Was auch immer das sein mochte, er würde es dem Grafen nicht erlauben seine Pläne für sie beide zu behindern. Sie gehörte zu ihm.
Lord Aubrys Einmischung würde nichts ändern. Er würde Rose mit Gewalt heiraten, wenn nötig. Sicherlich würde die Situation nicht dazu kommen. Er besaß das Zuhause, das sie liebte, und ihr Wunsch an diesem Cottage festzuhalten sollte genug sein, um ihre Meinung zu ändern. Er hatte ein kleines Vermögen dafür bezahlt die Grundschuld-Dokumente anzufertigen. Nun, da diese die seinen waren, wäre sie das auch.
Er raffte seine Reithandschuhe zusammen. Lord Aubry wartete auf ihn in einem Gentlemen’s Club und er würde ihn nicht enttäuschen


Hunter hob sein Glas, nahm einen langsamen Schluck. Die bernsteinfarbene Flüssigkeit brannte einen Pfad seine Kehle herunter. Mr. Wolfe sollte jeden Moment in Erscheinung treten. Der Mann wäre ein Narr sein Ersuchen zu ignorieren. Als er sich im Raum umblickte, bemerkte er, dass das White’s zu dieser frühen Stunde eher leer war. Eine gute Sache, da Hunter sich keine große Zuhörerschaft wünschte.
Er stellte sein Glas ab, als Wolfe durch die Tür hetzte, seinen Hut und seine Reithandschuhe einem Portier zu stieß. Hunter nahm Notiz von dem feinen Tagesmantel und den teuer aussehenden Stiefelhosen, die Wolfe trug. Dieser Mann mochte nicht zum niederen Adel gehören, aber er hatte offensichtlich Geldmittel. Hunters Blick begegnete Wolfes, als ein Kellner ihn zum Tisch führte.
Wolfe setzte sich gegenüber von ihm, wobei eine Hand auf der glatten Oberfläche des Tischs ruhte. Hunter hob eine Augenbraue, nahm Notiz von der defensiven Haltung. »Möchten Sie einen Drink?«
Wolfes Mund verzog sich in ein bedrohliches Grinsen. »Ich würde es bevorzugen direkt zum Punkt zu kommen. Warum habt Ihr mich gerufen?«
Also war der Mann nicht an Höflichkeiten interessiert. Das passte Hunter, da er nicht die Absicht hatte sich mit ihm anzufreunden. Er nahm einen weiteren Schluck, ließ dann die bernsteinfarbene Flüssigkeit methodisch in seinem Glas wirbeln. »Ich möchte Ihnen ein Angebot für Miss Woodcourts Cottage machen.«
»Das Grundstück ist nicht zu verkaufen.«
In der Tat eine seltsame Reaktion. Warum antwortete Wolfe so rasch? Hunter richtete seinen Blick auf den Mann. »Nennen Sie ihren Preis. Ich bin ein sehr wohlhabender Lord. Sicherlich können wir uns einigen.«
»Euer Wohlstand ist von keiner Bedeutung. Wie ich sagte, das Grundstück ist nicht zu verkaufen.«
Wolfes eisiger Tonfall gab ihm zu denken. Es wurde ihm in seiner Magengrube übel. Ein Bild von Miss Woodcourt kam ihm in den Sinn. Sie hatte gestern versucht ihre Besorgnis zu verstecken, aber die Anspannung ihrer Schultern, zusammen mit der Art und Weise, wie sie ihren Blick abwandte, hat sie verraten. Ein ursprüngliches Bedürfnis sie zu beschützen erfüllte ihn. Warum?
»Ich werde Ihnen das Doppelte von dem geben, was das Grundstück wert ist. Weitaus mehr, als was an Grundschuld noch geschuldet wird.« Hunter leerte sein Glas, nahm seinen Blick nicht von Wolfe. Nur ein Verrückter würde ein solch großzügiges Angebot ablehnen, und Wolfe schien zu gerissen, um wahnsinnig zu sein.
Wolfe schob seinen Stuhl zurück und erhob sich auf seine Füße. »Kein Betrag wird die Tatsache ändern, dass ich nicht verkaufe. Guten Tag, my Lord.« Er schritt zur Tür.
Hunter betrachtete die zurückweichende Gestalt des anderen Mannes mit zusammengekniffenen Augen. Er hatte anfänglich gedacht, dass Miss Woodcourt einen Fehler gemacht hatte. Eventuell war es ein Abrechnungsfehler. Er wollte das Grundstück kaufen, so dass er ihr das Cottage zurückgeben könnte. Jetzt hatte er keinen Zweifel, dass Wolfe etwas Schändliches anstrebte. Seit dem Moment, in dem er mitgemischt hatte, fühlte er sich aus Ehre verpflichtet Wolfe aufzuhalten. Er verließ das White’s auf demselben Weg, auf welchem Wolfe gegangen war.
Die Reise zurück zu seinem Stadthaus benötigte keine zehn Minuten. Hunter reichte dem Butler seinen Reitmantel und seine Handschuhe, bevor er ihn anwies nach Lady Julia zu schicken.
Die Erinnerung an Roses Auseinandersetzung mit Wolfe ließ ihn finster dreinblicken. Julias Dienstmädchen begleitete sie normalerweise bei Besorgungen. Er hatte sie aus Jux und Tollerei zu Miss Woodcourt begleitet. Wäre sie in Gefahr gewesen, wenn er nicht dort gewesen wäre? Wolfe wollte offensichtlich mehr als das Cottage. Ein Schauer durchlief ihn bei dem Gedanken. Was wäre wohl mit Miss Woodcourt passiert? Hunter schritt sein Büro der Länge nach ab.
Ein Rascheln von Röcken brachte seine Gedanken zurück zum gegenwärtigen Tag und er drehte sich an der Feuerstelle um. Julia bummelte zu ihm herüber und ließ einen Kuss auf seine Wange sinken. »Lieber Bruder, erzähl mir, warum du nach mir geschickt hast?«
Er trat zurück. Fragen wirbelten in ihren Augen und er grinste, griff nach ihrer behandschuhten Hand. Mit zweiundzwanzig war Julia vier Jahre jünger als er und Hunter war immer um sie herumscharwenzelt.
»Du siehst wie immer entzückend aus, meine liebste Schwester.« Es war ein Kompliment von Herzen. Sie war in einer grünen Seidenrobe mit einem passenden Bonnet gekleidet, das ihm frisches grünes Gras ins Gedächtnis rief. Lange weiße Handschuhe umhüllten ihre Hände und ein zarter Fächer schwang an ihrem Handgelenk. Hunter ließ sie los, nahm sich Zeit, um zu antworten.
»Oh, du bist mir vielleicht einer.« Sie schüttelte ihren Kopf, während sie sich daran zu schaffen machte ihr Bonnet zu entfernen. »Und du hast meine Frage nicht beantwortet.«
»Setzen wir uns doch.« Er bewegte sich zu einer blauen samtenen Chaiselongue.
Julia setzte sich gegenüber von ihm. Sie ließ ihren Fächer aus Spitze und Seide mit einem Schmunzeln aufschnappen. »Erzähl mir, um was es dir geht. Die Spannung bringt mich förmlich um.«
»Wie du wünschst. Ich möchte gerne das Datum deines nächsten Termins mit Miss Woodcourt wissen.« Er hatte in Betracht gezogen vorzuschlagen, dass Miss Woodcourt für die Anproben in ihr Stadthaus kommt, aber er wusste, dass ›Jewels‹, wie er seine Schwester seit der Kindheit nannte, zu viele Fragen stellen würde. Sie konnte es noch nie ausstehen im Dunkeln gelassen zu werden, aber er wollte seine Verdächtigungen nicht mit ihr teilen. Nicht wenn alles, was er hatte, eine Vermutung war. Er würde seine Schwester keinen Gefahren aussetzen.
Sie richtete ihren Blick auf ihn und ein Mundwinkel zog sich nach oben. »Hast du mich herübergerufen, nur um wegen meiner Kleider nachzufragen? Ehrlich, Hunter, hast du nichts Besseres zu tun?«
»Antworte mir einfach, Jewels.« Er trommelte mit seinen Fingern auf die Armlehne der Chaiselongue.
»Wenn ich das tue, wirst du mir dann erzählen, worum es bei dem Ganzen hier geht?«
Der kleine Kobold bestrebte mit ihm zu handeln. Sie hatte das getan, seitdem er sich erinnern konnte, hatte niemals Informationen abgegeben, ohne zuerst zu versuchen etwas für sich selbst zu erlangen. Manche Dinge änderten sich nie. »Beantworte einfach die Frage.«
»Oh, na schön. Aber sei dir gewiss, dass du überhaupt nicht spaßig bist.« Sie drehte ihren Fächer kreisförmig in der Luft. »Ich habe morgen eine Anprobe.«
»Ich werde dich begleiten«, sagte er in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete. »Auf welche Stunde soll ich die Kutsche bestellen?«
»Später Morgen sollte genügen. Nun, erzähl mir, worum es hier geht.« Sie lehnte sich zu ihm, ihre Augen tanzten vor Heiterkeit. »Bist du hingerissen von Miss Woodcourt, lieber Bruder?«
Er stockte bei dieser absurden Annahme. »Du hast eine lebhafte Vorstellungskraft.« Miss Woodcourt faszinierte ihn, aber er liebäugelte nicht mit ihr. Tat er das? Das konnte er auf keinen Fall. Sogar wenn er für eine Ehefrau auf dem Markt gewesen wäre – was er absolut nicht war – war sie eine ungeeignete Partie. Wenn und falls er heiratete, musste es eine Frau aus gutem Hause sein.
Julia seufzte. »Gott sei’s geklagt. Sie ist eine entzückende Frau.«
Er rief sich Miss Woodcourts Bild ins Gedächtnis. Mit ihren feinen Gesichtszügen und ausdrucksvollen grünen Augen konnte man nicht abstreiten, dass sie ein hübsches Ding war. Aber er kannte eine Menge hübscher Mädchen. Attraktive aristokratische Damen passten weitaus besser zu ihm. Nein. Er fühlte mit Miss Woodcourts Notlage und beabsichtigte zu helfen, nicht mehr. Außerdem hatte er eine Pflicht Jewels zu beschützen.
»Ich wünsche lediglich dich zu begleiten, das ist alles. Ich vermisse es Zeit mit meiner kleinen Schwester zu verbringen.«
»Obwohl deine Worte liebreizend sind, glaube ich ihnen nicht.« Sie lächelte. »Gleichwohl werde ich deine Begleitung erlauben. Lass aber nicht auf dich warten. Ich werde ohne dich gehen, wenn du daran scheiterst um zehn Uhr morgens hier zu sein.« Jewels stand auf und glättete ihre grünen Röcke. »Ich muss jetzt nach Hause.« Sie ging zur Tür und hielt an. Sie wandte sich ihm zu, wobei ein heiteres Lächeln ihre Lippen wölbte, und sagte: »Du könntest es weitaus schlechter treffen als mit Miss Woodcourt.«
Hunter öffnete seinen Mund, um ein Argument vorzubringen, aber schloss ihn. Sie war verschwunden, bevor er sprechen konnte.
Nur Jewels würde verfechten, dass er ein gewöhnliches Fräulein heiratete. Er schüttelte seinen Kopf. Ganz London würde ihn bis in alle Ewigkeit brüskieren.
Verdammt! Jewels war in seinen Kopf gekommen. Bevor sie angekommen war, hatte er nicht einen Gedanken an Miss Woodcourt als Partie verschwendet. Er schüttelte seinen Kopf, um die lächerliche Vorstellung zu vertreiben.
Hunter schaute auf, als sein Butler das Zimmer betrat. »Lord Sinclair ist hier, um Euch zu besuchen, my Lord.«
Hunters langjähriger Freund, Garret Tumbly, Viscount of Sinclair, schlenderte in den Raum.
»Perfekter Zeitpunkt, Sinclair. Ich habe Bedarf an deiner Expertise.« Hunter rückte zum Dekanter mit Whiskey und füllte zwei Gläser.
Sinclair positionierte sich auf einem Ohrensessel mit vor sich ausgestreckten Beinen. Er nahm das Glas, das Hunter ihm reichte. »Ich komme dem gerne nach.«
Wenn ihm irgendjemand helfen könnte zu entdecken, was zwischen Wolfe und Rose im Gange war, dann Sinclair. Die zwei standen sich sehr nahe, nachdem sie sich in Eton trafen, eine Freundschaft, die während ihrer Tage in Oxford nur weiter gewachsen ist. Nun betrachtete er Sinclair mehr als Bruder als einen Freund.
Sie hatten beim Lösen von Mysterien während ihrer Schultage ihre Hände ausgespielt. Nichts zu Komplexes, aber Sinclair hatte seinen Anteil von Missetaten enträtselt, der Fall von Hunters fehlender Weste eingeschlossen. Wie sich herausstellte, hatte ein anderer Junge diese in der Hoffnung gestohlen, dass er ihn bestraft sah.
»Hast du vor mich den ganzen Abend lang auf die Folter zu spannen?« Sinclair nahm einen Schluck von seinem Whiskey.
»Ich habe über unsere Tage am Eton nachgedacht.«
»Ah, ja. Wir haben damals unseren gerechten Anteil an Krach geschlagen.«
»Ich muss das vielleicht wieder tun.«
Sinclair lehnte sich nach vorne. »Worauf hast du dich eingelassen?«
Hunter leerte den Inhalt seinen Glases. »Hast du etwas von einem Mr. Dewitt Wolfe gehört?«
»Bei dem Namen schlägt nichts in meiner Erinnerung an. Sollte es das?«
»Nein, aber die Situation wäre einfacher zu erklären. Der Mann scheint etwas genommen zu haben, das nicht ihm gehört.«
Ein langsames Lächeln breitete sich über Sinclairs Gesicht aus. »Ich muss zugeben, dass ich interessiert bin. Fahr fort. Erzähl mir alles, was es zu wissen gibt.«
Hunter lehnte sich entspannt in seinem Stuhl zurück. Er wusste, dass Sinclair interessiert wäre. Jetzt hoffte er, dass sein Freund ein paar gute Ideen hätte. Er brauchte einen Schlachtplan – einen Weg, um Miss Woodcourt vor Wolfes Geschäften zu schützen. Er gab alles, was er von der Situation wusste, wieder.
Als er endete, bewegte er sich, um sein Glas wieder aufzufüllen.
»Woher weißt du, dass das Mädchen astrein ist?«
Wut stieg in Hunter auf, erhitzte seine Haut mehr, als die Spirituosen es könnten. »Ich war dort. Ich habe die Interaktionen mit meinen beiden Augen gesehen. Es ist nichts Unehrliches an Miss Woodcourt.« Er spähte Sinclair an.
»Sehr wohl. Wie wünschst du fortzufahren?« Sinclair stand auf, ignorierte Hunters Ausbruch der Gereiztheit und schlenderte zum Fenster. »Du brauchst Beweise, wenn es dein Wunsch ist zu sehen, dass ihm ein Verbrechen zur Last gelegt wird und ihr Grundstück an sie zurückgeht.«
Hunter griff nach dem Dekanter. Als ob er nicht selbst daran gedacht hätte. Das Problem war nicht, was er brauchte, eher wie man es bekam. »Hast du irgendwelche Weisheiten, wie ich besagten Beweis erlangen kann?«
»Ich habe vielleicht eine Idee.« Sinclairs Augen funkelten, als er sein leeres Glas hochhob. »Aber zuerst benötige ich einen Nachschlag.«
Hunter gluckste. »Mit einem klaren Kopf Ränke zu schmieden geht nicht an.«
»Das niemals.« Sinclair setzte sich wieder und stellte den Dekanter auf den nahen Tisch. »Du sagtest, dieser Wolfe-Kerl ist ein Geschäftsmann. Wenn ich einen Einsatz platzieren müsste, würde ich wetten, dass der Beweis, den du suchst, in seinem Büro ist.«
»Ja, mein Mann hat mich informiert, dass Wolfe ein Büro an den Docks unterhält, aber ich kann schlecht hineinschlendern und von ihm erwarten, dass er den Beweis aushändigt.«
Sinclair hielt Hunter den Dekanter hin. »Du hattest bis jetzt noch nicht genug zu trinken oder du würdest dies selbst sagen.«
»Was sagen?«
»Besorg eine Adresse. Morgen Nacht brechen wir ein.« Sinclair hielt sein Glas hoch.
Hunter grinste und griff nach dem Whiskey. Er füllte sein Glas, sein Blut raste plötzlich vor Aufregung.

KAPITEL 3
Roses Blut verwandelte sich zu Eis, gefror in ihren Adern. Sie blinzelte Mr. Wolfe an, als er gemütlich ihren Fußweg entlangging. Warum war er wieder hier? Ihr Grauen stieg mit jeder Stufe an, die er erklomm. Er war sicherlich zurückgekehrt, um abermals ihre Hand zu verlangen. Sie würde ihn niemals heiraten, um keinem Preis.
»Schau nicht so abgeschreckt drein, meine entzückende Blüte.« Ein lüsternes Grinsen breitete sich auf seinen Lippen aus, als er vor ihr anhielt.
Sie drückte ihre zitternden Hände in die Falten ihrer Robe. Es ginge nicht an, dass er sah, wie eingeschüchtert sie von seiner Anwesenheit war.
»Dein schicker Lord hat heute Nachmittag versucht das Cottage zu erstehen, aber sei ohne Furcht. Ich habe ihn abblitzen lassen.«
Obwohl ihr Herz wie eine Herde Pferde hämmerte, behielt sie ihre Augen fixiert auf Mr. Wolfes. Schicker Lord? Er muss Lord Aubry meinen, aber warum würde Lord Aubry ihr Cottage wollen?
»Sie hätten verkaufen sollen. Ich werde Sie niemals heiraten.« Sie starrte ihn wütend an, ihre Hände auf ihren Hüften.
Wolfe fuhr federleicht mit seinen Fingerspitzen über ihre Wange. »Sag niemals nie, Liebling.«
Ein Schauder durchlief sie und sie trat einen Schritt zurück. »Bitte behalten Sie Ihre Hände bei sich, Mr. Wolfe.«
Seine Augen verdunkelten sich und ein finsterer Blick ätzte tiefe Linien in sein Gesicht. »Das ist keine Art und Weise mit deinem Verlobten zu sprechen.« Er lehnte sich zu ihr hin. »Und täusche dich nicht, wir werden verheiratet werden.«
Roses Puls beschleunigte sich. Das war keine leere Drohung. Er hatte bereits bewiesen, wie weit er bereit war zu gehen. Es musste einen Weg geben, um ihn nicht zu heiraten. Sie ballte ihre Hände an ihren Seiten zu Fäusten. »Wie haben Sie es geschafft?«
Das bösartige Lächeln, das er ihr zeigte, kühlte sie bis zum Mark aus. Sie trat zurück und schnappte ihren Schal an der rauen Holzverkleidung des Cottages.
»Was geschafft, meine Liebste?« Er trat näher zu ihr hin, ließ sie sich fühlen wie ein Kaninchen, dass in einer Schlinge gefangen war.
»Wie haben Sie es scheinen lassen, als ob meine Grundschuld nicht bezahlt sei?«
Er lehnte sich sehr nah zu ihr hin, brachte seine Hand neben ihrem Kopf am Haus zum Liegen. Der Geruch eines ungewaschenen Körpers kombiniert mit seinem faulen Atem waberte herauf und brannte in ihrer Nase. »Das ist nicht von Bedeutung. Was getan ist, ist getan und soll derart bleiben. Wenn wir heiraten, werde ich dir das Cottage als Hochzeitsgeschenk zurückgeben.«
Sie wirbelte weg, bevor sie einige Schritte über die Veranda machte. »Sie können mein Zuhause verkaufen, es ist mir egal. Nehmen Sie alles, was ich habe und Sie werden mich dennoch nicht bekommen. Ich werde niemals Ihre Ehefrau sein.«
»Das werden wir sehen.« Seine letzten Worte hingen in der Luft, als er die Stufen herunter stampfte.
Rose sackte am Haus zusammen, während sie ihn beobachtete, wie er auf seinem Pferd davongaloppierte. Was sollte sie nur tun? Sie konnte ihn nicht heiraten. Ein Kloß formte sich in ihrer Kehle. Wie konnte ihr Vater sie einem solch abscheulichen Teufel versprechen?
Sie hob eine zur Faust geballte Hand an ihren Mund und zwang die Tränen zurück. Bekümmert zu sein würde die Situation nur noch schlimmer machen. Es musste einen Weg geben den Wahnsinn zu beenden. Sie straffte ihre Schultern, betrat das Cottage und machte sich auf den Weg in die Küche.
Der süße Geruch frischgebackener Törtchen beruhigte sie ebenso sehr wie der Anblick von Gran, die sich über einen Teigball beugte. »Dein Zuckerwerk riecht himmlisch.« Sie erzwang ein kleines Lächeln. Es würde nichts bringen Gran von ihrer Konfrontation mit Wolfe zu erzählen. Das Wissen würde nur dafür sorgen, dass die liebe alte Frau sich sorgte.
Grans Rock raschelte an ihrer gestärkten Schürze, während sie eine goldbraune und rote Torte zum Tisch trug. »Sie sind für die Devontons, aber ein Fehlendes wird nicht auffallen.« Sie legte ein heißes Gebäck vor Rose. »Wärst du ein Schatz und würdest sie für mich abliefern? Sie werden im Nu fertig sein.«
Rose nickte. Sie nahm einen Bissen, aber ihr verstimmter Magen weigerte sich sie ihren Leckerbissen genießen zu lassen. Ihr Bauch verkrampfte sich, während sie das köstliche Konfekt wieder auf den Teller legte.
»Stimmt etwas nicht?« Gran studierte Rose durch warme haselnussbraune Augen, ihre Brille rutschte ihre Nasenwurzel herunter.
Verflixt sei ihre Unfähigkeit ihre Emotionen vor Gran zu verbergen. »Es ist nichts, wirklich. Bitte mach kein Aufhebens.« Sie griff wieder nach dem Törtchen. Wie spatzenhirnig von ihr zu denken, dass sie Zeit in Grans Gesellschaft verbringen konnte, ohne dass die Frau ihre Verstimmung bemerkte.
Gran ließ ihre warme faltige Hand über Roses ruhen. »Ich werde nicht drängen, aber ich kann nicht anders als mich zu sorgen. Ich habe gesehen, wie Mr. Wolfe seinen Abschied nahm. Du bist mir sehr lieb und ich weiß, was er dir antut.« Sie drückte ihre Hand behutsam. »Wenn nur –«
Rose ließ das Gebäck zurück auf den Teller fallen. »Es hat keinen Nutzen, Gran. Wir können die Vergangenheit ebenso wenig verändern wie wir die Jahreszeiten kontrollieren können.« Sie hatte sich das selbst mindestens hundertmal gesagt, aber wenig Trost in ihren Worten gefunden. Es würde nichts bringen sich auf die Vergangenheit zu konzentrieren, wenn es ihre Zukunft war, die ausgebessert werden musste.
Gran bewege sich zurück zur Arbeitsplatte. »Alles wird sich einspielen, auf die eine oder andere Weise. Das muss es.«
»Ich glaube das auch, Gran.« Rose zwickte sich in den Nasenrücken und schaute aus dem Küchenfenster. Welch andere Wahl hatte sie denn?


Rose klopfte an die Tür der Devontons und schob ihr Kümmernis in ihren Hinterkopf. Sie hätte später genug Zeit ihre Situation zu bedenken. Einstweilen wünschte sie die Gesellschaft alter Freunde zu genießen. Die Devontons waren ein Teil ihres Lebens, seitdem sie sich erinnern konnte. Sie waren enge Freunde ihrer Großmutter ebenso wie langjährige Nachbarn. Nachdem sie ans Haus gebunden waren, hatte Gran es auf sich genommen nach ihnen zu sehen. Rose übernahm gerne die Aufgabe das Essen zu überbringen und Besorgungen für sie zu machen.
Die Tür öffnete sich ächzend. Mr. Devonton trat zur Seite, ein warmes Lächeln erleuchtete sein verwittertes Gesicht. Er lehnte sich mit einer Hand gegen die Wand. »Komm herein, Liebes.«
Sie grinste ihn ebenfalls an, während sie ihren Korb hob. »Gran hat mich geschickt, um etwas Obst und Törtchen zu bringen.«
»Welch angenehme Überraschung.« Sein Lächeln wurde breiter. »Komm doch herein.«
Rose trat in die altmodisch hübschen Räumlichkeiten, wobei der Korb an ihrem Arm baumelte. Sie nickte Mrs. Devonton zu.
Mr. Devonton schloss die Tür hinter ihr. Als er sich zurückdrehte, wackelte er auf seinen Füßen.
Sie ergriff ihn, bevor er fiel. »Erlauben Sie.«
Er schlang seinen Arm um sie, während sie ihn zu dem abgenutzten Sofa führte, wo Mrs. Devonton saß. Ihre schwindende Gesundheit brach Rose jedes Mal, wenn sie zu Besuch kam, ein bisschen mehr ihr Herz. Sie waren nicht mehr als Hüllen der Menschen, die einst mit ihr im Hof umher tanzten.
Ein Stöhnen rasselte aus Mr. Devonton, als er sich auf das Sofa senkte. Mrs. Devonton bot ein warmes Lächeln.
»Deine Gran ist die beste Bäckerin in London. Es ist immer eine angenehme Überraschung, wenn sie uns etwas ihrer Kost schickt.«
»Ich werde sichergehen, dass ich ihr erzähle, dass Sie das gesagt haben.« Rose begann den Korb zu entladen. Manche ihrer schönsten Erinnerungen beinhalteten das betagte Paar. Sie hatte Stunden mit ihnen verbracht, wenn Gran sie besucht hatte. Sie würde Gran und Mrs. Devonton mit der Hausarbeit oder Nähen helfen. Danach würde Mr. Devonton sie mit fantasiereichen Geschichten erfreuen.
»Ach, wenn ich ein bisschen jünger wäre, würde ich hinüberschleichen und mir selbst zu den Leckerbissen deiner Gran verhelfen.« Mr. Devonton gluckste. »Setz dich und plaudere für eine Weile mit uns.«
»Das würde ich sehr gerne. Lassen Sie mich diese nur erst wegräumen.« Rose nahm das Tablett mit den Obsttörtchen und bewegte sich auf das Schränkchen zu.
»Du bist sehr süß, Liebes.« Mrs. Devonton schob sich in eine stehende Haltung. »Erlaube mir dir zu helfen.«
»Das ist nicht notwendig. Es wird nur einen Moment benötigen.« Rose streifte an der Arbeitsplatte, als sie sich wieder ihrer Aufgabe zuwandte, und schlug das Tablett mit den Törtchen auf den Boden. »Du liebe Zeit. Setzen Sie sich wieder, während ich das sauber mache.« Sie bückte sich, um das eigensinnige Tablett aufzuheben, bevor sie die Zuckerware auf seiner kühlen Oberfläche stapelte. »Ich bitte um Entschuldigung. Ich habe sie alle ruiniert.«
»Reg dich deswegen nicht auf, Liebes. Nichts ist ruiniert.« Mr. Devontons Stimme erfüllte die Räumlichkeiten. »Sie sind noch essbar. Sammle sie einfach auf dem Tablett. Ein bisschen Hausstaub hat noch niemandem wehgetan.«
Eine Welle des Schocks ging durch Rose hindurch. Sie würde es nicht in Betracht ziehen Nahrung zu essen, die auf dem Boden gelandet war. Gleichwohl tat sie, wie er wünschte und sammelte die Leckerbissen wieder auf dem Tablett.
»Hättest du gerne ein bisschen Tee?«, fragte Mrs. Devonton, als Rose hochblickte. »Ich kann ihn zubereiten, während du die Törtchen wieder hinstellst.«
»Dafür gibt es keinen Bedarf. Ich bin fertig.« Sie stellte das Tablett auf die Arbeitsfläche. Sie wandte sich dem Paar zu und öffnete ihren purpurnen Umhang und hängte ihn an einen Haken nahe der Tür.
Die neueste Auseinandersetzung mit Wolfe raste durch ihren Verstand, während sie Tee zubereitete. Und täusche dich nicht, wir werden verheiratet werden. Ein Schauer durchlief sie. Sie würde eher sterben, als dass sie jemals zustimmte den niederträchtigen Mann zu heiraten.
»Du scheinst abgelenkt, Liebes. Halten wir dich von etwas ab?« Mr. Devonton tauschte einen Blick mit seiner Frau aus.
»Es würde nichts bringen zu leugnen, dass ich ein bisschen abgelenkt bin. Gleichwohl gibt es keine dringende Angelegenheit, die meine Aufmerksamkeit benötigt.«
Sie hatte nie zuvor eine größere Lüge erzählt. Sie musste nach Hause, so dass sie einen Weg finden konnte, um Wolfe zu vertreiben.
»Bitte hab nicht das Gefühl, dass du uns Gesellschaft leisten musst. Wir verstehen, dass du andere Verpflichtungen hast.« Mrs. Devonton lächelte, aber ihre grauen Augen schienen traurig.
»Unsinn. Sie sind am weitesten davon entfernt eine Pflicht zu sein. Ich betrachte Sie beide als Familie und genieße unsere Plaudereien. Es gibt keinen Grund, dass ich so früh gehe.«
Sie meinte jedes Wort ernst, aber gleichwohl fühlte sich Rose heute nicht wie eine gute Gesellschaft. Ihr Magen verspannte sich. Eventuell hätte Mr. Devonton eine Lösung.
Sie blickte ihn an, wie er neben seiner Frau saß, sein Rücken leicht buckelig. Nein. Sie würde sie nicht beunruhigen.
Rose schloss für einen Moment ihre Augen, verjagte die Gedanken an Dewitt Wolfe, bevor sie das Teetablett zur Sitzecke trug.
Nachdem sie ihren Tee genossen hatte, machte sie ihren Mantel fest, hob schwungvoll den leeren Korb auf und nahm Abschied. Die Unterhaltung mit den Devontons erwies sich genau als das, was sie brauchte. Sie schaffte es ihr Kümmernis für eine kurze Weile zu vergessen, aber die Zeit für sie war gekommen, um nach Hause zurückzukehren. Sie musste zur Realität zurückkehren – zurück zu Wolfes Drohungen.
Wenn sie nur eine Missetat von seiner Seite beweisen könnte. Sie trat nach einem Stein, als sie den bewaldeten Pfad betrat. Er hatte etwas Ungehöriges getan, um ihren Besitz zu erlangen, daran hatte sie keinen Zweifel. Gewiss mussten seine Handlungen kriminell gewesen sein. Wenn sie einen Beweis finden könnte, würde er vielleicht im Newgate Gefängnis enden.
Sie erinnerte sich an die Geschichte eines Juwelendiebs, die Mr. Devonton einst mit ihr geteilt hatte. Wenn nur … Sie schüttelte ihren Kopf, schob den törichten Gedanken beiseite. Junge Damen erwogen solche unziemlichen Gedankenstränge nicht.

KAPITEL 4
So sehr sie es auch versuchte, Rose konnte sich an keine hilfreichen Hinweise während ihrer Interaktionen mit Mr. Wolfe erinnern. Sie brauchte Hilfe professioneller Natur, aber die Behörden würden sie aufgrund ihres Mangels an Beweisen und Münzen nie beachten. Der Konstabler würde sie als verrückt erachten, wenn sie ihren Fall erzwang. Mr. Devontons Worte flüsterten ihr aus ihrem Hinterkopf zu. Ich würde hinüberschleichen und mir selbst dazu verhelfen.
Vielleicht war es letztendlich doch nicht so töricht ein bisschen Unziemliches zu tun, wo es Mr. Wolfe betraf. Wenn sie sich als Junge verkleidete, könnte sie in Wolfes Büro einbrechen. Dies zu tun könnte sich als fruchtbar erweisen. Sie könnte Beweise seiner Missetaten finden, etwas Handfestes, das sie zum Konstabler bringen konnte. Aber was, wenn sie erwischt würde?
Sie blinzelte, als sie wieder in ihren Hof trat, da der Wald sie nicht länger vor den Strahlen der Sonne abschirmte. Sobald sich ihre Augen an das helle Licht gewöhnt hatten, blickte sie sich um, schaute auf die vertraute Landschaft.
Ein Kloß bildete sich in ihrer Kehle, während ihre Augen das Cottage einsaugten, das sie so lange ihr Zuhause genannt hatte – die steinerne Fassade, die fröhliche Veranda, ihren üppigen Blumengarten. Alles war ihr lieb und teuer. In der leichten Brise zog sie ihren Umhang enger um sich. Wie konnte sie jemals ihr Zuhause loslassen? Sie musste ihr Cottage retten – irgendwie.
Lord Aubrys Kutsche kam in Sichtweite, geparkt vor dem Haus. Rose hielt an. Ihr Puls beschleunigte sich. Dein schicker Lord hat versucht das Cottage zu erstehen. Sie glitt mit ihrer Zunge über ihre trockenen Lippen. Was würde er mit ihrem Zuhause wollen? Noch wichtiger, warum zum Teufel war er jetzt hier?
Mit beschleunigter Atmung marschierte sie in Richtung des Cottages. Sie schob die Tür auf und ignorierte das vertraute Kreischen der Beschwerde, das von dem alten Holzpanel abgegeben wurde. Ein Teil von ihr wollte wegen seiner Ankunft grinsen, aber der größte Teil von ihr wollte Lord Aubry erdrosseln.
Nachdem sie den Korb auf einer Bank abgestellt und ihren Umhang neben der Tür aufgehängt hatte, betrat sie das Wohnzimmer. Ihr Atem stockte beim Anblick der langen Beine seiner Hose, die vor ihm ausgestreckt waren, während er in liebenswürdiger Weise mit Gran plauderte. Ihr Blick wanderte seinen schmalen Leib hoch zu seiner breiten Brust, so als ob er von einem Magnet angezogen wurde. Als sie bei seinem hübschen aristokratischen Gesicht anhielt, verschlang Hitze ihre Wangen.
Sie tat es wieder – ihn begaffen. Sie sollte ihn sich dafür zur Brust nehmen, dass er versucht hatte ihr Cottage – ihr Zuhause – unter ihr weg zu kaufen; sie sollte nicht hier stehen und wegen seines Körperbaus und seines viel zu hübschen Gesichts in Verzückung geraten.
Die Hitze der Anziehung breitete sich durch ihre Blutbahn aus, zwang eine Schamesröte den ganzen Weg bis zu ihren Ohren. Rose riss ihren Blick von seinem und legte ihre Aufmerksamkeit auf ihre Großmutter. »Die Devontons schicken ihre Wertschätzung.«
Gran nippte mit einem Nicken an ihrem Tee, ihre Augen verschränkten sich mit Roses. Sie stellte ihre Tasse zur Seite und betäschtelte den Stuhl neben sich. »Komm. Setz dich zu uns.« Ein kleines Lächeln bog ihre Lippen.
Lord Aubrys himmelblauer Blick begegnete Roses, was ihren Körper flatterig werden ließ. Erbarmen. Wie schaffte er es sie mit einem einfachen Blick aus der Fassung zu bringen? Als er grinste, wackelten ihre Knie. Sie hatte nie zuvor ein perfekteres Lächeln gesehen. Sein ganzes Gesicht leuchtete auf. Der Zorn, den sie nur einen Moment zuvor verspürt hatte, zerfloss mit ihrer Vernunft.
Sie brach die Verbindung und ging zu einem Stuhl mit hoher Rückenlehne und setzte sich, faltete ihre Hände in ihrem Schoß. Neugier entfaltete sich in ihr und sie ließ ihren Zorn diese verbrennen. Sie würde es ihm ebenso wenig gestatten ihr Zuhause zu stehlen, wie sie es Wolfe erlauben würde dies zu tun. Sie konnte es sich nicht erlauben von seinem hübschen Gesicht eingenommen zu werden. Sie begradigte ihre Wirbelsäule und begegnete seinem Blick. »Vergebt meine Direktheit, my Lord, aber warum seid Ihr hier?«
»Rose.« Gran nagelte sie mit einem strengen Blick fest. »Du darfst eine solche Dreistigkeit nicht vorlegen. Es ist vulgär.« Sie schaute zu Lord Aubry. »Bitte entschuldigt die Handlungen meiner Enkelin. Ich befürchte, dass sie in letzter Zeit nicht sie selbst ist.«
Roses Wangen loderten, aber sie erlaubte es ihrer Scham nicht sie zu beherrschen. Eventuell war ihre Dreistigkeit unangemessen, aber auch notwendig. Ihr Zuhause stand auf dem Spiel. Würde Gran ihre Gründe kennen, warum sie die Regeln der Gesellschaft ignorierte, hätte sie sie nicht gescholten. Tatsächlich hätte Gran wahrscheinlich selbst die Frage gestellt.
»Es ist durchaus in Ordnung, das versichere ich Ihnen, Mrs. Oaklawn. Schon gut.« Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder auf Rose. »Ich wünsche Ihnen meine Unterstützung anzubieten.«
»Wir haben keinen Bedarf an Unterstützung.« Die Worte kamen stark heraus, trotz ihrer Nerven. Das war eine ruhige Lüge. Wo hatte sie solch eine Fertigkeit gelernt?
»Miss Woodcourt, ich war hier als Mr. Wolfe in Ihr Zuhause geplatzt ist, dann wiederum außerhalb des Büros des Konstablers.« Er zog seine Beine ein und lehnte sich vor. »Hätten Sie zumindest die Güte und klären mich bitte auf, was vor sich geht.«
Ihr Herz hämmerte in ihrem Korsett, als sie ihren Blick abwandte. Sollte sie die Wahrheit zugeben? Sollte sie ihm von Wolfes Versuch ihre Hand zu erzwingen erzählen? Möglicherweise hatte er den Wunsch zu helfen.
Sie begegnete seinem studierenden Blick einmal mehr. Nein. Sie würde sich nicht, sie könnte sich ihm nicht anvertrauen. Es stand für sie zu viel auf dem Spiel, als dass sie einem Mann vertrauen könnte, den sie nicht kannte. Vielleicht wäre sie mit der Zeit in der Lage ihm zu vertrauen, aber diese Zeit war nicht jetzt. Nicht bis sie wusste, ob er ihrem Vertrauen würdig war.
»Unsere Situation ist nicht Eure Angelegenheit, my Lord.« Sie starrte ihn herausfordernd an.
Er trommelte mit seinen Fingern auf die Stuhllehne, sein Blick weich auf ihr Gesicht gerichtet. Die Aufrichtigkeit in seinen Augen brach ihre Verteidigung. Schmetterlinge flatterten unter seiner Aufmerksamkeit in ihrem Bauch. Gnade ihr der Himmel. Dieser Blick von ihm konnte die Themse im tiefsten Winter erwärmen.
Für den Splitter eines Moments sah sie ihn als einen möglichen Verbündeten. Sie presste ihre Lippen zu einem festen Strich. Nein, sie musste warten, bis er sich als vertrauenswürdig erwiesen hatte.
»Wie Sie wünschen, Miss Woodcourt. Ich respektiere Ihre Entschlossenheit, was auch immer vorgeht als eine Privatsache zu halten.« Er nickte zu Gran. »Sollten Sie sich hilfsbedürftig wiederfinden, zögern Sie nicht mich zu kontaktieren.«
Gran nickte, aber verblieb still. Rose schluckte den Kloß in ihrem Hals herunter. Eventuell dachte Gran ebenfalls, dass es das Beste war es nicht zu teilen. Oder, was wahrscheinlicher war, sie hatte nicht das Gefühl, dass es an ihr lag Roses Geheimisse preiszugeben. Wie dem auch sei, sie war dankbar für Grans Stille.
Eine Gedanke traf Rose, als sie beobachtete, wie Lord Aubry aufstand. Ihr Puls beschleunigte sich, sie brauchte noch immer Antworten. Ihr Austausch hatte sie von ihrem Ziel abgelenkt, aber sie musste noch immer herausfinden, warum er versucht hatte ihr Zuhause zu erstehen. Sie stand auf, trat behutsam vor ihn. »Dürfte ich Euch hinausbringen, Lord Aubry?« Sie führte ihn zum Vordereingang.

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notes

1
Erste professionelle Polizei Londons